Neckar-Odenwald-Kreis. Der Boden dampft auf den Wiesen rund um Hesselbach. Nebelschwaden hüllen Landschaft und Bäume in ein diffuses Licht. Rund 40 Leute, viele von ihnen in edlen Zwirn gekleidet, begeben sich von der Ortsmitte auf einen etwa zwanzigminütigen Fußmarsch in den nahegelegenen Wald.
Dort steht der „Dreiländerstein“, errichtet im Jahr 1837, an dem Punkt, an dem die damaligen Großherzogtümer Hessen und Baden sowie das Königreich Bayern aufeinandertrafen. Dort unterzeichneten vor 25 Jahre die Landräte Roland Schwing (Miltenberg), Horst Schnur (Odenwaldkreis) und Detlef Piepenburg (Neckar-Odenwald-Kreis) die sogenannte „Odenwald-Erklärung“. Ihre Nachfolger im Amt, Dr. Achim Brötel (Neckar-Odenwald-Kreis), Jens Marco Scherf (Miltenberg) und Frank Matiaske (Odenwaldkreis) tun es ihnen gleich. Sie bekräftigen die damals geschlossene Erklärung der Landkreise aus drei Bundesländern und unterzeichnen eine an die heutige Zeit angepasste Version.
„Der Freitag, 8. Mai 1998, war ein historischer Tag“, stellt Frank Matiaske fest. Man wolle auf der Tradition von damals aufbauen und gleichzeitig die Erklärung von damals an die heutige Zeit anpassen. Auch Dr. Achim Brötel würdigt diese „institutionalisierte Form der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit“. Was als „Regionaldialog“ vor 25 Jahren begonnen habe, sei längst zu einer echten „Regionalentwicklung“ geworden. Nach seinen Worten arbeiten die drei Landkreise auch im Tourismus erfolgreich zusammen. So sei der Odenwald ein attraktives Reiseziel nicht nur für Urlauber aus dem Inland, sondern auch für Reisende aus der Schweiz und den Niederlanden.
Gemeinsam habe man im Jahr 2000 den Drei-Länder-Radweg und kurz darauf das „Drei-Länder-Rad- event“ geschaffen. Als erfolgreiches Projekt nennt Brötel auch den Ausbau der Straße K 3971 beziehungsweise MIL 42, die zwischen Mudau und Buch verläuft. Der badische Landrat erinnert an die Zusammenarbeit im Nahverkehr, bei den Feuerwehren und bei der landkreisübergreifenden Weiterbildung von Fach- und Hausärzten. Künftig wolle man sich verstärkt den Zukunftsfeldern Energiewende, digitale Infrastruktur, Gesundheitsversorgung, Bildung und Weiterbildung, Mobilität, Natur- und Umweltschutz und attraktiveren Siedlungs- und Wirtschaftsstrukturen widmen. „So stelle ich mir grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Idealfall vor“, sagt der Landrat. „Pragmatisch, Hand in Hand und deshalb sehr erfolgreich.“
Zu dem Jubiläum haben die drei Landesregierungen Repräsentanten entsandt. „Das ist ein wunderschöner Termin“, sagt Hubert Aiwanger, stellvertretender Ministerpräsident und Wirtschaftsminister von Bayern. Er freut sich darüber, dass „die Wälder hier noch so gesund sind.“ Er hält die Nutzung heimischer Brennhölzer für besser als „Importenergie“. Die Menschen im Odenwald lebten in einer für Landwirte kargen Landschaft. Deshalb seien Arbeitsplätze in hiesigen Industriebetrieben für das wirtschaftliche Überleben sehr wichtig. Aiwanger spricht sich für individuelle und öffentliche Mobilität aus. Auch eine in der Fläche funktionierende medizinische Erstversorgung sei wichtig. „Das Land muss auch für junge Familien attraktiv bleiben“, stellt er fest. Er lobt die Weitsicht der Landräte, die vor 25 Jahren die Odenwalderklärung unterzeichnet hatten: „Wir kennen keine Grenzen – nur Odenwälder.“
Uwe Becker, Staatssekretär für Europaangelegenheiten des Landes Hessen, ist davon überzeugt, dass sich der Odenwald im Paradies befinde. Hier träfen mit Hessen, Baden-Württemberg und Bayern die drei schönsten Bundesländer zusammen. Er bezeichnet die Zusammenarbeit der Landkreise als Erfolgsgeschichte: „Hier ist ein praktischer Geist zuhause. Man hat damals klug und vorausschauend gehandelt.“
Dr. Patrick Rapp, Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus des Landes Baden-Württemberg, fühlt sich an diesem lauschigen Platz im Odenwald an den Sherwood-Forest in England erinnert, wo Robin Hood ein selbstbestimmtes Leben führte. Auch die drei Landkreise im Odenwald lägen weit weg von den Landeshauptstädten. Die Kooperation stelle „ein Leuchtturmprojekt“ dar und habe Schluss gemacht mit Kirchturmpolitik. Man habe durch die Zusammenarbeit neue Strategien entwickelt und sich „auf die eigenen Beine gestellt“, ohne nach dem Staat zu rufen. Dazu gratuliert er den Amtsträgern von damals und von heute.
Odenwälder packen an
Landrat Jens Marco Scherf dankt den Gästen von den Landesregierung für ihre Verbundenheit mit den drei Landkreisen. Für ihn ist das Datum 8. Mai auch deshalb symbolträchtig, weil an diesem Tag 1945 der Zweite Weltkrieg endete. „Wir haben den Staat von unten her wieder aufgebaut“, sagt er. „Wir im Odenwald packen an und gestalten – mit Unterstützung der Länder.“
Die Jagdhornbläser von Obernburg haben die Feier stilvoll musikalisch gestaltet. Außerdem gab sich das Fürstenpaar Andreas und Alexandra zu Leiningen die Ehre. Dieses besitzt große Waldflächen im Odenwald, darunter auch den Distirkt, in dem sich der „Dreiländerstein“ befindet.
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