Wertheim/Zellingen. Die Wertheimer Ortsgruppe des Naturschutzbunds (Nabu) wünscht eine Veränderung der Waldbewirtschaftung im Kommunalwald der Stadt hin zum Dauerwald. Bei einer Exkursion bekamen zwölf Aktive von Nabu sowie Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (Bund) in Zellingen Einblicke in diese besondere Waldbewirtschaftung.
Organisiert wurde die Exkursion von Christoph Langguth. Wie er erklärte, sei die Besonderheit eines Dauerwalds, dass auf einer Fläche alle Altersstufen vertreten seien. Bei der klassischen naturnahen Bewirtschaftung mit dem Altersklassenwald seien diese dagegen auf verschiedene Flächen verteilt.
Langguth ist beim Nabu Wertheim für das Thema Wald zuständig. Er ist seit 1975 Mitglied der Arbeitsgemeinschaft naturgemäße Waldwirtschaft (ANW), die sich für den Dauerwald ausspricht.
Anstoß für sein Ziel, den Wertheimern den Dauerwald näher zu bringen, seien mehrere flächige Rodungen im Gemeindewald gewesen, sagte er. Es habe auch schon Gespräche mit Wertheimer Gemeinderatsfraktionen zum Thema gegeben, die bisher erfolglos geblieben seien.
Die Führung durch den Zellinger Gemeindewald, dessen Verantwortliche auf Dauerwaldbewirtschaftung setzen, übernahm Peter Kretzinger, kommunaler Revierleiter des Markts Zellingen. Er ist seit 32 Jahren für das Gebiet zuständig. Der Wald umfasst rund 1260 Hektar.
Kretzinger betonte, er stehe hinter der Bewirtschaftung des Waldes. Diese sei genauso wichtig wie die anderen Waldfunktionen. Der Zellinger Wald wachse auf Muschelkalk. Daher lasse sich nicht alles eins zu eins auf den Bundsandsteinboden, der in Wertheim häufig sei, übertragen. Der Laubwaldanteil in Zellingen liege bei 80 Prozent.
Zum Dauerwald erklärte der Experte, in diesem gebe es eine Mischung von Baumarten und Altersstrukturen auch auf kleinerer Fläche. Egal was in den oberen Waldschichten passiere, sei eine Art „Sicherheitsnetz“ aus jüngerem Bewuchs wichtig. Die Festlegung „Wald muss Wald bleiben“ bedeute auch den Verzicht auf großflächige Räumung von Flächen. Zudem werde jeder einzelne Stamm „wirtschaftlich und ökologisch betrachtet, wenn es um seine Entnahme geht.“ Dies sei gezielte Vorratsplanung. Der Revierleiter verwies unterwegs darauf, dass im Zellinger Wald die Schicht am Boden durch Naturverjüngung entstanden sei. Man habe jedoch Maßnahmen ergriffen, damit sich diese überhaupt entwickeln konnte. Dazu gehörten gezielte Baumentnahmen zur Auflichtung ohne Kahlschlag.
Kretzinger ging auf die Rolle des Verbissschutzes und das teilweise nötige kleinflächige Nachpflanzen bestimmter Baumarten ein. Sehr interessiert zeigten sich die Teilnehmer auch an eine Fläche, auf der bis vor ein paar Jahren ein geschlossener Fichtenbestand stand, durch verschiedene Ursachen aber zerstört wurde.
Heute entwickeln sich auf der Fläche fast 20 Baumarten aus der Naturverjüngung. Sie seien schon vorher vorhanden gewesen, hätten sich aber nur entwickeln können, da die Fichten darüber verschwanden, so der Revierleiter.
Von Wertheimern wurde auch der Einsatz von nicht heimischen, klimaresistenten Baumarten angesprochen. Kretzinger erklärte, auch er probiere solche an verschiedenen Stellen aus. „Es wird aber nicht unser Hauptaugenmerk sein.“ Er verwies auf Erfolg mit heimischen Baumarten sowie mögliche Probleme der Bäume mit mehr Trockenresistenz gegen Spätfröste.
Auf Nachfrage sagte Kretzinger, er glaube, dass Dauerwald besser an Klimaveränderungen angepasst sei. „Schäden sind sichtbar, aber nicht großflächig, sondern nur an einigen Bäumen.“ So sei das Ziel „Wald bleibt Wald“ umgesetzt.
Als größten Vorteil der Bewirtschaftung in Form des Dauerwalds nannte der Experte die Resilienz im Sinne der Regenerationsfähigkeit nach Störungen wie Schadorganismen, Spätfrösten, Trockenheit und Stürmen.
Es gebe zudem wirtschaftliche Vorteile. Man ernte Bäume, die ihr Optimum erreicht haben. Dies sei der Vorteil der Einzelstammbetrachtung im Vergleich zum flächigen Vorgehen. Der dritte Vorteil sei ökologischer Art durch den hohen Anteil wertvoller alter Bäume.
Ein Nachteil des Dauerwalds sei, dass die Bewirtschaftung viel mehr Aufwand bedeute. Man müsse bereit sein, sich mehr auf der Fläche zu bewegen. Das bedeute auch mehr Aufwand und Anstrengung für die Waldarbeiter. Beispielhaft verwies er auf das Fällen einzelner Bäume, wobei darauf zu achten sei, dass das Gebiet darum möglichst wenig in Mitleidenschaft gezogen wird. Außerdem seien Baumarten, die weniger Licht brauchen, im Vorteil. Daher seien Anstrengungen nötig, um zu verhindern, dass Lichtbaumarten wie die Eiche nicht auf der Strecke bleiben.
Mit Blick auf die ANW-Tagung betonte Kretzinger: „Das Interesse an der Dauerwaldbewirtschaftung ist bundesweit da.“ Diese Form bedeute aber auch viel Arbeit. Es müssten auch die Rahmenbedingungen beim zuständigen Förster selbst sowie bei der Fläche stimmen. „Das Revier darf nicht zu groß sein, und man braucht persönlich eine gewisse Leidenschaft für das Thema.“
Auf die Frage zur Wirtschaftlichkeit im Vergleich zur naturnahen Waldbewirtschaftung erklärte er, die unmittelbare Vergleichbarkeit der beiden Waldformen sei in dieser Hinsicht schwierig.
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