Zwischen Corona und Energiekostenexplosion

Volkshochschulen fehlen die finanziellen Rücklagen

Aus der einen Krise kommend und die nächste schon im Blick: Die Volkshochschulen im Land richten Hilferufe an die Politik. Doch wie ist die Lage der regionalen Einrichtungen? Wir haben uns hierzu kreisweit umgehört.

Von 
Simon Retzbach
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Die Leiterin eines Deutschkurses für Einwanderer im Gespräch mit Schülerinnen. Die Nachfrage nach entsprechenden Kursen wächst mit den steigenden Flüchtlingszahlen und muss von den Volkshochschulen trotz angespannter finanzieller und personeller Situation bewältigt werden. © Marijan Murat/dpa

Main-Tauber-Kreis. Eigentlich war alles für den „Neustart“ nach Corona angerichtet. Mit dem Wegfall der pandemiebedingten Einschränkungen lagen die analogen Angebote und Veranstaltungen wieder voll im Trend.

Endlich Schluss mit tristen Online-Konferenzen und ausschließlich digitalen Angeboten, die auch in der Freizeit kaum zum Verlassen der eigenen vier Wände ermunterten. Mit der Rückkehr von Präsenzveranstaltungen kam auch in den Volkshochschulen wieder Schwung in die durch Corona-Auflagen gehemmte Kursaktivität.

Mit der Vereinbarung „Gemeinsam für Weiterbildung“ sicherten Verbände und Landesregierung zudem im Sommer 2020 die finanzielle Zukunft der Fortbildungsangebote, so dass die Prognosen zurecht optimistisch waren.

Es hätte also alles ganz einfach sein können, wenn nicht mit den stark steigenden Energiekosten die nächste Bedrohung für die Volkshochschulen am Horizont stünde. Denn auch hier besteht natürlich ein nicht zu unterschätzender Energiebedarf, der mit deutlichen Mehrkosten einhergeht und für eine erneut angespannte Situation sorgt.

„Unsere Volkshochschule Mittleres Taubertal ist als gemeinnütziger Verein nicht vorrangig wirtschaftlich tätig“, erklärt Christine Schelhaas, die Leiterin der Volkshochschule Mittleres Taubertal mit Sitz in Tauberbischofsheim, das Geschäftsmodell der Bildungseinrichtung.

Ziel ist eine durch „Kurseinnahmen erwirtschaftete Kostendeckung“, kleinere Rücklagen für etwaige Investitionen konnten in der Vergangenheit dennoch aufgebaut werden.

Ein großes Problem ist das weitgehende Abschmelzen der aufgebauten Finanzreserven in den vergangenen Jahren, ohne dass aus dem laufenden Betrieb erneute Rücklagen gebildet werden können. So zieht Bettina Jahraus, Leiterin der VHS Buchen, ein drastisches Fazit: „Die Rücklagen schmelzen. Dies bedeutet, dass weitere Krisen nicht mehr kompensiert werden können, sondern direkt an die existenzielle Substanz gehen“.

Geringere Teilnehmerzahlen

Man habe zwar das Kursangebot mittlerweile fast wieder auf den Stand von 2019 gebracht, doch durch geringere Teilnehmerzahlen bei vergleichbarem Aufwand niedrigere Einnahmen zu verzeichnen.

Die Konsequenz: „Die letzten Gebührenerhöhungen liegen mehr als 20 Jahre zurück, für 2023 ist eine moderate Erhöhung im Gesundheits- und Kulturbereich angedacht“, so Jahraus weiter. Doch auch weiterhin sollen wie bisher die Bildungsangebote für die breite Bevölkerung erschwinglich sein, wie die Vertreter der Volkshochschulen betonen.

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Von
Klaus T. Mende
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Wie heftig die Konsequenzen für die überwiegend teilnehmerfinanzierten Volkshochschulen ausfallen können, wird bei einem Blick in die entsprechenden Zahlen deutlich: In allen Einrichtungen merkt man in den Jahren 2020 und 2021 einen spürbaren Rückgang.

In Bad Mergentheim ist der Rückgang besonders drastisch: Waren es 2019 noch gut 6700 Teilnehmer an den verschiedenen Kursen der Einrichtung, so fiel diese Zahl 2020 um ziemlich genau die Hälfte auf 3350. 2021 bildete mit nur noch knapp 2000 Teilnehmern die Talsohle der Statistik.

Auch die Einrichtung in Buchen musste diesen drastischen Einschnitt von 70 Prozent verkraften, in Wertheim macht sich Corona mit einer Halbierung der Teilnehmerzahlen bemerkbar.

Kleinere Umsätze

Somit verkleinerten sich auch die Umsätze deutlich. Während man in Buchen ein Minus von zehn und 20 Prozent für die Jahre 2020 und 2021 hinnehmen musste, fielen diese Zahlen in Wertheim mit Einnahmeverlusten von 17 respektive 28 Prozent für die beiden Coronajahre sogar noch höher aus.

Wichtig hierbei ist, dass in der Betrachtung bislang nur die „Nachwehen“ der Corona-Zeit betrachtet werden. Die jetzt steigenden Energiekosten werden von den Vertretern der Volkshochschulen zwar wahrgenommen und durch gängige Sparmaßnahmen berücksichtigt, machen sich aber bislang in den konkreten Zahlen noch nicht bemerkbar. Hier steht also mit etwas Zeitverzug bereits die nächste existenzielle Bedrohung bevor.

Es bleibt abzuwarten, wie die gebeutelten Volkshochschulen diese Problematik verkraften werden. Klar ist aber jetzt schon eines: Am Angebot wollen die Bildungseinrichtungen nicht sparen.

„Das Kursangebot wird in gleichbleibender Qualität und Umfang angeboten“, betont Christine Schelhaas. „Die Bedeutung von Fortbildung ist gerade in Krisenzeiten nicht zu unterschätzen“, ergänzt ihr Kollege Matthias Strack, der die Einrichtung in Bad Mergentheim leitet.

Auch Personaleinsparungen seien nicht vorgesehen und „aktuell überhaupt nicht möglich“. Vor dem Hintergrund gestiegener Anforderungen wäre eine Personalreduktion „kontraproduktiv“, meint Georgitta Szabo, die die Wertheimer Volkshochschule leitet.

Denn ein wichtiges Verdienst der Volkshochschulen im Kreis sind neben den vielfältigen Angeboten in unterschiedlichen Bereichen in der jüngeren Zeit vor allem die Integrationskurse für Flüchtlinge.

Diese Angebote seien ein wichtiger Bestandteil zur Eingliederung und sollten als besonderes Anliegen der Politik auch entsprechend unterstützt werden, so Georgitta Szabo. Zumal der Andrang nach Angaben von Bettina Jahraus im kommenden Jahr noch weiter steigen werde.

So sind sich die vier Vertreter der Volkshochschulen im Main-Tauber-Kreis einig, dass ihre Einrichtungen auch in der Zukunft ein wichtiger Bestandteil der Bildungslandschaft bleiben werden.

Zumal sich die Volkshochschulen auch im Online-Bereich mit zahlreichen und vielfältigen Angeboten aufstellen, um auch weiterhin die erste Anlaufstelle für qualifizierte und facettenreiche Weiterbildung zu sein.

Redaktion

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