Neckar-Odenwald-Kreis. Der Landrat kocht, Bürgermeister sind empört, Kinderärzte verstehen die Welt nicht mehr und die ersten Eltern planen schon Unterschriftenaktionen: Nach den Worten von Kinderärztin Susanne Herberg aus Mosbach will die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KV) den Kinderärztlichen Bereitschaftsdienst im Neckar-Odenwald-Kreis auflösen. Stattdessen sollen die Kinderärzte aus dem hiesigen Landkreis ihren Bereitschaftsdienst an den Kinderkliniken in Bad Mergentheim oder Heilbronn verrichten. Darüber habe KV-Vorsitzende Dr. Doris Reinhardt die Kinderärzte bei einer Web-Konferenz am 10. Oktober informiert. Sie habe sich auf eine „Beschlussvorlage“ bezogen, nach der die Kinderärztlichen Bereitschaftsdienste von Main-Tauber- und Neckar-Odenwald-Kreis zusammengelegt werden sollen. Demnach müssten alle Kinderärzte im Neckar-Odenwald-Kreis ihren Bereitschaftsdienst künftig an der Kinderklinik in Bad Mergentheim verrichten. Wie Herberg bei einem Pressegespräch konkretisierte, habe sich dies wohl dahingehend geändert, dass die Ärzte aus dem Raum Mosbach auch an der Kinderklinik in Heilbronn arbeiten könnten.
Zu wenig Ärzte im Nachbarkreis
Die KV begründet diese Neuorganisation damit, dass der Main-Tauber-Kreis nur über acht Kinderarztpraxen mit insgesamt zehn Ärzten verfüge, der Neckar-Odenwald-Kreis dagegen über elf Praxen mit 13,5 Arztstellen. Man wolle auf diese Weise die Notfallversorgung im Main-Tauber-Kreis personell sicherstellen. Die KV hat bisher gegenüber den FN keine Stellungnahme zu diesen Plänen abgegeben.
Seit fast 25 Jahren ist der Kinderärztliche Bereitschaftsdienst im Neckar-Odenwald-Kreis dezentral organisiert. Daran angeschlossen sind auch die Praxen in Eberbach und Neckarbischofsheim. Das bedeutet, dass die Kinderärzte den Bereitschaftsdienst im Wechsel in ihren Praxen ausüben, und zwar montags, dienstags und donnerstags von 18 bis 22 Uhr, mittwochs von 13 bis 22 Uhr und an Wochenenden sowie an Feiertagen von 8 bis 22 Uhr. Eltern können bei dem diensthabenden Arzt telefonisch einen Termin für ihr Kind vereinbaren.
Sollte die KV ihre Pläne umsetzen, müssten Eltern dagegen mit ihrem kranken Kind entweder in die Kinderklinik nach Heilbronn, Bad Mergentheim oder Heidelberg fahren. Eine vorherige Terminvereinbarung ist dort nach den Worten von Herberg nicht möglich. Neben weiteren Fahrstrecken müssten Patienten auch Wartezeiten in Kauf nehmen.
Landrat Dr. Achim Brötel kann es nicht nachvollziehen, warum man „eine funktionierende Struktur zerschlagen“ wolle, um einer möglicherweise drohenden Unterversorgung im Main-Tauber-Kreis zu begegnen. Außerdem kritisierten er sowie die beim Pressegespräch anwesenden Bürgermeister Roland Burger (Buchen) und Oberbürgermeister Julian Stipp (Mosbach) die fehlende Kommunikation der KV mit den Kommunen und dem Landkreis. „Die Kommunikation im Vorfeld war komplette Fehlanzeige“, sagte der Landrat. Sein Brief an die KV sei mit einem „Standardschreiben“ beantwortet worden, in dem es um den Ärztlichen Bereitschaftsdienst im Allgemeinen ging.
„Das ist reine Basta-Politik und bloßes Durchregieren ohne Rücksicht auf die Betroffenen“, kritisierte der Landrat. Und auch für das Nichtreagieren von Sozialminister Manne Lucha hat er kein Verständnis. Dieser übe seine Rechtsaufsicht nicht aus, zu der er nach Ansicht von Achim Brötel verpflichtet wäre. Denn das Vorgehen der KV sei rechtlich nicht vertretbar. „Da ist der Minister gefordert. Und da werden wir nicht locker lassen“, kündigte der Landrat an.
Wie Herberg erläuterte, sei das Zusammenlegen der Kinderärztlichen Bereitschaftsdienste von Main-Tauber- und Neckar-Odenwald-Kreis derzeit vom Tisch. Denn man könne die betroffenen Ärzte nicht dazu zwingen. Das sei erst dann möglich, wenn die Zahl der Kinderärzte im benachbarten Landkreis auf unter sieben falle. Sie fürchtet allerdings eine „große Bereitschaftsdienst-Reform“. Diese könne dazu führen, dass nur noch in Kinderkliniken Bereitschaftsdienste angeboten würden. Als einer von wenigen Landkreisen im Land verfügt der Neckar-Odenwald-Kreis über keine Kinderklinik.
Sich gegen Pläne wehren
„Wir brauchen keine Gleichschaltung bei den Bereitschaftsdiensten“, forderte die Kinderärztin. „Wir sind ein kleines gallisches Dorf im Land, weil wir keine Kinderklinik haben.“ Sie appellierte an die Eltern, sich gegen diese Pläne zu wehren. Ihrer Meinung nach sollte man es den Landkreisen überlassen, einen funktionierenden Kinderärztlichen Bereitschaftsdienst zu organisieren.
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