Freizeit in der Natur

Wertheim: Trend zum Campingurlaub hält nicht überall an

Camping in Deutschland in unterschiedlicher Form ist gerade sehr angesagt – vor allem während und nach der Pandemie. Doch hielt dieser Trend auch in dieser Saison an? Die Fränkischen Nachrichten fragten nach.

Von 
Heike Barowski
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Die Dauercamper Ines Markewitz und Christian Lindner aus Dresden genießen die letzten sonnigen Stunden am Main in Bestenheid, bevor sie in die Heimat fahren. © barowski

Wertheim/Kreuzwertheim. Niemand turnt auf den Geräten im Fitnesspark, die Wohnfässer und „Glampingzelte“ sind scheinbar schon winterfest gemacht. Am schwarzen Brett kündet ein Aushang davon, dass der Biergarten des Azur Campingplatzes in Bestenheid seit 4. Oktober geschlossen ist.

Nur in paar wenige Wohnmobile und Wohnwagen stehen noch direkt am Main. So wie das von Ines Markewitz und Christian Lindner. Das Paar aus Dresden sitzt vor seinem Wohnmobil, genießt die Sonne und die mittägliche Ruhe. „Wir sind gerade beim Packen“, erzählt Ines Markewitz. Nach sechs Monaten in Wertheim geht es jetzt wieder Richtung Heimat. Während Ines Markewitz schon seit 1991 nach Bestenheid kommt, ist es für Christian Lindner erst die zweite Saison, die am Main zu Ende geht. Seine Partnerin Ines hat ihn mit dem „Camping-Virus“ angesteckt. So wie den beiden geht es vielen: Wer einmal Gefallen am Camping gefunden hat, kommt davon kaum noch los.

Aufgrund der Einschränkungen während der Pandemie entdeckten viele Reisewillige das Campen für sich. Die Anzahl der verkauften Wohnmobile schnellte in die Höhe, die Campingplätze waren gut ausgebucht. Doch hielt dieser Trend auch 2023 an?

Camping in Zahlen

Laut Statistischem Bundesamt entfiel im Jahr 2022 die Mehrzahl der touristischen Übernachtungen in Deutschland mit einem Anteil von 52,8 Prozent auf klassische Hotelleriebetriebe. 23,2 Prozent der Übernachtungen entfielen auf Ferienunterkünfte und ähnliche Beherbergungsstätten und 16 Prozent auf Campingplätze. Im Vergleich zu den Vorjahren ist dabei vor allem die Entwicklung der Übernachtungszahlen auf Campingplätzen auffällig. Diese lagen im August 2022 bei 9,3 Millionen und damit um 14,7 Prozent höher als im August 2019.

Insgesamt wurden im Jahr 2022 rund 40,2 Millionen Übernachtungen auf deutschen Campingplätzen gezählt. Davon entfielen rund 3,9 Millionen Übernachtungen auf ausländische Gäste.

In Deutschland gibt es laut Statistika rund 2900 Campingplätze mit über 200 000 Stellplätzen. Die meisten Campingplätze befinden sich in Bayern, Niedersachsen und Baden-Württemberg. hei

In Bestenheid

Oliver Frank ist Geschäftsführer der Azur-Gruppe. Sie betreibt den sieben Hektar großen Platz mit 300 Stellplätzen für Urlauber und 40 Plätze für Saisoncamper in Bestenheid. „Während Corona war Campingurlaub in den wenigen, möglichen Monaten sehr gefragt und ein Urlaub in Deutschland war die Möglichkeit rauszukommen. Camping war sicher und man hatte eine Auszeit von Corona. Auch die Zuwächse bei Wohnwagen und Campingfahrzeugen zeigt, Urlaub in der Natur steht voll im Trend. Campingurlaub hat nicht nur tolle Zuwächse, sondern ist auch eine Urlaubsform mit einer weiter wachsenden Zukunft“, so Frank. Wie der Geschäftsführer mitteilt, waren die Zahlen jetzt jedoch leicht rückläufig. „Dieses Jahr haben wir wieder das Niveau von 2019 erreicht. Dies ist etwas niedriger als während der Pandemie in den zwei bis drei Monaten, welche wir offen haben konnten. Aber zum Glück können wir nun ja auch wieder die ganze Saison öffnen.“

Während auf fünf Plätzen der Azur-Gruppe Zuwächse zu verzeichnen sind, sinken in Bestenheid die Übernachtungszahlen. Über die Ursachen sagt Frank: „Zum einen nimmt der Verkehr entlang des Mains immer mehr zu, was dazu führt, dass die Lärmbelästigung in der Nacht durch die hinter dem Campingplatz verlaufende Landstraße weiter zunimmt. Weiter fällt der Wegfall des Bähnchens auf die Burg negativ auf. Wer schon einmal nach oben gelaufen ist, weiß, wie schwer sich da ältere Menschen tun“, bedauert Frank.

Weiter führt er aus: „Der Campingplatz ist verpflichtet, von seinen Gästen Kurtaxe zu verlangen, obwohl durch die Lage außerhalb der Innenstadt nur wenig davon für unsere Gäste investiert wird. Dadurch, dass der Reisemobilstellplatz in der Stadt dann auch noch mit Steuergeldern subventioniert und fast kostenlos angeboten wird, haben wir manchmal keine Chance, fair zu konkurrieren. Eine direkte Anbindung des Campingplatzes an die öffentlichen Verkehrsmittel oder das Bähnchen würde unseren Gästen schon das Gefühl geben, dass die Kurtaxe auch zweckgebunden eingesetzt wird“, schlägt der Geschäftsführer vor.

In Kreuzwertheim

Anders gestaltet sich die Situation in Kreuzwertheim. Der Stellplatz für Wohnmobile wird immer stärker angefahren. „Wir merken diesen anhaltenden Trend deutlich“, sagt Marzena Malcher. Sie arbeitet in der Bauverwaltung der Gemeinde Kreuzwertheim und ist unter anderem für den Parkplatz am Main zuständig. Von einem Stellplatz will sie nicht reden, denn es gibt keine Stromanschlüsse oder sanitären Einrichtungen. Dennoch ist der Standort immer gut gefüllt, was sicher auch an der sonnigen Lage direkt am Wasser und der schönen Aussicht auf Wertheim liegt. 20 Wohnmobile können dort für maximal zwei Nächte stehen. „Der Platz am Main war schon vor der Pandemie gut besucht. Aber nach Corona haben wir einen regelrechten Hype bemerkt. Und der hält ungebrochen an“, sagt Malcher. So haben in diesem Jahr viele Wohnmobilisten in zweiter Reihe campen müssen. 40 Mobile standen zu Hochzeiten dort. „Wir mussten sogar welche wegschicken“, erzählt die Bauamtsmitarbeiterin. Selbst der weniger beliebte Platz am Wertstoffhof war belegt. Den Ausweich vor dem Wildpark in Schollbrunn habe man deshalb toleriert. Als Ursache für den anhaltenden Trend vermutet Malcher das gestiegene Bedürfnis der Menschen nach Flexibilität und Urlaub in der Natur. Die Camper in Kreuzwertheim kommen überwiegend aus Großstädten wie Würzburg, Frankfurt oder Nürnberg.

In Reicholzheim

Auf dem Platz „Forelle“ nahe Reichholzheim direkt an der Tauber hat die starke Nachfrage nach einem Campingplatz im Vergleich zum Vorjahr ebenfalls etwas abgenommen, meint Gerlinde Speier. Sie betreibt seit Jahren gemeinsam mit ihren Mann den Platz. „In den vergangenen zwei Jahren hatten wir wirklich viele Anmeldungen. Das war echt harte Arbeit“, erinnert sie sich. In dieser Saison habe sich das Niveau dann wieder auf ein Normalmaß eingependelt. So zählt man auf dem Campingplatz „Forelle“ neben 35 Dauercampern rund 80 Durchgangscamper.

Als Ursache für den leichten Rückgang vermutet Gerlinde Speier, dass einige „Neucamper“ aufgegeben haben, nachdem das Reisen wieder ungehindert möglich ist. Obwohl der Platz seit 1. Oktober geschlossen ist, haben die Betreiber derzeit noch alle Hände voll zu tun bis alles wirklich winterfest ist.

In Wertheim

Für den Wohnmobilstellplatz in Wertheim direkt am Main ist die Stadtentwicklungsgesellschaft Wertheim zuständig. Prokurist Achim Kempf hat die aktuellen Zahlen vorliegen. So wurden in diesem Jahr bis Ende September 1527 Tagestickets und 712 Vier-Stunden-Tickets gelöst. Damit lagen die Zahlen über denen des Vorjahres und vor allem auch über denen vor der Pandemie. Kempf erklärt sich die steigende Zahl der Stellplatzbenutzer mit der steigenden Zahl von Wohnmobilen, die vor allem während der Pandemie und kurz danach angeschafft wurden. In Wertheim haben übrigens 54 Fahrzeuge, ausschließlich Wohnmobile, auf rund 5200 Quadratmetern für maximal drei Tage Platz. Auch hier gibt es keinen Stromanschluss.

In Bettingen

Im Campingpark Wertheim-Bettingen stehen rund 73 000 Quadratmeter Fläche mit 120 Plätzen für Wohnmobile und Wohnwägen oder Autos mit Zelt zur Verfügung. Dazu kommt noch eine kleine Zeltwiese, auf welcher Fahrrad- oder Motorradfahrer campen können. Die anhaltende Campingleidenschaft während und nach der Pandemie bestätigt auch Naomi Hügle, Mitarbeiterin im Campingpark. „Weil keine Hotels geöffnet waren und die Menschen sonst keinen Urlaub machen konnten, kauften sich viele einen Wohnwagen oder ein Wohnmobil, um dem Alltag etwas entfliehen zu können. Dieser Trend hielt tatsächlich auch 2023 an. Sehr viele Leute kommen mittlerweile lieber auf den Campingplatz, als ins Hotel zu gehen. Wahrscheinlich liegt das daran, weil man einfach mehr für sich ist, flexibler ist und weil es bedeutend günstiger ist, als in ein Hotel zu gehen oder wegzufliegen“, sagt sie. In dieser Saison zählte man in Bettingen knapp 18 000 Anreisen und rund 30 000 Übernachtungen. Am 1. November wird dann auch in Bettingen das Tor zum Platz geschlossen und damit eine weitere erfolgreiche Saison beendet.

Redaktion Im Einsatz für die Lokalausgabe Wertheim

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