Geplante Flüchtlingsunterbringung am Standort Reinhardshof

Zwischen Optimismus und Ängsten

Dezernentin Elisabeth Krug und ihre Kollegen stellten das Projekt bei einer Informationsveranstaltung vor

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nads
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Es waren wesentlich weniger Teilnehmer als erwartet, die zur Info-Veranstaltung zur geplanten Flüchtlingsunterkunft am Standort Reinhardshof in die Aula „Alte Steige“ kamen. © Nadine Schmid

Wertheim. Es waren wesentlich weniger Teilnehmer als erwartet, die zur Info-Veranstaltung zur geplanten Flüchtlingsunterkunft am Standort Reinhardshof in die Aula „Alte Steige“ kamen.

Die beim Landkreis für die Flüchtlingsunterbringung zuständige Dezernentin Elisabeth Krug stellte mit Kollegen das Projekt vor. In der anschließenden Fragerunde gab es viele konstruktive Vorschläge und Zustimmung, aber auch etliche Ängste und Befürchtungen der Anwohner wurden zu Gehör gebracht.

„Gemeinsame Verantwortung“

Zu der Veranstaltung hatten Stadt und Landkreis gemeinsam eingeladen. Man wolle das Vorhaben der Bevölkerung transparent machen, betonte Oberbürgermeister Markus Herrera Torrez. Er zeigte aber auch die nicht nur gesetzliche, sondern für ihn auch moralische Verantwortung der Kommune auf: „Die Welt, in der wir leben, ist eine schwierige. Keiner kann beeinflussen, wo auf der Welt er geboren wird. Wir haben eine gemeinsame Verantwortung.“ Unabhängig davon sei die Stadt auch rechtlich verpflichtet, dem Landkreis Flächen zur Verfügung zu stellen.

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Dieser seinerseits habe keinen Einfluss, wie viele und welche Flüchtlinge versorgt werden müssten, erklärte Krug. Jeweils am Monatsanfang komme die Zuweisung des Landes in die vorläufige Unterbringung. 1,44 Prozent der Geflüchteten in Baden-Württemberg muss der Main-Tauber-Kreis gemessen an seiner Einwohnerzahl beherbergen. Man habe zwar aktuell 15 Unterkünfte mit etwa 1000 Plätzen im Kreisgebiet, aber man müsse vorbereitet sein, wenn die Zahl der Schutzsuchenden wieder ansteige.

Außerdem würden einige Container-Anlagen auslaufen, da sie wie die geplante in Wertheim immer nur auf zwei bis drei Jahre angelegt seien. „Die Lage ist dynamisch und nicht einschätzbar“, so die Dezernentin. Aktuell würden die im vergangenen Jahr sehr hohen Zahlen zurückgehen.

Joachim Aragón, Amtsleiter des Amts für Immobilienmanagement beim Kreis, stellte die geplante Liegenschaft vor, die auf der städtischen Freifläche zwischen Giulya-Horn-Straße und Willy-Brandt-Straße gebaut werden soll, vor. In den zwei insgesamt für 130 Personen ausgelegten Riegeln wird es getrennte Wohn- und Aufenthaltsbereiche geben. In Letzterem befinden sich Küche und Sanitäranlagen. Aktuell seien pro Bewohner 4,5 Quadratmeter Wohnraum vorgesehen.

Die Container sollen ab dem zweiten Quartal 2025 bezugsfertig sein. Wann sie belegt werden und ob mit allein reisenden Männern oder Familien, könne aber noch keiner sagen, so Krug.

Volker Mohr, Ordnungsamtsleiter der Stadt, erklärte, warum die Stadt gerade dieses Gebiet ausgewiesen habe. Für die Geflüchteten sei es wichtig, Anschluss nicht nur an Strom und Wasser, sondern auch an Infrastruktur wie Öffentlicher Nahverkehr, Einkaufsmöglichkeiten, ärztliche Versorgung sowie Schulen, Kindergärten und Spielplätze zu haben. Genau das störte aber einige der Anwohner, die sich einen Standort wünschen würden, an dem weniger dieser Einrichtungen sind. Sie befürchten Überlastung und Kriminalität. Einige Frauen meinten, sie hätten Angst, dann abends auf die Straße zu gehen.

Edgart Hildebrand, Kreistagsmitglied der AfD, der von den amerikanischen Kasernen als „Besatzung“ spricht, übergab Oberbürgermeister Herrera Torrez eine Unterschriftenliste von Anwohnern gegen die Flüchtlingsunterkunft. Eine Anwohnerin erinnerte an den Turnhallenbrand von 2015, für den sie, obwohl höchstwahrscheinlich von Rechtsextremen verübt, die Einrichtung der Landeserstaufnahme verantwortlich macht.

Nimet Seker von der türkisch-islamischen Gemeinde gab ihrer Befürchtung Ausdruck, dass die innenpolitischen Konflikte in der Türkei nach Wertheim getragen würden. Tatsächlich sind aktuell die meisten Asylsuchenden in Baden-Württemberg türkischer Herkunft.

Alle, oft selbst mit Migrationshintergrund, betonen aber, dass sie nichts gegen die ankommenden Menschen hätten, nur eben nicht an diesem Standort.

Die Polizei widerspricht diesen Ängsten deutlich: Eine in Auftrag gegebenen Gefährdungsbeurteilung habe keine Bedenken ergeben. Krug versicherte, dass es durch die gute Betreuung durch Sozialpädagogen – eine Stelle auf 90 Bewohner – an den bereits betriebenen Standorten kaum Vorkommnisse gebe.

Keine negativen Erfahrungen

Und auch die Anwesenden, die schon lange mit Flüchtlingen arbeiten, bestätigten, keine negativen Erfahrungen gemacht oder kriminelle Machenschaften erlebt zu haben.

Sollte es aber doch schwierig sein, könne natürlich ein Sicherheitsdienst zur Verfügung gestellt werden. Andere Sorgen waren konkreter und wurden ernst genommen: Etwa dass sich die ohnehin schon angespannte Situation in Bezug auf die Hausärzte durch zusätzliche Einwohner verstärkt werde.

Und ein Anwohner hatte noch eine konkrete Bitte, die trotz des ernsten Themas ein Lachen in den Saal brachte: „Wenn für die Unterkunft Glasfaserkabel verlegt wird, könnte man dann ein paar Meter mehr verwenden und endlich auch uns anschließen?“ So könnte vielleicht doch noch ein positiver Synergieeffekt entstehen. Ansonsten bleibt abzuwarten, wie sich die Dinge entwickeln. Und zu hoffen, dass es so ist, wie einer der Teilnehmer betonte: „Der Reinhardshof ist weltoffen.“ nads

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