Einsatz nach Drehbuch - Das Szenario einer Flutwelle mit Erdrutschen und Verschütteten beschäftigte 280 Verwaltungsmitarbeiter und Rettungskräfte

Die Schwachstellen aufdecken und abstellen

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sab
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Neckar-Odenwald-Kreis. Hänge sind abgerutscht und haben Häuser verschüttet, Straßen sind überflutet, Menschen müssen evakuiert werden. Das war das Szenario der Stabsrahmenübung von „Petrus 21“.

Dabei war man nicht auf ein gutes Ergebnis aus. Sondern: „Wir wollen lernen“, betonte Landrat Dr. Achim Brötel beim Pressegespräch zur Stabsrahmenübung. Die Katastrophenschutzübung sollte zeigen, ob die Zusammenarbeit klappt und wo noch Schwachstellen sind. Lieber jetzt nachbessern als im Ernstfall vor dem Problem zu stehen. „Da hilft nur üben, üben, üben“, so Brötel und auch Kreisbrandmeister Jörg Kirschenlohr.

Annahme: Infrastruktur zerstört

Das Szenario: Es regnet seit Mittwoch, und zwar ordentlich. Von diesem „Starkniederschlagsereignis“ sind zunächst Mudau und Walldürn betroffen, dann zieht das Unwetter am Donnerstag weiter in den Raum Mosbach, Billigheim und Neckarzimmern. Eine Flutwelle bedroht die Orte an Neckar und Elz. In Binau und Neckarzimmern rutscht Geröll auf die Gleise; der Bahnverkehr ist gestört. In der Nacht zum Freitag erklärt der Landrat den Katastrophenfall. Straßen werden überflutet, so dass die Busse nicht mehr fahren und 126 Schüler nicht heimkommen. Auch in Mosbach kommt es zu einem Erdrutsch, Häuser werden verschüttet, es gibt Tote und Verletzte. Um diese Katastrophensituation zu bewältigen, waren 280 Teilnehmer, darunter Feuerwehrleute, Mitarbeiter des Landratsamts und der Kommunen Mosbach, Billigheim und Neckarzimmern, Vertreter von DRK, DLRG und THW aus dem ganzen Landkreis, Polizei und Psychosoziale Notfallversorgung sowie Leitende Notärzte im Einsatz.

Reagieren und Funktionieren

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Wichtige Voraussetzung: Das „Drehbuch“ ist den Beteiligten nicht bekannt. „Auch wir werden mitbeübt“, so Kirschenlohr. Spontanes Reagieren und Funktionieren ist gefordert. Auch die im Verlauf der Übung im Minutentakt eingehenden Meldungen sind jeweils überraschend und verlangen nach Entscheidungen.

Direkt aus der Stabsbesprechung kam Dr. Brötel zum Pressegespräch und stellte die Schauplätze zusammen mit Jörg Kirschenlohr und dem Ersten Landesbeamten Dr. Björn-Christian Kleih vor. Los ging es mit dem Einsatzleitwagen (ELW2) der Feuerwehr. 15 Computer, eigener Server und Stromaggregat, Besprechungszimmer, Arbeitsplätze und Technikraum: Dieses Fahrzeug hat es wirklich in sich. Im Notfall kann es die Rettungsleitstelle ersetzen.

Nur wenige Schritte sind es von dort zur eigentlichen Zentrale im Amt. Der etwa 20-köpfige Führungsstab sitzt dicht gedrängt. An der Stirnseite zeigen Monitore und als Rückfallebene bei Stromausfall auch Pläne auf Papier die aktuelle Lage. Ständig kommen Nachrichten herein. Konzentriert und ruhig ist die Atmosphäre. „Wir haben das THW losgeschickt, im Altersheim müssen Beatmungspatienten evakuiert werden“, berichtet Bruno Noe vom Führungsstab dem Landrat. Eine Firma wurde beauftragt, die Baustelle auf dem Hardhofweg zuzuschütten, um die Straße passierbar zu machen – fiktiv. „Das entscheiden wir im Krisenstab direkt, ganz ohne Ausschreibung und die üblichen Verfahren“.

Im Foyer des Landratsamts ist eine weitere Gruppe stationiert. Hier simulieren Praktikanten des Amts, unterstützt von Experten, weitere Übungsbeteiligte, zum Beispiel Firmen oder die Rettungsleitstelle.

Die Sachbearbeiter vom Straßenbauamt über das Veterinäramt bis hin zur Pressestelle – der Nachrichtenbedarf ist im Katastrophenfall groß – sind von ihrem normalen Arbeitsplatz aus eingebunden. Gleiches gilt für Mitarbeiter der Verwaltungen in Mosbach, Billigheim und Neckarzimmern sowie für das Krankenhaus, das seinen eigenen Notfallplan aktiviert hat. Im Untergeschoss des Landratsamts ist das Kreisverbindungskommando der Bundeswehr untergebracht, welches den Führungsstab unterstützt.

In kürzester Zeit einsatzbereit

Beeindruckend: Im ELW2, bei der Bundeswehr und beim Führungsstab ist die gesamte Technik in weniger als einer Stunde aufgebaut und startklar. Die Kisten, in denen Server und Rechner bereitgehalten werden, sind stets am Ort und einsatzbereit.

Wichtig ist Jörg Kirschenlohr, dass jedem klar ist: Das kann uns auch treffen. Deshalb müsse es künftig Übungen geben, welche die Bevölkerung einbeziehen. Relativ gut ausgestattet sei man im Kreis mit Sirenen, doch man müsse den Leuten auch erklären, was die einzelnen Sirenentöne bedeuten.

„Die Regierungspräsidentin will sich ein Bild machen“, wird am Freitag kurz nach 14 Uhr in den Raum gerufen. Doch soweit kommt es auch fiktiv nicht mehr: Um 16 Uhr endet die Stabsrahmenübung. Einer ersten Analyse mit dem Führungsstab wird eine Abschlussbesprechung noch dieses Jahr folgen. Fachberater Jürgen Steinbrink beruhigt: „Es wird keiner in den Senkel gestellt. Es geht ums Üben.“ Als erste Erkenntnis nennt Brötel, dass der Saal für den Führungsstab zu klein war. Außerdem: „Unsere Kommunikation muss besser werden.“

42 000 Euro kostete die Übung den Kreis, 5000 Euro schießt das Land zu. sab

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