Einfach eine lockere Atmosphäre. Eine Männerhöhle eben“
Main-Tauber-Kreis. „No girls allowed“. also „Kein Zutritt für Mädchen“. Das Schild am Eingang des Niederstettener Salons „Maenneken“ macht eine klare Ansage: Hier ist ausschließlich Männer-Zone. Frauen-Stopp: Ein gesellschaftlicher Anti-Trend gewissermaßen, wo doch sonst in der zunehmend geschlechteregalisierten Welt alles allen offenstehen soll.
Der Barbershop – ein letztes Männer-Refugium also? Irgendwie ist das schon so: Der Ton in solch einem Friseursalon ist rauer und doch herzlich, man fühlt sich wie unter Buddys und kann auch mal einen lockeren Satz loswerden. Oder einfach auf einer Ledercouch mit einem Tattoo-Magazin abhängen, bis man dran ist. Förmlich ist die Atmosphäre jedenfalls nicht, sondern recht entspannt: Männerrunde.
Giuseppe Rizza vom Niederstettener „Maenneken“: „Wir hatten bis 2015 in unserem Friseursalon einen kleinen Nebenraum nur für Männerhaarschnitte. 2017 sind wir mit den Männern ein Haus weiter gezogen. Das war zuerst ein Versuch, aber der Barbershop hat ziemlich schnell richtig geboomt.“
Zwischen Zapfsäule und Pinup-Girl
Die Innenausstattung ist retro: ein altes Motorrad der Auto Union, eine Pump-Zapfsäule für Mischung, ein uralter Schrank-Fernseher mit Drehknöpfen, ein wuchtiges Ölfass (der Haar-Abfalleimer), ein Billardtisch und eine Nintendo-Spielekonsole. Überall bunte Blechschilder (eine Aufschrift: „Welcome to Paradise“) und einige Pinup-Girls im Betty-Page-Stil. Auch ein aktueller Würth-Kalender hängt an der Wand – auf dem eine junge Frau im knappen schwarzen Triangel-Bikini posiert. So sehen Männerträume aus. Zumindest einige.
„Einfach eine lockere Atmosphäre. Eine Männerhöhle eben“, bestätigt Rizzas Compagnon Felix Glänzer. Er weiß: Die männlichen Kunden genießen diesen besonderen, sozusagen geschützten Raum, in dem als Soundtrack zum kopfhaarigen Wohlgefühl fette Rockmusik aus den Boxen tönt. Ein Ort nur für junge Erwachsene? Keinesfalls: „Es kommen Leute jeden Alters und aus allen Berufen“, erzählt Glänzer. Und vom Handwerker bis zum Firmenchef. Das „Du“ gehört dazu. Schließlich ist man hier unter Männern.
Szenenwechsel nach Bad Mergentheim: „Einen Caffè Latte? Zucker dazu?“ – Marc Recknagel geht offensiv auf seine Kunden zu. Vollbart, Baseballmütze, T-Shirt, Vintage-Jeans, Turnschuhe und jede Menge Tattoos. Noch vor dreißig Jahren hätte man in diesem Outfit keine Lehrstelle als Friseur bekommen – doch Recknagel ist Meister und einer der ersten zehn Friseure in Deutschland, der zusammen mit Marc Bamberger 2001 einen Barbershop im US-amerikanischen Stil eröffnet hat.
Leger und stilsicher: Das ist Recknagels Markenzeichen. Und, wenn man so will, auch seine Marketingstrategie. „Du musst wissen, welchen Kundenkreis du ansprechen willst – und dann ist dein Outfit die Basis für das Produkt, das Du nach außen tragen willst.“ Aufgesetzt und nur als Rocker, Rockabilly-Fan oder Roamer (dem amerikanischen Vagabunden-Look) verkleidet, das geht gar nicht. Das merkt der Kunde. „Du musst authentisch rüberkommen“, hält Recknagel fest.
Ursprünglich kommen Barbershops aus dem angloamerikanischen Kulturkreis. Auch dort waren und sind sie nur für Männer bestimmt. Prinzipiell hat ein Barber keine andere Ausbildung als jemand, der bei einem gewöhnlichen Friseursalon arbeitet, doch die Mitarbeiter sind auf Männerhaarschnitte spezialisiert.
Wichtig ist trotzdem die Unterscheidung zum reinen Barbier: Der schneidet nur Bärte und braucht keinen Meister-Chef. Immer wieder kommt es hier zum beruflichen Konflikt – wenn ein „Bartschneider“ eben doch unerlaubt Frisuren macht oder gar keinen Meister im Betrieb vorweisen kann.
Ob in Bad Mergentheim, Nieder-stetten oder anderswo: Wer auf einem der Barberstühle Platz nimmt, hat eine ungefähre Vorstellung vom gewünschten Look. Vom Barber nach der Wunschfrisur gefragt lautet die Antwort aber oft: „Wie immer!“ Für die Vorschläge des Barbers ist man grundsätzlich offen, doch: Hauptsache ordentlich hinterher.
Früher Façon, heute Aussage
Ein gewisser Kundenstamm weiß allerdings genau, was er will. Die schlichte und strapazierfähige Kleidung der alten „Hauler“ (im Englischen Frachtführer und Transporteure) begeistert viele Männer. Die Frisur muss entsprechend retro sein. Dazu gehört ein Bart mit einem deutlichen Volumen. Im Ergebnis ist das ein wenig Oberbayern-Trachtler gepaart mit britischem Hafenarbeiter, aber es schaut gut aus. Und wo früher nur angepasste Façon war, ist heute Aussage. Oder anders gesagt: Männer haben ihre individuelle, mitunter recht eigenwillige Mode entdeckt. Und dafür zahlen sie auch. Mehr als früher.
Natürlich gibt es einen Barbershop-Frisuren-Stil: Vintage-Schnitte der 1920er und 30er Jahre gehören ebenso dazu wie der „Ducktail“ – in Deutschland auch als Schmalztolle der 50er Jahre bekannt.
Die hohen Scheitel des frühen vergangenen Jahrhunderts: Sie waren pflegeleicht und schnell gemacht. Hauptwerkzeug ist die Haarschneidemaschine, die damals per Welle mit einem verkapselten Motor verbunden war. Über einen Metallausleger war der Antrieb beweglich montiert. Der Friseur konnte so um den Kunden herumgehen. Heute geht das per Kabel oder mit Akku deutlich einfacher. Retrodesign aber auch bei heutigen Maschinen: Mit dem Barbershop-Trend kommt Liebenswert-Altes in neuem Gewand zurück. Im Salon und auf dem Kopf.
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