Über schwäbische Schlüsselworte: Ulrich Kienzle und das Trio "Die Frotzler" erläuterten den Badenern und dem Rest der Welt den schwäbischen Charakter

Hintersinnige Lektion über die Schwaben

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Mosbach. Das Programm mit dem Ulrich Kienzle und das die Musiker-Trio "Die Frotzler" in Mosbachs Alter Mälzerei gastierte heißt "Gottes schönste Gabe. Der Schwabe. Wie er wurde, was er ist". Und dieses Programm speist sich aus einem Büchlein, das von der Erfindung des Schwaben mit dem Titel erzählt: "Wo kommsch denn du alds Arschloch her?" Autor: Ulrich Kienzle.

Alles eine Frage der Betonung

Jenes Büchlein geht den Wurzeln eines schwierigen Stammes so humorvoll wie historisch fundiert auf den Grund, besser den Macken der Schwaben. Und so erfuhren die locker um Tische gruppierten Mosbacher Zuhörer vorneweg, was es mit der oben genannten Anrede - dem schwäbischen Schlüsselwort - auf sich hat, die schon der Tübinger Staatsrechtler Eschenburg in einer Vorlesung gebrauchte.

Er befindet sich in illustrer Gesellschaft, von Joschka Fischer bis Herbert Wehner. "Gefährlich wird das Wort", klärte der einstige SDR-Reporter auf, "erst außerhalb des schwäbischen Sprachgebrauchs." Es sei nur eine Frage der Betonung, ob die titelgebende Bezeichnung als liebevolle Begrüßungsformel verstanden werde.

Ulrich Kienzle hat gründlich recherchiert. Und so geriet der Abend zu einer vorzüglichen Geschichtsstunde auf Schwäbisch, oder besser: über das Schwäbische, die Schwaben, ihre Herkunft, ihre Historie und ihre Eigenarten.

Ulrich Kienzle, der TV-geschulte Journalist, referierte überwiegend auf Hochdeutsch, der "ersten Fremdsprache für Schwaben". Wie sich Kienzle und seine drei Begleiter an Piano, Geige und Kontrabass die Wortbälle zuwarfen, das erinnerte an die Zeit, als der Schwabe Kienzle sich mit dem Westfalen Bodo Hauser galante Wortgefechte in der Polit-Sendung "Frontal" lieferte.

In der freundlich-brummelnden, aber dennoch in jeder Silbe verständlichen Ausdrucksweise eines weltgewandten Geschichtenerzählers nahm der fast 74-Jährige an einem Pult Platz, bediente und hinterfragte die gängigen Schwabenklischees auf frotzelnde Art, spöttelnd-neckisch, aber immer mit erkennbarer Sympathie für seine Landsleute.

Georg Hübner, Veit Hübner und Bobbi Fischer, die drei Comedy-erprobten Musikanten, taten es ihm gleich und streuten Mundartliches ebenso leichthin ein wie Musikalisches von Volkstümlich bis Chopin.

Dass Schwäbisch gar für Liebesbekundungen taugt, bewies das Trio mit seiner Version des Skandalsongs von Jane Birkin und Serge Gainsbourg "Je t'aime" aus dem Jahr 1976, der hier mit einem geseufzten "Sodele" am Schluss die Behauptung widerlegte, dass der "Spartrieb des Schwaben stärker als der Sexualtrieb ist". Ein Programm, in dem sich alles um "Gottes schönste Gabe" dreht, kommt am schwäbischen Pietismus nicht vorbei, der spätmittelalterlichen Wurzel des Übels, das aus "fröhlichen, versoffenen Schwaben" jenen Menschenschlag formte, der bis heute am "Schaffen-Putzen-Sparen-Komplex" leidet.

Kienzles Bezeichnung für die religiösen Eiferer: schwäbische Taliban. Aber der Schwabe sei auf dem Weg der Befreiung, Stuttgart schüttelt sein spießiges Image ab, und in Berlin ist die Maultaschen-Connection auf dem Vormarsch.

Auch die komplizierte Beziehungskiste zwischen Badenern und Schwaben ließ Ulrich Kienzle nicht ungeöffnet. Aber er guckte genau hin, und stellte fest, dass die "feindlichen Brüder enge Verwandte" sind. Das Trennende, die Sticheleien seien erst mit Napoleon gekommen, der der Kleinstaaterei auf dem Gebiet des heutigen Baden-Württemberg mit einem Großherzogtum Baden und einem Königreich Württemberg plus Oberschwaben ein Ende machte.

"Die Badener begannen, sich benachteiligt zu fühlen, ein Komplex, den sie im Laufe der Zeit geradezu kultivierten." Die daraus entwickelten Gehässigkeiten werden nach Meinung des schwäbischen Kabarettisten jedoch nur noch von einer lautstarken Minderheit artikuliert, die badische Folklore pflegt.

Ulrich Kienzle steht altersweise über derartigen Animositäten, schont weder die "Unsymbadischen" noch die eigene Sippe, lässt sich von keiner Gruppierung vereinnahmen und verpackt das sprachlich brillant unter Umgehung (fast) jeglicher abgegriffener Schwabencharakteristik.

Noch Fragen? Kienzle ließ keine offen, zumindest keine im Zusammenhang mit dem Woher und Warum von "Gottes schönster Gabe". Urteil: net schlecht. Im schwäbischen Sprachgebrauch ist das ein Lob, das keine Steigerung mehr zulässt. (bru)

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