Main-Tauber-Kreis. Ein lockeres Arbeiten ist im Jobcenter nicht gegeben. Sich ständig ändernde Vorgaben der Politik müssen umgesetzt und den Kunden erklärt werden. Hinzu kommen ellenlange Dokumentationspflichten und derzeit kaum die Möglichkeiten, Mitwirkungsunwillige zu sanktionieren. Kommt es zum Regierungswechsel, können sich Bestimmungen flugs ändern. Dann gilt es wieder, zu erklären und zu begründen. Hinzu kommen teils wissenschaftlich-sozialpolitische Diskussionen mit schwer zu verdauendem, äußerst komplexem Inhalt, teils Stammtischparolen, die Stimmung gegen Flüchtlinge und vermeintliche „Schmarotzer“ machen, die sich nach deren Lesart in der sozialen Hängematte ausruhen.
Brüche im Lebenslauf
Hubert Hornung bleibt da gelassen. Er und seine Mitarbeiter kennen die Biografien ihrer Kunden. „Viele haben Brüche in ihrem Lebenslauf“, weiß er. Manch einer sei überschuldet, habe psychische Probleme oder könne seinen Alltag nur schlecht organisieren. Andere seien geflüchtet und müssten zunächst einmal Deutsch lernen, um überhaupt eine Chance auf dem Arbeitsmarkt zu haben. Dennoch ist sich Hornung sicher: „Arbeit lohnt sich immer.“
Dabei will er nicht allein den Lohn bewertet wissen. Vielmehr spricht er von gesellschaftlicher Teilhabe und einer Vorbildfunktion für die Kinder, die eine Tätigkeit mit ausmachen. „Für Menschen, die einen Sprachkurs absolviert haben, ist es außerdem immer einfacher, die erlernten Fähigkeiten im täglichen Miteinander mit Kollegen zu festigen und auszubauen“, ist er überzeugt. Wer nicht arbeite, bewege sich meist in seinem gewohnten Umfeld und unterhalte sich nicht auf Deutsch, sondern in der gewohnten Muttersprache.
2355 Bedarfsgemeinschaften waren zum Stichtag 31. Januar beim Jobcenter Main-Tauber registriert. Das bedeutet einen Zuwachs von 550 seit Mai 2022. Insgesamt handelt es sich um knapp 4800 Personen im Leistungsbezug. Davon sind 1270 Personen Ukrainer. Der Krieg in der Ukraine wirkt sich aus. Zum Vergleich: Im März 2020 zählte das hiesige Jobcenter gerade einmal neun Ukrainer. Mit fast 25 Prozent Ukrainerinnen und Ukrainern unter den Bürgergeldempfängern rangiert der Main-Tauber-Kreis noch vor dem Neckar-Odenwald-Kreis mit 24,5 Prozent und weiter über dem Durchschnittswert von Baden-Württemberg mit 20,5 Prozent.
Qualifikationen prüfen
„Wir sind ein Landkreis, der überproportional betroffen ist“, sagt Hubert Hornung. Das fordere ihn und seine Mitarbeitenden stark. Zielgerichtete Integrationsgespräche seien häufig nur über eine Dolmetscher-Hotline möglich, die auch nicht immer zur Verfügung stehe. Zudem gelte es, die Qualifikation zu prüfen und wenn möglich anerkennen zu lassen. Das läuft in der Regel über Stuttgart und dauert, weil ein Antragsstau besteht.
Die zweite Frage sei dann, ob eine Qualifikation in Deutschland überhaupt verwertbar sei. Es gebe Fälle, da hätten Menschen im wissenschaftlichen Bereich gearbeitet, was hier aufgrund anderer Voraussetzungen und der Sprachbarriere so nicht fortführbar sei. Auch einem früheren Mitarbeiter in einem ukrainischen Atomkraftwerk sei kaum ein Arbeitsplatz zu vermitteln. „Die Ansprüche der Menschen sind oft nicht mit der Realität vor Ort vereinbar“, beschreibt Hornung das Dilemma mit dem die Bediensteten im Job-Center tagtäglich vor Ort zu kämpfen haben. Sie müssen die durchaus Arbeitswilligen häufig enttäuschen und sie auf den Boden der Tatsachen zurückholen.
„Wir warten beim Thema Integration nicht, bis ein Sprachkurs beendet ist“, beschreibt Hornung die Vorgehensweise. Schließlich fordert der im Oktober beschlossene „Jobturbo“ der Bundesregierung, dass Geflüchtete schneller mit einer Arbeitsstelle versorgt werden.. „Wir wollen dafür sorgen, dass anerkannte Geflüchtete, die im Bürgergeld und arbeitsfähig sind, mit einem Jobturbo schneller in Arbeit gebracht werden“, formulierte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil. Wer einen Integrationskurs absolviert hat, soll so schnell wie möglich Arbeitserfahrung sammeln und sinnvoll weiter qualifiziert werden. Theoretisch klingt das zunächst gut. In der Praxis aber tun sich Fallstricke durch teilweise lange Wartezeiten auf Sprachkurse auf. Weil die Sprache aber der Schlüssel zur Integration auch auf dem Arbeitsmarkt ist, beißt sich die Katze nicht selten in den Schwanz.
Gute Integrationsquote
Hubert Hornung ist dennoch zufrieden mit dem Geleisteten. Immerhin steht das Jobcenter Main-Tauber mit seinen 736 Integrationen im vergangenen Jahr auf Platz vier in Baden-Württemberg und auf Platz sechs bei den Integrationen von Ukrainern. Hornungs Fazit: „Das war ein gutes Jahr trotz der nicht allzu guten Rahmenbedingungen.“
Froh ist er, dass die finanzielle Ausstattung des Job-Centers Main-Tauber in diesem Jahr auf dem Niveau des Vorjahres liegt. Alle drei Standorte im Landkreis – Wertheim, Tauberbischofsheim und Bad Mergentheim – können gehalten und sowohl Mitarbeitern als auch Kunden kurze Wege zum Arbeitsplatz oder Amt gesichert werden. Außerdem können die Aktivierungsmaßnahmen im geplanten Umfang stattfinden. Das trage zur Integration bei.
Schattenseiten
Natürlich gibt es auch die Schattenseiten. Bürgergeldempfänger, die immer wieder eingeladen werden und nicht erscheinen. Fünf Termine würden die Vermittler pro Tag einplanen, so Hornung. Alle müssten vor- und nachbereitet sowie dokumentiert werden. „Wenn davon zwei einfach wegbleiben, verpufft Arbeitszeit und es entsteht Frust“, stellt der Job-Center-Chef fest.
Den Mitarbeitenden sind allerdings die Hände gebunden. Konnten früher auch schon mal härtere Sanktionen bei andauernder Verweigerung zur Mitarbeit ausgesprochen werden, sind es jetzt maximal zehn Prozent des Bürgergelds, das für bis zu drei Monate gekappt werden kann. „Unser Ziel sind zwar keine Sanktionen, die wir ohnehin selten ausgesprochen haben und aussprechen, sondern die Integration, aber ein Instrument zu haben, befürworte ich schon“, meint Hornung. Schließlich könne es nicht sein, dass jemand nicht an einer Schulung teilnimmt und der Steuerzahler dann den leeren Platz bezahlt.
Echtes Interesse hat Vorrang
Der Job-Center-Chef gibt sich pragmatisch: „Bei monatlich 140 bis 160 Neuzugängen haben wir ohnehin sehr viel zu tun. Wir laden deshalb in erster Linie die ein, die wirkliches Interesse zeigen.“
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