Die Flüchtlingszahlen sind enorm gestiegen und klettern weiter in die Höhe. Auch der Main-Tauber-Kreis rechnet mit einer höheren Zuweisung durch das Land.
Main-Tauber-Kreis. In zwölf von 16 Bundesländern können derzeit keine neuen Geflüchteten verteilt werden. Baden-Württemberg und Bayern haben einen solchen Stopp bislang aber nicht verhängt. Laut Auskunft des Ministeriums für Justiz und Migration Baden-Württemberg liegt die Gesamtzahl der seit Kriegsbeginn aus der Ukraine geflohenen Menschen im Land bei über 125 000 Menschen. Damit hat Baden-Württemberg bereits jetzt mehr Menschen aufgenommen als im gesamten Jahr 2015 . Damals waren es rund 101 000 Menschen. Hinzu kommen in diesem Jahr bislang weitere rund 13 500 Asylsuchende.
In einer gemeinsamen Erklärung von Ministerium, Städte- und Gemeindetag, Landkreistag und den vier Regierungspräsidenten wurde bereits am 25. August festgestellt, dass die Kapazitätsgrenze in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes erreicht sei. „Bei einem durchschnittlichen Zugang Geflüchteter aus der Ukraine von rund 240 Personen pro Tag ist in der Erstaufnahme des Landes, Wochen vor der erfahrungsgemäß zugangsstarken Herbstsaison, die Kapazitätsgrenze erreicht“, heißt es dort wörtlich.
Zusätzliche Unterkünfte
Allein in den letzten sieben Wochen habe sich der durchschnittliche Zugang ukrainischer Geflüchteter mehr als verdoppelt. Hinzu komme allein bei den Asylsuchenden der höchste Halbjahreszugang seit 2016. Festgehalten wird zudem, dass zusätzliche Flüchtlingsunterkünfte und kurzfristig Notunterkünfte geschaffen werden müssten.
„Der Landkreis verfügt aktuell über neun Gemeinschaftsunterkünfte mit 500 Plätzen“, teilt das Landratsamt auf FN-Anfrage mit: vier in Tauberbischofsheim (Museumsstraße, vorderes und hinteres Gebäude der ehemaligen Post und frühere Standortverwaltung), zwei in Bad Mergentheim (ehemalige Klinik in der Löffelstelzener Straße und früheres THW-Gebäude in der Boxberger Straße), zwei in Lauda-Königshofen (Turmbergschule in Königshofen und Gebäude des Caritasverbands in Gerlachsheim) und eine in Külsheim (Hans-Weisbach-Straße). Ende August waren insgesamt noch rund 100 Plätze frei.
Höhere Zuweisung erwartet
Nach neuesten Meldungen des Regierungspräsidiums Karlsruhe, das für die gleichmäßige Verteilung im Land nach dem Königsteiner Schlüssel zuständig ist, werde allein der Main-Tauber-Kreis bei gleichbleibenden Flüchtlingszahlen ab September bis auf Weiteres jeden Monat bis zu 140 Menschen aus der Ukraine und weitere 30 bis 35 Asylbewerberinnen und Asylbewerber aus anderen Staaten aufnehmen müssen. Damit wären schon mit dem Monat September alle Kapazitäten im Main-Tauber-Kreis erschöpft.
Deshalb machten Erster Landesbeamter Florian Busch und Sozialdezernentin Elisabeth Krug in einer Bürgermeister-Dienstversammlung den Ernst der Lage deutlich. Oberbürgermeister, Bürgermeisterinnen und Bürgermeister baten sie um dringende Unterstützung. Letztlich einigten sich Kreis und Kommunen darauf, gemeinsam auch die Bürgerinnen und Bürger zur schnellen Mitwirkung aufzurufen.
„Wir müssen jetzt solidarisch helfen, auch in dieser für alle sehr schwierigen Zeit“, erklärt Landrat Christoph Schauder. „Deshalb bitte ich alle Bürgerinnen und Bürger, nicht benötigte Wohnungen zur Vermietung bereitzustellen und dies der zuständigen Stadt- oder Gemeindeverwaltung zu melden. Größere Gebäude, die sich möglicherweise als Wohnheim eignen, sowie mögliche Standorte für Wohncontaineranlagen sollten schnellstmöglich dem Landratsamt angeboten werden“, fügt er an.
Sozialdezernentin Elisabeth Krug erläuterte, es müsse zunächst Platz geschaffen werden, indem alle Menschen schnellstmöglich in die gesetzlich vorgesehene kommunale Anschlussunterbringung wechseln. Asylbewerber können das nach spätestens zwei Jahren, aus der Ukraine Geflüchtete bereits nach sechs Monaten. Laut Landkreisverwaltung könnten damit 50 Plätze für Neuankömmlinge zur Verfügung stehen.
Darüber hinaus will die Landkreisverwaltung prüfen, ob zusätzliche Plätze in den bestehenden Gemeinschaftsunterkünften eingerichtet werden können. Möglich wäre dies, wenn die Wohn- und Schlaffläche von derzeit sieben Quadratmetern pro Person auf das gesetzlich vorübergehend zulässige Mindestmaß von 4,5 Quadratmetern reduziert würde. „Eine solche Lösung ist auf jeden Fall der Schaffung von Notunterkünften, beispielsweise in Sporthallen, vorzuziehen, auch im Interesse der geflüchteten Menschen und ihrer Privatsphäre“, so Krug.
Gegen Nutzung von Sporthallen
Gegen eine Nutzung von Sporthallen hatte sich Ende August bereits Jürgen Scholz, Präsident des Landessportbunds Baden-Württemberg, ausgesprochen. Ihren wichtigen Beitrag zur Integration könnten die Sportvereine bei geschlossenen Sportstätten nicht mehr leisten, so sein Argument.
URL dieses Artikels:
https://www.fnweb.de/region-main-tauber_artikel,-main-tauber-main-tauber-kreis-so-viele-fluechtlinge-wie-seit-2016-nicht-mehr-_arid,1993888.html