Bildung

MdL Wolfgang Reinhart (CDU) plädiert für Wahlfreiheit beim Gymnasium

Debatten um G8 oder G9 an Baden-Württembergs Gymnasien. Landtag muss sich umgehend mit der Thematik befassen

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m vergangenen Spätherbst überreichte eine Elterninitiative rund 107 000 Unterschriften für die Wiedereinführung des „G9“ an den Landtagsvizepräsidenten Professor Dr. Wolfgang Reinhart (4. von rechts) im Beisein von Vertretern verschiedener Landtagsfraktionen. Bild: Benedikt Englert © Benedikt Englert

Tauberbischofsheim/Main-Tauber-Kreis. Zum Schuljahr 2004/05 wurde für alle fünften Jahrgangsstufen der landesweit rund 450 allgemeinbildenden Gymnasien flächendeckend die achtjährige Gymnasialzeit („G8“) eingeführt und damit das bis dahin bestehende „G9“-System abgelöst.

Im vergangenen Spätherbst hatte eine Elterninitiative rund 107 000 Unterschriften für die Wiedereinführung des G9 an den Landtagsvizepräsidenten Professor Dr. Wolfgang Reinhart im Beisein von Vertretern verschiedener Landtagsfraktionen übergeben. Dabei konnten die Initiatorinnen der Aktion innerhalb nur weniger Wochen einen Zuwachs der Beteiligung von etwa 74 000 auf genau 106 950 Stimmen verzeichnen. So viele Befürworter konnte die Initiative innerhalb eines Jahres für ihr Anliegen einer Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium und damit für einen Volksantrag zur Durchsetzung einer Abkehr von „G8“ insgesamt gewinnen.

Wolfgang Reinhart zeigte sich von dieser hohen Resonanz sichtlich beeindruckt und sprach sogar von einer Rekordbeteiligung sowie von einem „historischen Erfolg“. „Eine derart hohe Unterstützung gab es bei direktdemokratischen Initiativen in Baden-Württemberg noch nie“, konstatierte der Landtagsvizepräsident, der ebenfalls zu den Befürwortern einer möglichen Rückkehr zu „G9“ zählt. Beim viel diskutierten Volksbegehren „Rettet die Bienen“ seien es circa 84 000 Unterzeichner gewesen, verglich er nach der Übergabe der „G9“-Unterschriften.

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Allerdings favorisiert Reinhart eine differenzierte Vorgehensweise bei einer erfolgenden Reform der Gymnasialzeiten. „Jeder Schule sollte ermöglicht werden, nach eigenem und Bedarfsermessen und entsprechender Nachfrage eine Wahlfreiheit zwischen G8 und G9 offerieren zu können“, plädiert er und bekräftigt damit eine Position, die er schon 2016 und wiederholt 2021 deutlich geäußert hat. „Bislang war eine entsprechende landesweite Modifizierung des Gymnasialsystems mit unserem Koalitionspartner noch nicht möglich“, bedauert der Wahlkreisabgeordnete und frühere Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, die zudem auch die SPD und FDP als „G9“-Befürworter bei diesem Thema an ihrer Seite habe.

Mit der allgemeinen Hochschulreife nach bereits acht Jahren sollte die Schulzeit ohne Niveauverluste um ein Jahr verkürzt und an internationale Standards angepasst werden, um die Chancen der Abiturienten bei der weiteren Ausbildung und beim Einstieg in die Berufswelt sowie hinsichtlich der internationalen Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Gleichzeitig wurden mit der Abschaffung alter Lehrpläne eine neue Bildungs- und Unterrichtskultur angestrebt, mit der eine Überlastung der Schüler durch den verkürzten und damit komprimierteren Gymnasiumbesuch vermieden werden sollte.

„Andererseits zählen genau die Überlastung der Kinder oder Jugendlichen zu den primären Kritiken an dem ‚Turboabitur-System’ –nämlich durch zu hohe Stundenzahlen und Hausaufgaben sowie damit bedingt mangelnde Freizeit für außerschulische Aktivitäten“, gibt Wolfgang Reinhart zu bedenken.

Auch seitens Repräsentanten von Wirtschaft und Unternehmen werde „G8“ nicht nur positiv, sondern tendenziell skeptisch betrachtet. Bei vielen jungen Menschen dieser Altersstufe spiele es vom Reifegrad her mitunter eine erhebliche Rolle, ob das Abitur ein Jahr früher oder später absolviert werde und die Wahl der weiteren Ausbildung anstehe, berichtet der Landtagsvizepräsident.

Aufgrund der anhaltenden Kritik haben mittlerweile mehrere Bundesländer wie zum Beispiel Bayern und Hessen die Rückkehr zu G9 beschlossen. In Baden-Württemberg wurde vor einigen Jahren in jedem der 44 Landkreise an jeweils einem allgemeinbildenden Gymnasium „G9“ als Modellprojekt wieder eingeführt beziehungsweise als optionale Alternative zu „G8“ angeboten. Im Main-Tauber-Kreis betraf dis das Martin-Schleyer-Gymnasium der Stadt Lauda-Königshofen, während an den Gymnasien in Bad Mergentheim, Tauberbischofsheim und Wertheim „G8“ als Standard beibehalten wurde.

Der baden-württembergische Landtag muss sich in den kommenden Monaten mit dem Volksantrag für eine Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium in Baden-Württemberg beschäftigen. „Die Parlamentarier stimmten in der vergangenen Woche einhellig dafür, den Volksantrag zuzulassen“, teilt Reinhart mit. Nun habe der Landtag drei Monate Zeit, den Gesetzentwurf der Initiatorinnen zu beraten und darüber zu entscheiden. Stimmen die Initiatorinnen zu, könne diese Frist gegebenenfalls auf sechs Monate ausgedehnt werden.

„Die aktuellen Pisa-Ergebnisse müssen uns wachrütteln. Der Aufzug in der Bildung muss endlich wieder in eine andere Richtung und zwar nach oben fahren“, appelliert Reinhart. Dazu gehöre unter anderem eine flächendeckend zumindest optionale Wiedereinführung des „G9“.

„Wir haben für den Bildungsstandort hier im Main-Tauber-Kreis mit Förderung des Landes hohe zweistellige Millionenbeträge investiert, an der Berufsschule Wertheim werden es über 46 Millionen Euro sein, davon über 19 Millionen Fördermittel von Land und Bund. Ebenso sind für Tauberbischofsheim und weitere Kommunen im Kreis aus der Schulbauförderung zweistellige Millionensummen bewilligt. Insofern wäre unter diesen Aspekten eine Wahlfreiheit zwischen G8 und G9 eine passende Ergänzung“, ist der Landtagsvizepräsident und Wahlkreisabgeordnete überzeugt. pmwr

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