Wertheim. Auf dem sozialen Netzwerk Facebook gibt es seit über zehn Jahren eine Gruppe, in der sich die Nutzer über die Geschwindigkeitsmessungen im Wertheimer Stadtgebiet austauschen. Die Gruppe namens „Blitzer Wertheim“ hat über 3000 Mitglieder, und seit der neue Blitzanhänger – in der Fachsprache „Enforcement Trailer“ genannt – im Einsatz ist, dominiert dieser die Kommunikation.
Ende September absolvierte das 180 000 Euro teure Überwachungsgerät erste Tests an verschiedenen Stellen. Wo, das sprach sich in der Facebook-Gruppe schnell herum: „Blitzer-Anhänger steht in Bestenheid Landstraße am Friedhof“, schrieb eine Nutzerin. Eine andere: „Nun steht der Anhänger am Ortseingang Urphar. Von Dietenhan/TBB kommend.“
Warnungen erlaubt
Solche Warnmeldungen sind keinesfalls verboten – schließlich gibt es ja auch entsprechende Durchsagen bei Radiosendern. Die Verkehrsteilnehmer werden nur allgemein gewarnt, mit einem Hinweis darauf, wo die Messung stattfindet. Anderes gilt für technische Hilfsmittel: Auf deutschen Straßen ist „jede automatisierte Warnung vor Geschwindigkeitsmessanlagen verboten. Technische Geräte (zum Beispiel Radarwarner im Auto) darf man nicht betreiben und noch nicht einmal betriebsbereit mitführen. Navigationsgeräte, die Blitzer anzeigen und Blitzer-Apps im Smartphone dürfen nicht verwendet werden“, schreiben die Fachleute des ADAC.
Auch dürfe man andere Verkehrsteilnehmer mittels Handzeichen oder Schildern warnen. Wenn man dadurch aber andere Verkehrsteilnehmer behindert oder ablenkt, könne die Polizei das untersagen. Die häufige Praxis, mit der Lichthupe auf Blitzer aufmerksam zu machen, sei allerdings untersagt. In der Straßenverkehrsordnung heißt es, dass Schall- und Leuchtzeichen nur geben darf, wer außerhalb geschlossener Ortschaften überholt, oder wer sich oder andere gefährdet sieht.
Eifriger Nutzer
Ein eifriges Mitglied der „Blitzer“-Gruppe ist auch Stefan Kempf, der für die Bürgerliste Wertheim im Gemeinderat sitzt. Zum Debüt des „Enforcement Trailers“ teilte er den Mitgliedern mit: „Achtung, heute wird der neue Blitzer-Anhänger am Bronnbacher Hof getestet. Ab sofort wird in Wertheim sicherlich noch verstärkt geblitzt.“
Von den FN darauf angesprochen, dass er als Mandatsträger eine Verpflichtung abgegeben hat, „die Rechte der Gemeinde gewissenhaft zu wahren und ihr Wohl und das ihrer Einwohner nach Kräften zu fördern“, und er – setzt man strenge moralische Maßstäbe an – mit solchen Beiträgen dagegen verstoßen könnte, wiegelt er ab: Er sehe hier keinerlei Zusammenhang. „Schließlich habe ich lediglich darauf hingewiesen, dass der ,Enforcement Trailer’ nun endlich in Wertheim angekommen ist und am besagten Standort zum ersten Mal aufgebaut und getestet wurde.“ Kempf wies später allerdings auch auf den Standort in Urphar hin und erkundigte sich später, wo dieser sich befinde. (siehe Screenshots auf dieser Seite).
Und auch „unser geschätzter OB“ habe auf Facebook auf den Standort des Trailers in Dietenhan hingewiesen, meint Kempf. Hierbei handelte es sich allerdings um einen Beitrag über die überdimensionierte Stinkefingerversion der Marketingfigur des Optimisten , die ein Scherzkeks nahe des Anhängers platziert hatte (wir berichteten).
Im Übrigen diene es doch allen, „wenn die Bürger sich an die Geschwindigkeitsbegrenzungen halten, ob nun weil sie vorab von der Messung wissen – etwa durch einen Facebook-Beitrag, von wem auch immer der kommt, oder danach, wenn sie geblitzt worden sind und ein Bußgeld zahlen müssen.
Sicherheit gefährdet
OB Markus Herrera Torrez selbst antwortete nicht auf konkrete Fragen der FN in Bezug auf das Verhalten des Stadtrats. „Rechtlich gesehen stehen die Facebook-Aktivitäten von Stadtrat Kempf nicht im Widerspruch zu seinem kommunalen Mandat. Moralisch mag es bewerten wer will“, teilte Rathaussprecherin Angela Steffan gegenüber den FN mit.
„Der Blitzer-Anhänger wurde beschafft, um die Verkehrsteilnehmer zur Einhaltung der Geschwindigkeitsbegrenzungen anzuhalten. Wer weiß, wo der Blitzer steht und sich nur in diesem Streckenabschnitt an das Tempolimit hält, um anschließend wieder Gas zu geben, der gefährdet die Verkehrssicherheit, für sich und für andere“, so Angela Steffan.
In der Facebook-Gruppe reagieren die Nutzer nicht nur mit vielen „Gefällt-mir“-Angaben und Kommentaren in der Art „Der Staat braucht Geld“ oder teilen Bilder des neuen Lieblings, die eindeutig von Pkw-Fahrern am Steuerrad gemacht wurden (nicht erlaubt).
Es gibt auch Beiträge wie diese: „Wir wohnen in einer 30-er Zone und tagtäglich rasen hier hirnamputierte Vollidioten vorbei. Ich habe Angst, wenn die Kinder auf die Straße gehen, und wünsche mir mehr Kontrollen, gerade in den 30-er Zonen. An vielen Straßenabschnitten haben die Geschwindigkeitsbegrenzungen Sinn und sollen überwacht werden. Wer zu dämlich ist, die Geschwindigkeit einhalten zu können, sollte lieber seinen Führerschein abgeben.“
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