Corona-Pandemie - Steigende Inzidenzen machen mit einem zweiwöchigen Zeitverzug den Krankenhäusern des Main-Tauber-Kreises zu schaffen

Main-Tauber-Kreis: Vor allem Ungeimpfte auf Intensivstation

Nicht nur die Inzidenzen schnellen in die Höhe, auch die Lage auf den Intensivstationen verschärft sich. „Die Welle rollt auf uns zu“, so die Ärztlichen Direktoren des Caritas-Krankenhauses und des Krankenhauses in der Kreisstadt.

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Heike von Brandenstein
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Ärzte und Pflegepersonal auf den Intensivstationen sind erschöpft. Doch die Corona-Fallzahlen steigen derzeit von Tag zu Tag. © picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

Main-Tauber-Kreis. Täglich neue Hiobsbotschaften: jeden Tag klettern die Inzidenzzahlen in die Höhe, steigt die Zahl der an oder mit Corona Verstorbenen. Viele Bürger haben den Eindruck, dass die da oben – die Entscheidungsträger in der Politik – nichts tun. Vor der Bundestagswahl gab es noch die großen Worte von der bald überstandenen pandemischen Lage, ein Hauch von Freiheit lag in der Luft. Die bereits im Sommer formulierten Mahnungen der Wissenschaftler vor einem schwierigen Corona-Herbst wurden in den Wind geschlagen.

Vier Covid-19-Patienten werden derzeit im Caritas Krankenhaus Bad Mergentheim beatmet. Die Ärztlichen Direktoren an debn Kliniken in der Kur- und in der Kreisstadt sehen die vierte Welle mit voller Wucht auf sich zurollen und befürchten, terminierte Eingriffe bald absagen zu müssen. © dpa

Uns jetzt? Bloß kein Lockdown mehr, ist zu hören. Vor der Regierungsbildung wirkt die geschäftsführende politische Spitze des Landes wie gelähmt. Die noch nicht in Amt und Würden konstituierten Verantwortlichen der wahrscheinlichen Koalitionsparteien basteln an einem Gesetz, das Maßnahmen auch nach dem Auslaufen der pandemischen Lage ermöglicht.

„Die aktuelle Entwicklung betrachten wir mit Sorge, haben diese aber auch so erwartet. Die Sieben-Tage-Inzidenz im Main-Tauber-Kreis ist in bisher noch nicht erreichte Höhen geschnellt“, so Erster Landesbeamter Florian Busch.

Das hat auch Auswirkungen auf die Kliniken. Im Caritas-Krankenhaus Bad Mergentheim werden aktuell elf Covid-19-Patienten behandelt, fünf davon auf der Intensivstation. Wiederum vier von diesen müssen beatmet werden. Im Krankenhaus Tauberbischofsheim werden derzeit drei Covid-19-Patienten behandelt, einer davon muss beatmet werden. Die allermeisten der an Corona erkrankten Patienten auf den Intensivstationen seien nicht geimpft, so Ute Emig-Lange, Pressesprecherin von Caritas-Krankenhaus und Krankenhaus Tauberbischofsheim.

Zahlen zur momentanen Covid-Situation im Main-Tauber-Kreis

Nach dem Willen der Gesundheitsminister der Länder ist nicht mehr der Corona-Inzidenzwert die maßgebliche Zahl für Beschränkungen, sondern die Hospitalisierung. Also die Zahl derjenigen, die mit oder wegen einer Corona-Infektion ins Krankenhaus kommen.

Da die Hospitalisierung meist erst Tage nach einer festgestellten Virenlast mit Sars-CoV-2 eintritt, ist der Inzidenzwert, der den Zuwachs an Erkrankungen in einer bestimmten Zeitspanne angibt, weiterhin wichtig.

Im Main-Tauber-Kreis wurden aktuell 495 Neuinfektionen binnen sieben Tagen bestätigt. Daraus ergibt sich eine Sieben-Tage-Inzidenz von 373,1. Gemessen zum Vortag kamen 104 Fälle hinzu.

Beim Blick auf die Altersverteilung zeigen sich deutliche Unterschiede. So betrug der Inzidenzwert bei den Fünf- bis 14-Jährigen (Stand 11. November) 578 (67 Mädchen und Jungen) und der bei den 15-34-Jährigen 472 (137 Frauen und Männer). Die zahlenmäßig größte Gruppe mit 143 Personen und einem Inzidenzwert von 313 machen die 35- bis 59-Jährigen aus. Bei den 80-Jährigen und älter wurde das Sars-CoV-2-Virus bei 17 Personen festgestellt, was einen Inzidenzwert von 178 bedeutet.

Im Neckar-Odenwald-Kreis stellt sich die Situation bei den 80-Jährigen und älter wesentlich dramatischer dar. Dort sind 42 Hochbetagte an Corona erkrankt, was eine Inzidenz von 433 bedeutet.

Im Main-Tauber-Kreis belegen derzeit 12 Prozent der Intensivbetten Covid-Patienten, in 55 Prozent der Betten werden anderweitig Erkrankte versorgt. Der Puffer beträgt kreisweit somit 33 Prozent.

Quellen: semohr.github.io/risikogebiete_Deutschland/; RKI hvb

Angespannte Lage

„Auch uns trifft diese vierte und sehr dynamische Welle. Aktuell werden bei uns Corona-Patienten im einstelligen Bereich behandelt. Dies betrifft sowohl die Intensiv- als auch die Normalstation“, so Krankenhausdirektorin Cornelia Krause von der Rotkreuzklinik Wertheim. Die Altersspanne der Patienten liege in Wertheim zwischen 50 und 70 Jahren. Die Lage sei angespannt, was auch Auswirkungen auf den Gesamtbetrieb habe. „Der einzige Weg aus dieser Misere ist die Erhöhung der Impfquote. Daher können wir als Klinik nur ausdrücklich appellieren, die entsprechenden Angebote und Anlaufstellen zu nutzen sowie Kontakte nach Möglichkeit weitgehend einzuschränken“, so Krause.

Die beiden Ärztlichen Direktoren Dr. Ulrich Schlembach (Caritas-Krankenhaus) und Dr. Mathias Jähnel (Krankenhaus Tauberbischofsheim) schätzen die Situation folgendermaßen ein: „Mit einem Zeitversatz von etwa zwei Wochen kommen dann auch mehr Covid-19-Patienten mit schwereren Verläufen ins Krankenhaus. Das haben wir aus dem vergangenen Jahr gelernt. Wenn das so weitergeht – und alle Zahlen sprechen dafür – steuern wir in Kürze auf dieselbe angespannte Situation zu wie vor einem Jahr. Die Welle rollt auf uns zu.“ Hinzu komme, dass auch die Intensivstationen der Krankenhäuser im Umkreis bereits stark belegt sind – und zwar nicht nur mit Covid-19-Patienten, sondern auch mit anderen schwer Erkrankten, die eine intensivmedizinische Überwachung und Behandlung brauchen.

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Entwicklung genau beobachten

„Sollte sich die Situation so weiterentwickeln, wird dies zu Lasten schwer kranker Nicht-Corona-Patienten gehen. Und dann muss man über die Verschiebung von planbaren Eingriffen nachdenken“, so Dr. Schlembach. Etliche Kliniken hätten bereits so verfahren. Die beiden Krankenhäuser in Bad Mergentheim und Tauberbischofsheim stimmten sich derzeit eng ab und beobachteten die Entwicklung genau.

Sie befürchten aber, dass die vierte Corona-Welle wiederum zu Lasten der Krankenhäuser geht. In einem Schreiben vom 25. Oktober hat das Sozialministerium nachdrücklich dazu aufgefordert, mindestens 25 Prozent der verfügbaren Intensiv-Kapazitäten für die Versorgung von Covid-19-Patienten bereitzustellen. „Um dieses Ziel zu erreichen, sind auch planbare Aufnahmen, soweit medizinisch vertretbar, zu verschieben und auszusetzen“, so das Sozialministerium.

„Damit fehlen uns die Erlöse. Und im Gegensatz zur Situation von vor einem Jahr erhalten wir dafür keine Freihaltepauschalen. Damit wird auch die neue Corona-Welle wieder auf dem Rücken der Krankenhäuser ausgetragen“, kritisiert Dr. Schlembach. Er und sein Kollege Dr. Jähnel appellieren vor diesem Hintergrund an alle Ungeimpften, sich doch noch zu einer Impfung gegen Corona zu entschließen: Ihr Argument: „Geimpfte schützen sich damit selbst vor einer Infektion oder vor einem schweren Krankheitsverlauf und senken zugleich das Risiko für die Menschen, die ihnen nahe stehen, sich anzustecken.“

Auch Erster Landesbeamter Florian Busch sieht die Impfung als beste Maßnahme, um schweren Krankheitsverläufen vorzubeugen. Er weist auf den Lagebericht des Landesgesundheitsamts vom Mittwoch hin. Bei den vollständig Geimpften lag die Sieben-Tage-Inzidenz landesweit bei 43,7, bei den nicht oder nicht vollständig Geimpften sowie bei Personen mit unbekanntem Impfstatus aber bei 829. Das sei fast das 19-fache Wert. Die 28-Tage-Hospitalisierungsinzidenz – also die Zahl der Menschen, die in den vergangenen 28 Tagen mit einer Coronavirus-Infektion ins Krankenhaus eingeliefert wurden – liege bei Geimpften bei 9, bei den Personen ohne vollen Impfschutz aber bei 54,3.

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dpa
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Mobile Impfteams gefordert

Busch weiß um die derzeit große Nachfrage nach Impfterminen und die langen Wartezeiten bei Ärzten. Er befürwortet deshalb des Einsatz von mobilen Impfteams. Die aktuellen Angebote reichten aber bei Weitem nicht aus. „Deshalb plädieren wir dafür, dass jedenfalls eines der durch das Land bereitgestellten zusätzlichen Mobilen Impfteams nur für den Main-Tauber-Kreis zuständig sein sollte. Dies hätte gegenüber einem großen Impfzentrum auch den Vorteil, dass abwechselnd Termine in allen Teilen des Landkreises angeboten werden könnten“, meint der Erste Landesbeamte.

Auch die Einrichtung von „Impfstationen“ mit regelmäßigen Öffnungszeiten an festen Standorten im Landkreis würde die Landkreisverwaltung begrüßen. Gegenüber dem Land habe man sich bereits dafür ausgesprochen.

Redaktion Zuständig für die Kreisberichterstattung Main-Tauber

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