Geschichte

Zwischen Cello und Säbel

So wird in Stuttgart an den Hitler-Attentäter Oberst Claus von Stauffenberg erinnert

Von 
Peter W. Ragge
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Hier ist er aufgewachsen, hier wird an ihn erinnert: die Erinnerungsstätte an Claus von Stauffenberg im Alten Schloss in Stuttgart. © Haus der Geschichte Baden-Württemberg

Stuttgart. Passt das? Ein Schloss als Gedenkort für einen Widerstandskämpfer? Tatsächlich passt das Alte Schloss in Stuttgart haargenau als Erinnerungsort an Claus Schenk Graf von Stauffenberg und seinen gescheiterten Umsturzversuch vor 80 Jahren vom 20. Juli 1944, denn genau hier ist er aufgewachsen. Daher lassen sich hier die Biografie des Hitler-Attentäters und seine Motivation ganz besonders gut begreifen.

Hinter den dicken Mauern des etwa 1000 Jahre alten, burgähnlichen Gebäudes am Schillerplatz verbirgt sich eine hochmoderne, multimedial und visuell anspruchsvoll gestaltete Einrichtung mit raumfüllender Kunstinstallation.

Anspruch sei „ein neuer Typus Erinnerungsstätte in der deutschen Museums- und Gedenkstättenlandschaft“, formuliert Paula Lutum-Lenger, Direktorin des Hauses der Geschichte Baden-Württemberg. Nun gibt es multimediale und interaktive Elemente längst auch anderswo. Aber hier helfen sie wirklich gut, den Besuchern über den tausendfach erzählten Ablauf des Attentats hinaus den Menschen Claus von Stauffenberg nahezubringen.

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Konstantin Groß
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Der ist nämlich hier aufgewachsen, in einer Familie aus schwäbisch-katholischem Uradel – aber doch am für die damalige Zeit vergleichsweise liberalen württembergischen Königshof. Sein Vater arbeitet hier als Hofmarschall, dann Oberhofmarschall von Wilhelm II.; die Mutter ist Hofdame und Freundin der Königin. Die Familie lebt in einer Dienstwohnung genau hier, im Alten Schloss von Stuttgart.

„Clausi“, wie seine Mutter ihn nennt, hat Freunde bei Hofe und darüber hinaus – die Standesunterschiede zählen hier nicht so. Er erhält eine humanistische Ausbildung, wird Pfadfinder, schwärmt sehr für Literatur, liebt Musik und beginnt im Alter von neun Jahren, Cello zu spielen. Dieses Cello ist zu sehen und steht für den sensiblen Stauffenberg, der es auch als Soldat noch in der Kaserne abends spielt.

Den Ehrensäbel hat lange ein Mannheimer in Besitz

Er ist der beste Kavallerist seines Jahrgangs, erhält nach der Offiziersprüfung 1929 einen Ehrensäbel der Wehrmacht. Dass dieses prächtig verzierte Statussymbol in Stuttgart ausgestellt werden kann, liegt an einem Mannheimer. Auf bis heute nicht geklärten Wegen ist das Stauffenberg von den Nazis abgenommene Stück in die Hände sowjetischer Offiziere und dann deutscher Kommunisten geraten. Herbert Mies, in Mannheim wohnender Vorsitzender der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP), verwahrte ihn und gab ihn erst 1999 heraus.

Cello und Säbel sind neben Texttafeln und Medientischen die persönlichsten Exponate und zeigen auch, dass Stauffenberg früh schwankt – zwischen seiner humanistisch-liberalen Prägung und den militärischen Zwängen. Denn natürlich ist er lange ein überzeugter Wehrmachtsoffizier, treu dem nationalsozialistischen Regime ergeben, aber doch auch weiter stets eigenständig denkende, charismatische Persönlichkeit.

Sein ab Sommer 1943 einsetzender langsamer, schrittweiser Wandel zur treibenden Kraft der Umsturzbewegung gegen das NS-Terrorregime lässt sich in der Stuttgarter Erinnerungsstätte gut nachvollziehen. Eine Medienstation zeigt, dass es eben nicht, wie Adolf Hitler hasserfüllt brüllt, eine „Clique ehrgeiziger, gewissenloser und zugleich verbrecherischer, dummer Offiziere“ gewesen ist, die hinter dem Attentat steht. Man zeigt anhand zahlreicher Biografien, welches breite Netzwerk von bis zu 200 Personen aus adeligen ebenso wie christlichen und gewerkschaftlichen Kreisen gemeinsam auf einen Sturz von Hitler hinarbeiten.

Aber Stauffenberg wird zur Schlüsselfigur, weil andere Anschlagspläne sich nicht realisieren lassen. Als Oberst im Generalstab hat er, obwohl stark verwundet, Zugang zu Besprechungen mit dem Diktator. Am 20. Juli 1944 deponiert er in einer Aktentasche Sprengstoff in einem Raum im Führerhauptquartier Wolfsschanze bei Rastenburg (heute Ketrzyn, Polen). Aber wegen Zeitdrucks kann er nur einen der beiden Sprengsätze scharfmachen, die Tasche nicht unmittelbar neben Hitler deponieren. Dann schiebt sie auch noch jemand ein Stück weg. Als die Sprengladung detoniert, werden vier Soldaten getötet und viele verletzt. Hitler aber überlebt. Als das in Berlin bekannt wird, bricht der dort bereits angelaufene Umsturzversuch („Operation Walküre“) in sich zusammen. Stauffenberg und vier Mitstreiter werden standrechtlich erschossen, viele weitere Mitverschwörer angeklagt und später hingerichtet.

Aber was ist schiefgelaufen, wo werden Verschwörer-Befehle umgesetzt, missachtet oder bleiben liegen, weil eine Dienststelle pünktlich Dienstschluss gemacht hat? Auch das lässt sich an einem interaktiven Medientisch spannend nachvollziehen. Die Ausstellung zeigt aber auch, wer sich so alles den „Stauffenberg-Mythos“ zu eigen machen will. So hat Abrüstungsminister Rainer Eppelmann in der DDR nach dem Fall des dortigen SED-Regimes Soldaten der Nationalen Volksarmee mit einem „Stauffenberg-Orden“ ehren wollen, die sich der gewaltsamen Niederschlagung von Demonstrationen widersetzt haben. Wegen der Deutschen Einheit kommt es dazu gar nicht mehr. Rechtsextremisten, die den Oberst erst lange als Verräter sehen, vertreiben plötzlich T-Shirts mit Aufschriften wie „Walküre 2.0“, weil sie von einem „Staatsstreich“ ganz eigener Art fantasieren.

Redaktion Chefreporter

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