Wertheim. „Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein“, singt Reinhard Mey in seinem bekannten Lied. Dies sei nicht nur eine Floskel, sondern wirklich so sei, bestätigte Stephan Spall, Vorsitzender des Luftsportvereins Wertheim, am Sonntag beim Aktionstag des Vereins auf dessen Flugplatz. Dabei konnte man gegen eine Spende in die Vereinskasse selbst das Gefühl dieser grenzenlosen Freiheit erleben. Dafür stellten Vereinsmitglieder ihren offenen motorisierten Drachenflieger (Trike), zwei geschlossene CV 42 sowie sich selbst als Pilot ehrenamtlich bereit und ermöglichten so beeindruckende Rundflüge über die Region.
„Fliegen befriedigt das Streben der Menschen nach Freiheit, von oben sehe alles aus wie eine Modelleisenbahnlandschaft“, schwärmte Spall. Jeder der geflogen sei, sage danach: „Es ist stark, es gefällt mir, man bekommt ganz andere Einblicke.“
Die Mitglieder würden meist längere Strecken fliegen, berichtete der Vorsitzende aus dem Vereinsleben. Ein beliebtes Ziel sei etwa der Plattensee. Dorthin seien es etwa sechs Flugstunden. Die Reichweite eines Ultraleichtflugzeugs ohne Auftanken liege bei etwa vier Flugstunden zwischen 500 und 600 Kilometer. Die Reisegeschwindigkeit liege bei etwa 135 Stundenkilometer (km/h) je nach Windstärke und Windrichtung. Er fliege zu jeder Jahreszeit und immer sei die Landschaft anders, betonte Spall.
Trotz der Faszination, die vom Fliegen ausgeht, ging die Mitgliederzahl des Vereins in den vergangenen Jahren deutlich zurück. Waren es laut Spall um das Jahr 2010 noch 50 Personen, sind es aktuell noch zwölf. Eine günstige Variante eines „superguten“ Trikes bekomme man für unter 3500 Euro. Die Leute wollten aber mehr, verwies der Vorsitzenden darauf, dass die Leute sich immer umfangreichere und teurere Flugtechnik wünschten. Dieses „Mehr“ könnten sie sich aber nicht leisten. Mit dem Aktionstag wollten die Verantwortlichen wieder auf den Verein aufmerksam machen.
Die Mindestspende für einen Flug lag bei einem Euro pro Minute. Das Geld werde in der Vereinskasse dringend benötigt, gab Spall zu. So müsse man unter anderem Pacht für zwei Grundstücke für den Flugplatz zahlen. „Das war mit 50 Mitgliedern einfacher zu stemmen als mit zwölf.“ Dir Mitgliedsbeitrag betrage seit Jahren 160 Euro pro Jahr. Zusätzlich müsse jedes Mitglied jährlich 30 Arbeitsstunden vor allem bei der Geländepflege leisten.
Für alle die in den Flugsport einsteigen wollen, hat der Verein auch eine eigene Flugschule für Trikes und Flächenflieger im Ultraleichtbereich. „Die Ausbildung erfolgt durch Ehrenamtliche“, so Spall. Die Kosten für einen Flugschein liegen bei rund 3500 Euro. Zum Erhalt der Fluglizenz müsse man bei geschlossenen Fliegern in zwei Jahren zwölf Flugstunden plus einen Überprüfungsflug mit Fluglehrer absolvieren. Bei Trikes sehe die Verordnung nur den Erhalt der Fähigkeiten ohne genaue Vorgaben vor.
Immer wieder schwärmte Spall im Gespräch mit unserer Zeitung über das Erlebnis Fliegen: „Es ist die dritte Dimension und mit nichts zu vergleichen.“ Man sei nicht an die Erde gebunden und habe vor allem bei Trikes eine Rundumsicht in alle Richtungen. „Es gibt kein Limit.“ Es sei ein Gefühl der großen Freiheit und gebe einem, ganz nach Reinhard May, schnell das Gefühl, alles andere sei „nichtig und klein.“
Was die Sicherheit beim Fliegen angehe, sagte er, man müsse Respekt vor dem Medium haben. „Trike-Fliegen ist wie Motorrad in der Luft, aber ungefährlicher als Motorrad, da man viel mehr Platz hat.“ Kritische Punkte seien Start und Landung, vor allem Letztere.
Der Traum vom Fliegen lockte zahlreiche Interessierte verschiedenen Alters auf den Flugplatz. Viele genossen einen Rundflug. Zu ihnen gehörte beispielsweise Ingrid Urlacher (31). „Am beeindruckendste war der Start“, berichtetet sie von ihrem luftigen Ausflug in die Höhe, der allerdings nicht der erste dieser Art für sie war. Man spüre das Adrenalin, wenn man vom Boden abhebt.
Ihr Bruder Michael Urlacher (24) war erstmals mit einem Ultraleichtflugzeug unterwegs. „Man fliegt man schon mal offen“, sagte er. Andreas Rafikow (24) ergänzte, er sei sehr gespannt, habe aber keine Angst. „Die Piloten sind Profis.“ Christine Boleks (35) hingegen gab zu, sie sei schon etwas nervös. Sie wolle mit dem offenen Trike fliegen, „da fühlt man sich freier.“
Nach den Rundflügen waren viele strahlende Gesichter zu sehen. „Ich bin glücklich“, rief zum Beispiel Nadja Michel (50), als sie vom Trike stieg. Es sei „klasse, einfach ein Traum“, betonte sie. „Es ist das Schönste, in der Luft zu sein.“ Sie habe Glück, Freiheit und Dankbarkeit gespürt. Mit dem Flug habe sie sich einen Kindheitstraum erfüllt. Die Wertheimer Burg erscheine von oben aus viel moderner aus und man sehe viel mehr Main-Kurven als vom Auto aus. Nach der ersten Drehung mit dem Trike sei ihr etwas schwindelig gewesen. „Danach war es sehr schön“. Angst habe sie nie gehabt, erklärte sie strahlend.
Die Flugschein-Prüfung kann man ab 16 Jahren ablegen und damit dann auch alleine fliegen. Dies gelte für alle Ultraleichtflugzeuge, sagte Spall. Als solche werden in Deutschland Flugzeuge und Trikes mit einem zulässigen Gesamtstartgewicht von 600 Kilogramm bezeichnet.
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