Kreis-Frauentag

„Noch nicht richtig viel besser“

Annette Vogel-Hrustic informierte über Fakten aus der Arbeitswelt von Frauen

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sab
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Rund 360 Personen besuchten den Frauentag des Landkreises. © Sabine Braun

Neckar-Odenwald-Kreis. Die Gleichstellungsbeauftragte im Landratsamt, Annette Vogel-Hrustic, eröffnete den Frauentag in der Obrigheimer Neckarhalle mit einem Hinweis auf den am selben Tag vergebenen Friedensnobelpreis 2023. Den hatte die bekannte iranische Frauenrechtlerin Narges Mohammadi erhalten, die aufgrund ihrer politischen Aktivitäten eine langjährige Haftstrafe im Iran verbüßt. „Wir freuen uns alle sehr über diese Verleihung, das ist ein großartiges Zeichen“, sagte Vogel-Hrustic.

Sie berichtete weiter, dass sie über den etwas provokanten Titel „Arbeiten Frauen wirklich oder bilden sie sich das nur ein?“ nachgedacht habe. Auch ihre Arbeit sei nicht quantifizierbar. Tatsächlich seien Arbeitsergebnisse klassischer Frauenberufe beispielsweise in der Pflege, im Handel, in der Verwaltung oder Erziehung nicht so „messbar“ wie Arbeit im Handwerk. Ein Blick auf die Definition der Arbeit habe sie aber beruhigt. Denn nach dem Gabler-Wirtschaftslexikon sei Arbeit eine zielgerichtete, soziale, planmäßige und bewusste, körperliche und geistige Tätigkeit.

In einem kurzen Exkurs in die Geschichte betonte die Gleichstellungsbeauftragte die Bedeutung von Bildung, und die sei Frauen lange nicht so zugänglich gewesen wie Männern. Im Großherzogtum Baden sei Frauen der volle Zugang zum Studium an Universitäten 1900 erlaubt worden – als erstem Bundesstaat im Deutschen Reich. Heute machten mehr Mädchen Abitur als Jungen.

Finanzielle Unabhängigkeit

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Sabine Braun
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Eine weitere Voraussetzung für die eigene Erwerbsbiographie sei die finanzielle Unabhängigkeit, die ebenfalls eine späte Errungenschaft sei. Obwohl das heute unvorstellbar sei, hätten Männer bis 1958 das Letztentscheidungsrecht in der Ehe gehabt und hätten damit zum Beispiel über Wohnort, Beruf und Kindererziehung bestimmt. Anders sei es in der damaligen DDR gewesen. Freie Berufswahl sei dort schon seit der Staatsgründung gegeben gewesen, zumindest auf dem Papier. Das Letztentscheidungsrecht gab es gar nicht. In der BRD waren Frauen vor 1977 schon berechtigt, erwerbsstätig zu sein, aber nur, soweit das mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar war, und darüber bestimmte der Ehemann. Gelächter gab es, als Vogel-Hrustic davon berichtete, dass seit 1980 das Gesetz über die Gleichbehandlung von Männern und Frauen am Arbeitsplatz gilt. Darin stehe unter anderem, dass Frauen und Männer gleich verdienen sollen und dass Frauen bei der Einstellung und Beförderung nicht diskriminiert werden dürften. In der DDR habe die Gleichbehandlung zwar in der Verfassung gestanden, de facto hätten aber auch dort die Männer mehr verdient.

Auch heute noch hätten Männer und Frauen nicht die gleichen Verwirklichungsmöglichkeiten. Vogel-Hrustic erwähnte unter anderem, dass nur jede dritte Führungskraft eine Frau sei. Frauen nähmen mit durchschnittlich 15 Monaten mehr Elternzeit als Männer (vier Monate). 66 Prozent der Mütter arbeiteten in Teilzeit, aber nur sieben Prozent der Väter reduzierten ihre Arbeitszeit.

Viel war von „Gaps“, also „Lücken“ die Rede: Der durchschnittliche Bruttostundenverdienst der Frauen sei 2022 immer noch 18 Prozent geringer gewesen als der von Männern. Frauen haben nach einem Arbeitsleben in Vollzeit durchschnittlich halb so viel verdient wie ein Mann, ihre Alterseinkünfte sind um ein Drittel niedriger, jede fünfte Frau über 65 Jahre gelte als armutsgefährdet, berichtete Annette Vogel-Hrustic. Dafür leisteten Frauen im Durchschnitt 52 Prozent mehr unbezahlte Arbeitszeit in Haus und Garten, für Kinderversorgung, im Ehrenamt und in der Pflege von Angehörigen.

Wie eine Wiederkäuerin

Vieles sei im Verlauf der vergangenen Jahre besser geworden, so das Fazit der Gleichstellungsbeauftragten. „Aber eben noch nicht richtig viel besser.“ Die Zahlen seien bekannt und würden seit Jahren diskutiert. „Da kann man sich schon wie eine Wiederkäuerin vorkommen“, stellte Annette Vogel-Hrustic fest.

Für weitere Informationen sorgten die Kooperationspartner an Info-Tischen. Das waren der Förderverein für das Frauen- und Kinderschutzhaus, der Landkreis mit verschiedenen Fachdiensten, die Integrationsbeauftragte des Landes, der Betreuungsverein, das Diakonische Werk, das Jobcenter, das Unternehmerinnenforum, das Netzwerk für berufliche Fortbildung, der Tageselternverein und einige mehr. sab

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