Wertheim. Nach der Gemeinderatswahl analysierten die Parteien und Gruppierungen das Ergebnis. Wie berichtet, gab es nur leichte Verschiebungen: CDU, Freie Bürger und Bürgerliste gewannen ein Mandat hinzu. SPD und Grüne müssen jeweils auf einen ihrer Sitze verzichten. Die Fränkischen Nachrichten fragten nach, zu welcher Einschätzung die Protagonisten kommen.
Oberbürgermeister Markus Herrera Torrez lässt wissen: „Als Vorsitzender des Gemeinderates werde ich nach der Konstituierung alle Fraktionen zum Gespräch einladen, um zu erfahren welche Themen und Anliegen ihnen für die Arbeit im Gemeinderat in den nächsten fünf Jahren wichtig sind.“ Dass keine politische Kraft dominiere, spiegele „die Vielfalt unserer Stadt wider.“
Dies fördere die „Entwicklung von Lösungen, bei denen nicht ideologische Überzeugung, sondern die sachliche Ausrichtung am Wohl der Stadt den Ausschlag gibt“. In den letzten fünf Jahren sei es eine Stärke des Gemeinderats gewesen, dass fast alle Entscheidungen einstimmig oder mit großer Mehrheit getroffen worden sind. Er sei zuversichtlich, dass dies auch in der nächsten Legislaturperiode gelingen werde, so der OB.
Generationenwechsel
Axel Wältz von der CDU, deren Fraktion mit jetzt sieben statt sechs Sitzen vertreten ist, sagt auf Nachfrage: „Wir sind insgesamt zufrieden mit dem Ausgang der Wahl.“ Man habe die meisten Wahlbezirke gewonnen und sowohl in den Ortschaften als auch in den Stadtteilen „meistens gute Ergebnisse“ erzielt. „Wir konnten zulegen, obwohl wir Bernd Hartmannsgruber ersetzen mussten“, so Wältz.
Der Generationenwechsel habe funktioniert. Neben drei amtierenden Stadträten seien vier Neulinge in der neuen Fraktion vertreten. „Besonders stolz bin ich auf das gute Abschneiden unserer jungen Kandidaten“, so Wältz.
Das mache Hoffnung für die Zukunft. „Ich habe als junger Kandidat auch klein angefangen und habe mich jetzt über die Jahre auf über 8600 Stimmen hochgearbeitet“, erklärt Wältz. Er wolle weiterhin mit dem gesamten Kandidatenteam zusammenarbeiten. „Wir haben viel Zukunftspotenzial“, so Wältz. Man werde den „sachorientierten Stil beibehalten“, verspricht er. Das Krankenhaus-Aus trübe jedoch die Stimmung. „Deshalb fiel unsere Wahlparty relativ ruhig aus“, berichtet Wältz.
Bestes Ergebnis seit Gründung
„Mit unserem Wahlergebnis von 22,2 Prozent haben wir das beste Ergebnis für die Freien Bürger seit deren Gründung vor 30 Jahren erreicht“, freut sich der Vorsitzende der Freien Bürger, Marcus Götz. „Damit ist die FBW erstmals zweitstärkste Fraktion im Gemeinderat.“ Dazu beigetragen habe „unsere attraktive Liste und die konstruktive Arbeit der Fraktion in den letzten fünf Jahren“. Es habe sich aber auch wieder an den Einzelergebnissen gezeigt, dass die Wahlen auf den Ortschaften entschieden werden.
„Wir konnten fast 25 Prozent an Stimmen hinzugewinnen“, zieht Götz Bilanz. Offenbar hätten bundespolitische Themen die SPD und die Grünen geschwächt. „Möglicherweise haben im Kontext der Krise um das Krankenhaus die Wählerinnen und Wähler auch gemerkt, dass die angeblich guten Drähte der klassischen Parteien nach Stuttgart und Berlin nichts wert waren“, so Götz.
Im Kreistag habe man den bestehenden Sitz halten können. „Bedauerlich sei, dass Wertheim zwei Sitze verloren habe, die nach der letzten Kreistagswahl als Ausgleichsmandate errungen wurden. „Gefreut hat uns der faire Umgang der Gruppierungen untereinander im Wahlkampf“, sagt Marcus Götz.
Schwierige Ausgangsbasis
Thomas Kraft, Ortsvereinsvorsitzender der SPD, führt aus: „Wir haben bei der Gemeinderatswahl vier Sitze erreicht.“ Die Ausgangsbasis sei schwierig gewesen. Zwei Gemeinderäte seien nicht mehr angetreten. Davon habe man ein Mandat halten können. „Das ist unserem Spitzenkandidaten Mirco Göbel gelungen. Er konnte einen beachtlichen Stimmenzuwachs verzeichnen“, erklärt Kraft.
„Natürlich hatten wir uns mehr gewünscht. Wir sind mit einer guten Mischung von Kandidatinnen und Kandidaten angetreten“, so Kraft weiter. „Den jungen Kandidierenden haben wir eine besondere Chance gegeben. Fast hätte es funktioniert“, erklärt er. Die jüngste Gemeinderatskandidatin stehe auf Platz fünf in der Reihenfolge der SPD-Ergebnisse.
„Der Wahlkampf war eine große Teamleistung. Wir waren in allen Wahlbezirken mit einer öffentlichen Veranstaltung. Die Präsenz in den Zeitungen war gut, und in den sozialen Medien waren wir führend“, so Kraft. Die Kräfteverhältnisse im Gemeinderat seien nur leicht verschoben.
„Wir setzen auf konstruktive Arbeit und bieten die Zusammenarbeit allen Fraktionen im Gemeinderat und der Verwaltung an“, verspricht er. „Auf dieser Basis werden wir die Anliegen unserer Bürgerinnen und Bürger gut und engagiert in den nächsten fünf Jahren vertreten.“
Als „rundum erfolgreich“ bezeichnet Stefan Kempf von der Bürgerliste das Ergebnis. „Wir haben einen regulären Sitz im Kreistag errungen und auch einen weiteren Sitz im Gemeinderat“, freut er sich. „Mit Jessica Stand und Jonathan Klüpfel kann die Fraktion der Bürgerliste gleich zwei neue Gesichter willkommen heißen“, so Kempf.
„Rundum erfolgreich“
Bedauerlicherweise habe es für Ekkehard Ebert nicht gereicht. Mit ihm scheide ein wichtiger Kämpfer für den Naturschutz aus dem Gremium aus. Er bleibe der Bürgerliste aber „hinter den Kulissen als aktiver Mitstreiter“ erhalten. „Mit diesem Ergebnis haben wir gezeigt: die Bürgerliste war keine Eintagsfliege oder eine Trotzreaktion. Sie repräsentiert einen guten Teil der Wertheimer Bürgerschaft und kann ohne Einfluss von landes- oder bundespolitischen Vorgaben für Wertheim agieren“, erläutert Kempf.
Man werde weiter eine gute, lösungsorientierte Sachpolitik machen – „ohne nicht haltbare Versprechungen oder Luftschlösser“, so Kempf. Dabei können wir zum einen auf die Unterstützung der gesamten Liste bauen, zum anderen auf die Wertheimer Bevölkerung“, ist sich Kempf sicher.
Besser als bei Europawahl
„Dass es für die Grünen nicht mehr für drei Sitze im Gemeinderat gereicht hat, zumal es zeitweise so aussah, als könnte es gelingen, schmerzt uns“, erklärt Katharina Saur, die in das Gremium einziehen wird. Ebenso bedauerlich sei es, dass Wertheim keinen grünen Vertreter im Kreistag habe.
Andererseits sei das Ergebnis vor Ort fast zwei Prozentpunkte besser als das der Europawahl. Für den Ortsverband sehen wir zudem viele erfreuliche Aspekte der Kommunalwahl. Man habe eine komplette Liste mit dem höchsten Frauenanteil aller Parteien präsentieren können, was auch von vielen Wählerinnen und Wählern in Gesprächen positiv bemerkt worden sei. Die AfD habe keine Liste zustande gebracht und sei im Wahlkampf außer mit der importierten „blauen Welle“ vor Ort praktisch bedeutungslos. Der Wahlkampf sei infolgedessen sachlich, fair und zivilisiert verlaufen, „was heutzutage keine Selbstverständlichkeit ist“, so Katharina Saur.
Der Kontakt zu den Mitbewerbenden der anderen Parteien sei stets respektvoll und freundschaftlich gewesen. Man habe zudem eine eine ganze Reihe neuer Menschen für die Kommunalpolitik interessieren und gewinnen können, was für den Grünen-Ortsverband einen Kompetenzzuwachs in vielen Bereichen bedeute.
„Mit den nun gewählten Vertreterinnen der Grünen im Gemeinderat zieht sowohl langjährige Erfahrung als auch frischer Wind ein“, ist sich Katharina sicher. Den ausgeschiedenen Richard Diehm und Marlise Teicke danke man für ihre langjährige engagierte Arbeit. „Sie konnten viel bewegen“, so Katharina Sauer.
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