FN-Serie "FitNess"

Selbstexperiment Streak Running: Einen Monat täglich laufen

Streak Running - dieser Fitness-Trend taucht immer öfter in den Sozialen Medien auf. Dabei geht man jeden Tag laufen, ohne Pause. Ist das zu schaffen? Und: Ist es überhaupt sinnvoll? Unsere Autorin hat es getestet.

Von 
Anna Kabus
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Im Rahmen unserer FN-Fitness-Serie habe ich mir vorgenommen, vier Wochen jeden Tag laufen zu gehen. Ist das überhaupt sinnvoll? Ich habe es im Selbstversuch getestet. © Anna Kabus

Tauber-Odenwald. "Streak Running" - so heißt ein Lauf-Trend, auf den ich zufällig in den Sozialen Medien stoße. Als jemand, der nur ab und zu läuft, aber nie wirklich regelmäßig und sowieso ohne Plan, werde ich neugierig: Was hat es damit auf sich? Online werde ich fündig: Es geht beim Streak Running darum, jeden Tag laufen zu gehen - ohne Pause. 

"Streak Running" könnte man als auch "Serien-Laufen" oder "Lauf-Strähne" übersetzen.

Dabei geht es darum, jeden Tag laufen zu gehen. In den USA gibt es sogar eine Streak-Running-Vereinigung (USRSA, United States Running Streak Association). Diese hat bestimmte Regeln festgelegt, welche Bedingungen beim Streak Running gelten:

  • Jeden Tag muss mindestens eine Strecke von einer Meile (1,61 Kilometer) zusammenhängend zurückgelegt werden
  • Technische Hilfsmittel (ausgenommen sind Prothesen und Laufbänder) oder die Unterstützung fremder Personen sind nicht erlaubt

Die Lauf-Serie sollte dabei dokumentiert werden. Ansonsten gibt es im Grunde keine Regeln.

 

"Day 1483" steht bei einem Instagram-Nutzer mit im Beitrag. Läuft dieser Mann wirklich seit über vier Jahren jeden Tag? Da packt mich eine plötzliche Motivation: Ich möchte mich auch dieser Herausforderung stellen. Vier Wochen setze ich mir vorerst als Ziel. 

Bisher habe ich es noch nie geschafft, wirklich dran zu bleiben und das Laufen zu einem festen Bestandteil meines Alltags zu machen. Wenn ich mir vornahm, dreimal in der Woche zu joggen, dann war der Tag, an dem es soweit war, immer "morgen". Beim Streak Running funktioniert diese Ausrede nicht: Jeder Tag ist Lauf-Tag! So überliste ich meinen inneren Schweinehund - das ist ziemlich smart, denke ich mir. 

Streak Running: Woche 1

Am ersten Tag bin ich extrem motiviert. Ich begebe mich zu der Laufstrecke am Main, die seit jeher meine Lieblingsstrecke ist, und laufe los. Zwei Kilometer peile ich an. Schnell merke ich, dass ich schon länger nicht mehr hier joggen war, denn die Runde ist plötzlich doch länger als in meiner Erinnerung. Ich laufe also sogar drei Kilometer, bin aber ziemlich glücklich darüber. Das Wetter ist gut, die Laune ebenfalls. Besonders schnell war ich nicht, aber das ist okay. 

Am nächsten Tag nehme ich den Hund meines Bruders als Lauf-Partner mit. Der Vorteil: Das Laufen macht noch mehr Freude. Der Nachteil: Viele kleine Schnüffel-Pausen. Ganz optimal ist es also nicht, auch wenn der Spaß-Faktor ziemlich hoch ist.

An Tag drei bekommt meine Motivation den ersten Dämpfer. Ich habe wenig Lust, schon wieder zu laufen. Das Wetter ist nicht besonders gut, noch dazu muss mein Kind mangels Alternativen im Kinderwagen mitkommen. Und: Ich bin schlapp und spüre die ersten Ermüdungserscheinungen in meinen Muskeln. Es kostet mich ziemlich viel Überwindung, aber dann gehe ich los. 

Tag vier: Ich bin wieder "back on track". Und ich bin stolz, dass ich gestern laufen gegangen bin, obwohl ich keine Lust hatte. Das motiviert mich an diesem Tag umso mehr. Der Lauf ist locker, spritzig, kraftvoll, ich will eigentlich gar nicht mehr aufhören. 3,7 Kilometer hab ich schließlich auf der Uhr. Mein erstes Learning ist also: Durch "müde Muskeln" kann man sich durchkämpfen, es wird auch schnell wieder besser - zumindest denke ich das zu diesem Zeitpunkt. Plus: Mein "Streak" hält jetzt schon vier Tage an. Das pusht mich zusätzlich. 

Auch an den nächsten Tagen läuft es äußerst gut. Jedem, der mich fragt, wie mein tägliches Laufen denn so klappt, dem antworte ich: "Super, das musst du auch probieren!" Tatsächlich ist Laufen für mich ein selbstverständlicher Teil meines Alltags geworden. Ich muss mich nicht zum Laufen aufraffen oder mir überlegen, wann und ob es mir gerade passt. Ich schnüre die Schuhe und los geht's. Aber: Ich höre auch auf meinen Körper. Wenn ich mich an einem Tag gut fühle, dann laufe ich länger. Fühle ich mich nicht so gut, dann eben kürzer. Hinzu kommt, dass mein Essverhalten gesünder geworden ist. Denn mit vollem Bauch lässt es sich nicht gut laufen, und auch fettiges Essen liegt einfach zu lange im Magen. Daher greife ich immer öfter unbewusst auf kleinere, leichte Gerichte zurück.

Fazit von Woche 1:  Nicht jeder Lauf ist gut, manchmal schaffe ich auch nur das Miminum. Aber das ist völlig in Ordnung. Was wirklich wichtig ist: Ich fühle mich nach jedem Lauf gut, auch wenn der erste Kilometer manchmal etwas schleppend läuft. Und: Ich konnte mich bereits bei der Länge der Strecke und bei der Schnelligkeit steigern - innerhalb von so kurzer Zeit. Das motiviert mich sehr.

Streak Running: Woche 2

Die ersten Tage der zweiten Woche verlaufen zäh. Doch dann wird es immer besser: Erst laufe ich meine bisher beste Pace (Lauftempo), dann traue ich mir auch bei der Strecke eine deutliche Steigerung zu: Ich jogge über sechs Kilometer. Und das relativ mühelos. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal mehr als vier oder fünf Kilometer laufen war - es muss schon viele Jahre her sein.

Bisher hatte ich oft nach einer gewissen Zeit Knieschmerzen, doch diesmal nicht. Ich fühle mich gut und das riesige Erfolgserlebnis beflügelt mich zusätzlich. Kann es denn wirklich wahr sein? Ich war nicht besonders schnell, aber das ist mir auch vorerst nicht wichtig. Im Gegenteil: "Lächeln statt Hecheln", das ist das Motto, um ein perfektes Lauftempo zu erreichen - so zumindest lese ich es in einem Lauf-Buch, das ich mir schon vor längerer Zeit besorgt habe (und es ist ein Motto, das übrigens auch Olympiasieger Dieter Baumann empfiehlt). Grundsätzlich ist es auch gut, ab und zu mehr Gas zu geben und den Puls mal richtig nach oben zu treiben. Aber Grundausdauer, die wird mit langsamen Läufen trainiert. Ich fühle mich bestärkt.

Fazit Woche 2:

Es könnte kaum besser laufen. Die Erfolgserlebnisse motivieren mich unheimlich. Ich möchte meinen Streak von 14 aufeinanderfolgenden Tagen unbedingt weiter anwachsen lassen - um nichts in der Welt würde ich jetzt aufhören. Mit jedem Tag, den ich neu zum Streak dazuzählen kann, wächst mein Ehrgeiz. Wie viel weiter und schneller werde ich wohl bald laufen können?

Streak Running: Woche 3

Mittlerweile haben sich ganz klare Lieblingsstrecken herauskristallisiert. Und ich kenne überall "meine" Markierungen: "Wenn ich an dieser Einmündung umdrehe und zurücklaufe, hab ich genau drei Kilometer", denke ich mir oft. Oder: "Laufe ich bis zur Kreuzung, sind es dann genau vier." Ich kenne die Länge jeder Zusatz-Schleife und weiß auch meinen Körper gut einzuschätzen: Anhand meiner Atmung kann ich ziemlich genau sagen, wie hoch mein Puls ist und ob ich eher noch etwas schneller laufen kann oder mich lieber etwas zurücknehmen sollte.

Und das ist, wie ich in den vergangenen Tagen gemerkt habe, ein wichtiger Punkt: Sechs Kilometer sind toll. Aber ich bekomme keine Pause danach. Ich muss am nächsten Tag schon wieder weiter laufen - und das, obwohl die längere Strecke an meinem Körper definitiv nicht einfach so vorbeigegangen ist. Dennoch will ich es noch einmal wissen: An einem sonnigen Samstag mache ich mich erneut zu einem längeren Lauf auf. Das einzige Ziel: Ich möchte noch weiter laufen als letztes Mal. Und ich schaffe es tatsächlich.

Was danach kommt, ist jedoch ernüchternd. Ich habe Muskelkater. Die Beine sind schwer, die Waden schmerzen. Mein Körper schreit nach einer Pause. Ich beschließe, trotzdem zu laufen - doch es ist das erste Mal, dass ich die Sinnhaftigkeit dieser Challenge ernsthaft in Frage stelle. Es geht kaum mehr was. Gerade so und mit fürchterlicher Lauf-Form, schaffe ich, vor mich hin schlurfend, die 1,6 Kilometer, also das "Minimum".

Auch in den nächsten Tagen merke ich zusehends, dass die Pause und somit die Erholung fehlt und ich aus meinem Körper nicht mehr viel rausholen kann.

Fazit Woche 3:

Immer mehr habe ich das Gefühl, die täglichen Läufe sind ein reines "Abarbeiten" meiner To-Do-Liste. Der Spaß rückt immer mehr in den Hintergrund. Die Muskeln sind müde. Was mich weiterhin antreibt, ist der Gedanke, dass ich meinen "Running Streak" nicht auf Null fallen lassen will, und die Hoffnung, dass meine Muskeln sich schon wieder berappeln werden. Aber im Hinterkopf schwebt immer der Gedanke: Warum machst du keine Pause, wenn du sie doch brauchst? Ist es wirklich sinnvoll, weiterzulaufen?

Streak Running: Woche 4

Ich hole mir noch einmal neue Motivation bei der Lauf-Analyse. Dabei hat sich ein Profi meine alten Laufschuhe angeschaut und mich beim Laufen beobachtet. Auf Grundlage dessen empfahl er mir Schuhe, in denen ich nicht mehr so stark nach innen einknicken kann. Diese Lauf-Analyse hätte ich zugegebenermaßen früher machen sollen. Ich kann sie wirklich jedem empfehlen. Aber leider können auch meine neuen Schuhe nicht meine müden Muskeln wieder munter machen. Ich habe das Gefühl, mein Körper läuft nur noch auf 30 Prozent. Hinzu kommt, dass ich nun leichte Knieschmerzen bei jedem Lauf habe und sich auch meine Sprunggelenke seltsam steif anfühlen. 

Tritt jetzt das ein, wovor mich einige Läufer im Vorfeld gewarnt haben? Denn beim täglichen Laufen mit fehlender Regeneration steigt das Verletzungsrisiko deutlich an. Muskeln und Sehnen können sich gar nicht so schnell an diese hohe Belastung gewöhnen, derer ich sie mit dem täglichen Laufen aussetze - das dauert Monate, heißt es zumindest in meinem Lauf-Buch, in dem ich immer noch ab und zu blättere. 

Ich behalte meine Knie gut im Auge und laufe mittlerweile jeden Tag nur noch das, was ich "muss". Spaßfaktor gleich Null. Ich habe Angst, dass ich mir jetzt die ganze Motivation und den Spaß am Laufen aus den ersten Wochen selber wieder kaputt mache. Und dann muss ich tatsächlich auch noch einen Tag aussetzen, weil ich Schnupfen und Rückenschmerzen habe. Halb erkältet möchte ich mich jetzt einfach nicht mehr durch die 1,6 Kilometer "quälen" - hier ziehe ich die Linie.

Die letzten beiden Läufe trete ich aber noch an. Die Aussicht darauf, dass die Challenge bald vorbei ist, gibt mir noch einmal den nötigen Schwung. 

Fazit der letzten vier Wochen:

Ich bin stolz, dass ich die vier Wochen (mit einer Ausnahme) tatsächlich durchgezogen habe. Ich habe viel über meinen Körper gelernt und richtig Lauf-Lust bekommen. Also mindestens ein was Gutes hatte die Challenge somit definitiv: Ich werde jetzt dran bleiben! Nicht mehr täglich, aber regelmäßig.

Aber jetzt zu den Vor- und Nachteilen aus meiner Sicht.

Vorteile von Streak Running:

  • Die Motivation schießt gerade am Anfang ins Unermessliche, erste Erfolge kommen schnell. 
  • Das "Aufraffen" entfällt, da man sowieso weiß, dass man jeden Tag ran "muss". Kein Aufschieben mehr!
  • Man zeigt sich selbst, dass man immer irgendwie Zeit für Sport findet, wenn man es auch möchte. Es geht! Es reichen ja auch schon 20 Minuten. Außerdem fühlt es sich gut an, Sport zu einer höheren Priorität in seinem Leben zu machen.
  • Jeden Tag Bewegung an der frischen Luft ist gut für Körper und Geist (sofern man es nicht übertreibt)
  • Man befreit sich von jeglichem Druck beim Laufen: Dadurch, dass die einzige Herausforderung darin liegt, es jeden Tag zum Laufen zu schaffen, sind andere Werte relativ egal. Man macht sich frei vom "Leistungsdenken", z.B. "Ich muss schneller werden", "Ich muss weiter laufen" - Du läufst, und das zählt, und darauf kannst du stolz sein. Besser wirst du dann automatisch.
  • Die Ernährung wird automatisch gesünder, da man rund um den Laufzeitpunkt natürlich so isst, dass man dann auch gut laufen kann. Sprich: Kleinere Mengen, leichtere Kost. Außerdem hat man ganz von selbst mehr Lust auf gesunde Dinge und sucht sich Lebensmittel aus, die einem nachhaltig Kraft und viele Nährstoffe geben, anstatt zum Beispiel stark Zuckerhaltiges oder extrem Fettiges - zumindest ging es mir so.

Nachteile von Streak Running:

  • Der Körper schreit irgendwann nach einer Pause. Denn Muskeln wachsen nicht während der Belastung, sondern danach. Dafür brauchen sie aber auch Zeit zur Regeneration. Läuft man jeden Tag, können die Muskeln sich nicht erholen, sie werden merklich müder und müder. Irgendwann läuft man dann nur noch auf "Sparflamme". 
  • Man muss sich im Grunde immer etwas zurückhalten. Denn: Je mehr man sich verausgabt, desto mehr Pause brauchen deine Muskeln eigentlich auch - da man aber jeden Tag läuft, geht das nicht. Man muss also so laufen, dass man sich nicht allzu zu sehr belastet - dadurch fordert man sich aber auch nie wirklich heraus. Es wird dann auch irgendwann langweilig.
  • Rennt man doch mal schneller oder länger, so wie ich mit den zwei längeren Läufen, "büßt" man dafür an den darauffolgenden Tagen. Muskelkater, schwere Beine, eventuell Gelenkschmerzen kommen dann schnell hinzu.
  • Die Gefahr für Verletzungen steigt.
  • Es bleibt kein Platz für anderen Sport mehr. 

Würde ich das Streak Running empfehlen? Ich würde ganz klar sagen: Jein. Ausprobieren schadet nicht - sofern man sich nicht übernimmt und langsam anfängt. Gerade für alle wie mich, die gerne regelmäßig laufen würden, aber es bisher nie geschafft haben, könnte das ein super Motivations-Booster für den Anfang sein. Und auch für Leute, denen es einfach nur wichtig ist, sich täglich moderat zu bewegen und vielleicht ein wenig den Kopf frei zu bekommen, könnte es eine Option sein. Sobald aber Schmerzen oder starke Erschöpfung hinzu kommen, sollte man so vernünftig sein und sich eine Pause gönnen.

Wer allerdings fürs Laufen bestimmte Ziele hat, zum Beispiel die eigene Pace zu verbessern oder auf längere Strecken hinzutrainieren, für den ist es höchstwahrscheinlich nichts. Hier sollte man sich einen guten Lauf-Plan suchen, der genügend Regenerationsphasen vorsieht. 

Redaktion

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