Main-Tauber-Kreis. Am liebsten würden Murat Yildirm, Önder Turan und Kerim Cosgun sofort in die Türkei fliegen, um vor Ort zu helfen. Doch sie wissen, das wäre kontraproduktiv – „falscher Ehrgeiz“, wie sie es nennen. So üben sie sich in Geduld und versuchen alles Menschenmögliche von zuhause aus zu unternehmen. „Seit Montag sind wir ununterbrochen mit unserem Dachverband Ditib, unseren Mitgliedern und vielen Nachbarn, Kollegen und Bekannten in Verbindung. Unsere Handys klingeln ständig. Jeder will wissen, was er tun kann. Wildfremde Menschen stehen vor unserer Moschee und möchten uns Geld für die Opfer geben. Viele unserer Arbeitgeber wollen helfen“, sagen die drei Männer im Gespräch mit den FN.
Spürbar stehen sie unter dem Eindruck der vielen Videos und Bilder, die sie aus der Türkei bekommen. „Was wir von unseren Verwandten und Freunden dort hören, kann man nicht mit Worten beschreiben. Das Ausmaß ist noch viel größer, als es im Fernsehen aussieht. 13 Millionen Menschen aus zehn Städten sind betroffen und brauchen Hilfe. Es ist bitter kalt dort, die Leute frieren.“
Yildirim, Turan und Cosgun sind per WhatsApp stets auf dem aktuellsten Stand und immer wieder aufs neue fassungslos.
Kerim Cosgun sagt: „Wenn ich draußen bin und zu frieren beginne, kann ich mich drinnen schnell wieder aufwärmen. Und dort wurden nach 80 Stunden in der Eiseskälte noch Menschen gerettet.“ Önder Turan meint: „Seit Montag ist alles anders. Wir arbeiten, essen und schlafen. Doch das Essen schmeckt uns nicht, das Lachen tut weh. “
Den Schmerz, den sie fühlen, bekämpfen sie mit Arbeit – sie organisieren und koordinieren Hilfe, sammeln Spenden, spenden selbst und planen schon weiter: Am 21. März beginnt der Ramadan. „Wir hatten geplant, dass jeder, der sich am Fastenbrechen beteiligen möchte, 150 Euro spenden muss. Innerhalb kurzer Zeit erklärten sich 70 Leute sofort dazu bereit. Mittlerweile haben wir das Essen aber abgesagt und sammeln das Geld trotzdem ein.“
Weitere Aktionen geplant
Viele weitere kurzfristige Aktionen sind geplant. Die Hilfsbereitschaft so vieler Menschen macht sie sprachlos und glücklich zugleich. Murat Yildirim zeigt einen Plastikbeutel voller Münzgeld: „Das hat ein Mann bei uns abgegeben.“ „Jeder Euro zählt“, sagen sie und berichten auch von der Aktion, in die die Kinder der Gemeinde eingebunden sind. „Samstags und sonntags findet bei uns immer eine Art Religionsunterricht mit unserem Glaubensbeauftragten statt. Wir haben die Eltern gebeten, mit ihren Kindern über dieses Erdbeben zu sprechen und sie zu bitten, etwas von ihrem Taschengeld zu spenden. Die Kinder sollen lernen, dass man anderen helfen und teilen muss.“
Die Zeit für ihren ehrenamtlichen Einsatz neben der ganz normalen Arbeit nehmen sich die Mitglieder der Türkisch-Islamischen Gemeinde gern: „Das Ergebnis unserer Bemühungen ist Gold wert. Damit könne wir Menschenleben retten.“
Immer wieder zeigen die Drei im Gespräch mit den FN Videos und Fotos auf ihren Handys.
Ein Video ist für sie besonders emotional: Ein Helfer eines deutschen Suchtrupps ist bei einem Kind, das verschüttet worden war. Einer der Männer sagt auf Deutsch „Beruhige dich, wir sind da.“ Das Kind fragt auf Türkisch: „Wann darf ich hier raus?“ Da antwortet der Helfer auf Türkisch: „Hab’ keine Angst, wir helfen dir.“
Oder sie berichten von einem Video, auf dem man sieht, wie zwei griechische Helfer ein türkisches Baby retten und sich danach weinend in den Armen liegen.
Önden Turan betont: „Wir Menschen sind alle eins. Wir haben dieselben Schmerzgefühle und empfinden dieselbe Freude. Es ist traurig, dass man nur an solchen Tagen darauf aufmerksam wird.“ Kerim Cosgun sagt: „Meine Familie in der Türkei ist zum Glück nicht betroffen von diesem Erdbeben. Um zu helfen, muss man auch gar nicht betroffen sein.“ Auch der neue Glaubensbeauftragte der Türkisch-Islamischen Gemeinde Lauda und Umgebung, Celil Cemalioglu, kommt zum Gespräch dazu. Am 16. Januar hat er seinen fünfjährigen Dienst in Lauda angetreten. Er sagt: „Wir als Vorstand stehen mit allem, was wir haben, unseren Leuten zur Verfügung, um ihnen zu hefen. Wir gehen dabei nach bestem Wissen und Gewissen vor, um dort die effektivste Hilfe ankommen zu lasen.“
Murat Yildirim, Kerim Cosgun und Önder Turan helfen weiter und tun alles, was in ihrer Macht steht – solange, bis der erlösende Anruf vom Dachverband Ditib, der mit den türkischen Behörden in enger Verbindung steht, kommt: „Jetzt könnt Ihr losfliegen. Nun brauchen wir viele Leute, die sich hier engagieren.“
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