Tauber-Odenwald. Seit einiger Zeit häufen sich die Meldungen, die von trüben Aussichten für die Baubranche berichten. Die FN haben sich umgehört, wie die Lage vor Ort ist und wie der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB) die Lage beurteilt. Sorgenfalten gibt es hier wie da.
Ende 2021 glaubte man ein Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des ZDB, blickt zurück: „Wir haben sehr optimistisch auf die Baukonjunktur in 2022 geschaut. Die Lieferketten begannen nach Corona wieder zu greifen, die Order nahmen wieder Fahrt auf und die Auftragsbücher füllten sich. Nach einem realen Umsatzrückgang von sechs Prozent in 2021, prognostizierten wir für 2022 ein reales Wachstum im Umsatz des Bauhauptgewerbes.“
Die Wiederingangsetzung der Lieferketten wurde jedoch jäh durch den Ukraine-Krieg und die daraufhin erfolgten Sanktionen gegen Russland unterbrochen. Als Folge setzte eine exorbitante Preissteigerung für Energiekosten ein, die die Lebenshaltungskosten, aber auch Baukosten enorm verteuerte.
Parallel dazu haben sich die Zinsen für Immobilienkredite seit Jahresbeginn vervierfacht und die Logistikkapazitäten im weltweiten Handel sind immer noch nicht auf Vor-Corona-Niveau verfügbar.
Insgesamt erfolgte statt einer deutlichen Erholung sozusagen eine Vollbremsung. Dementsprechend sieht auch die Prognose nicht günstig aus. Felix Pakleppa: „Der Mix aus steigenden Bau-, Finanzierungs- und Lebenshaltungskosten schlägt zunehmend auf die Nachfrage nach Bauleistungen zurück. Die Baukonjunktur verliert an Schwung. Die Rahmenbedingungen für die Bauwirtschaft haben sich markant verschlechtert und trüben die Aussichten für die Baukonjunktur deutlich ein.“
Realer Umsatzrückgang
Der Bundesverband rechnet für dieses Jahr mit einem realen Umsatzrückgang von sieben Prozent. Besonders der Wohnungsbau macht Sorge. Felix Pakleppa erklärt: „Noch drehen sich die Kräne auf den Wohnungsbau-Baustellen, aber die Auftragslage ist eine Katastrophe. Seit sechzehn Monaten hält jetzt der Negativtrend im Wohnungsbau an – und ein Ende ist nicht in Sicht. Für viele Unternehmen wird es immer schwieriger, Projekte zu akquirieren und die Beschäftigung abzusichern.“
Die Firma Gerhard Goldschmitt Bau GmbH aus Wertheim-Dörlesberg besteht seit vielen Jahrzehnten. Einer der Gesellschafter ist Stefan Goldschmitt, der als Obermeister der Bau-Innung Main-Tauber-Kreis/Künzelsau fungiert und die Branche in der Region Tauber-Odenwald sehr genau kennt. Er meint: „Insgesamt gesehen war das Jahr 2023 für uns ein gutes Geschäftsjahr. Die Aussichten für kommendes Jahr sind dagegen ziemlich düster. Wir haben zwar noch einen kleinen Überhang aus 2023 abzuarbeiten, aber danach ist die Auftragslage wirklich schlecht, fast schon beängstigend. Vor allem im Bereich von Ein- und Mehrfamilienhäusern.“
Corona war für die Branche zu Beginn nicht so verheerend, weil ja viel im Freien gearbeitet wurde. Die Materiallieferungen und die zum Teil massiv gestiegenen Preise waren dagegen eher die große Herausforderung. Goldschmitt sagt: „Der Ukraine-Krieg, gestiegene Energiekosten, höhere Zinsen, Personalmangel und Rohstoffknappheit haben die Bauwirtschaft massiv betroffen. Der Auftragseinbruch, gerade im Wohnungsbau, ist so groß wie seit über 40 Jahren nicht mehr. All die genannten Faktoren und besonders die Inflation sowie die Steigerung der Bauzinsen von einem auf jetzt fünf Prozent wirken sich äußerst negativ auf den Wohnungsbausektor aus. Sehr viele willige Bauherren sind nicht mehr in der Lage, sich das Bauen leisten zu können. Um hier den Bauherren und somit der Bauwirtschaft aus diesem Konjunkturtief heraus zu helfen, muss der Staat sinnvolle und einfache Förderprogramme auf den Weg bringen, wie damals die Eigenheimzulage oder das Baukindergeld.“
In Bad Mergentheim ist die Firma Johann Stumpf GmbH seit über 60 Jahren tätig. Geschäftsführer Stefan Edelmann beantwortet die Fragen der FN: „Das Geschäftsjahr 2023 läuft relativ normal im Vergleich zu den Vorjahren. Viele Kunden nutzten das Jahr, um längst fällige Sanierungs- oder Umbauarbeiten in Angriff zu nehmen. Wir spüren jedoch vermehrten Zahlungsausfall im Bereich der Privatkunden.“
Auch er rechnet mit negativen Auswirkungen, wenn sich der Einfamilienhaussektor nicht bald wieder erholt. Erfreuliche Nachrichten hat er aber trotzdem auch parat: Die enormen Preissteigerungen, gerade im Bereich Baustahl, Dämmung etc. seien zurückgegangen und pendelten sich wieder auf Vor-Corona-Niveau ein. Ebenfalls hätten die Lieferengpässe abgenommen und es seien auch kurzfristige Bestellungen wieder möglich.
„Fachkräfte nachziehen“
Gut aufgestellt sieht er die Firma in Bezug auf den Personal- und Fachkräftemangel: „Wir im Betrieb bilden mit großer Leidenschaft aus um den spürbaren Fachkräftemangel entgegen zu wirken. Wir nutzen ebenfalls das Modell der innerbetrieblichen Ausbildung beziehungsweise Umschulung, da wir so gezielt gutes Personal ohne Berufsausbildung fördern und so unsere eigenen Fachkräfte ’nachziehen’.“
Die Gründe für den Einbruch des Einfamilienhaus-Sektors sieht er ganz klar in den gestiegenen Baufinanzierungen und durch die enormen Summen, die ein Hausbau inzwischen insgesamt kostet. Dadurch, dass die eigene Firma im Bereich Umbau und Sanierung relativ stark aufgestellt sei, „können wir den Ausfall jedoch teilweise abfangen“.
Andreas Bokmeier von der Firma Anton Bokmeier GmbH aus Markelsheim, die ebenfalls schon über 50 Jahre am Markt ist, gibt auch Auskunft zur aktuellen Lage: 2023 verlief „bis jetzt gut und die Auftragslage ist stabil“. Die Auswirkungen von Corona seien mittlerweile abgeklungen. „Für 2024 rechnen wir mit einem Rückgang der Nachfrage, vor allem im Bereich Hochbau und gewerbliche Bauvorhaben“, so Bokmeier.
Der Ukraine-Krieg, gestiegene Energiekosten und Zinsen, Rohstoffmangel und dergleichen mehr haben auch ihm zu schaffen gemacht: „Die Auswirkungen waren und sind natürlich deutlich spürbar und haben zu Deckungslücken bei laufenden Aufträgen geführt. Mittlerweile konnten die Preise jedoch weitestgehend angepasst werden. Die Teuerung der letzten 18 Monate ist jedoch beträchtlich.“
Der Rückgang beim privaten Hausbau trifft die Firma Bokmeier weniger hart: „Da unsere Aufträge überwiegend aus Ausschreibungen öffentlicher Auftraggeber – Gemeinden, Städte, Landkreise – oder von gewerblichen Auftraggebern stammen, stellt der Rückgang im privaten Wohnungsbau für uns kein großes Problem dar.“
Insgesamt ist ein deutlich spürbarer Rückgang für die Branche in 2024 zu erwarten. Je nach Spezialisierung der Bautätigkeiten sind aber nicht alle Firmen gleich stark betroffen.
Wer ausschließlich im Haus- und Wohnungsneubau tätig ist, für den wird 2024 eine große Herausforderung, sagen die Experten.
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