Erneuerbare Energie

Wertheim: Muss Windkraft im Schenkenwald Extra-Runde drehen?

Bis sich die Rotoren am oberen Hang des Mains drehen, wird möglicherweise mehr Zeit vergehen als angepeilt. Bei der Stadt prüft man Wege, um Verzögerungen zu vermeiden.

Von 
Gerd Weimer
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Zu nahe an Rauenberg: Die Planungen für das Windkraftgebiet im Schenkenwald könnten sich verzögern. © FN/Active One

Wertheim. Bis sich die Windkraftanlagen im Schenkenwald drehen, wird möglicherweise mehr Zeit vergehen als ursprünglich angepeilt. Der Regionalverband Heilbronn Franken hat bei einer näheren Überprüfung der Fläche festgestellt, dass sie wegen eines zu geringen Abstands zum Siedlungsgebiet der Freudenberger Ortschaft Rauenberg nicht wie vorgesehen umgesetzt werden kann. Das könnte auch Auswirkungen auf die Finanzplanung im Wertheimer Haushalt haben.

Der Schenkenwald ist eines der Gebiete, auf denen zusätzlich zu den Anlagen bei Höhefeld auf Wertheimer Gemarkung künftig grüner Strom erzeugt werden soll. Weitere Anlagen sind auf einer Fläche in Dertingen an der Landesgrenze geplant, für die es schon seit längerer Zeit eine Zulassung gibt. Ebenso wird ein Gebiet bei Dörlesberg als Teil eines Areals auf Külsheimer Gemarkung ins Auge gefasst.

In dem 340 Hektar großen Waldgebiet wollen nach dem letzten Stand der Planungen des Wertheimer Rathauses sowohl das Fürstenhaus Löwenstein-Wertheim-Freudenberg als auch die Stadt Wertheim selbst Flächen an Betreiber verpachten und entsprechende Einnahmen erzielen. Laut den Plänen, wie sie bei einer Informationsveranstaltung im März in Mondfeld vorgestellt wurden, sind 14 Windräder vorgesehen, jeweils sieben auf kommunaler Fläche und den Grundstücken des Fürstenhauses – drei weniger als technisch möglich. Laut Beschluss des Wertheimer Gemeinderats von September 2023 sollte die Zahl der Anlagen sogar auf acht begrenzt werden, was aber der federführende Regionalverband aus rechtlichen Gründen ablehnte.

Fehlerhafte Datengrundlage bei Abstandsmessung

Jetzt gibt es in Bezug auf das Windkraftgebiet am Hang des Maintals allerdings Schwierigkeiten. Dem Regionalverband ist aufgefallen, dass unter anderem die Distanz zu Rauenberg nicht groß genug ist, um die selbst festgesetzten Kriterien zu erfüllen. Verbandsdirektor Andreas Schumm erklärt auf FN-Anfrage, aufgrund fehlerhafter Datengrundlage habe man „den Siedlungsrand von Rauenberg falsch festgelegt“. Deswegen müsse das Gebiet etwas weiter nach Osten gerückt werden.

Nach FN-Informationen ragt ein kleiner Teil des Rauenberger Sportplatzareals in den maßgeblichen Radius um das Windkraft-Vorranggebiet. Für Rauenberg würde eine „Umfassungsproblematik“ eintreten, so Schumm. Mit den Richtlinien des Regionalverbands will man eine Einkreisung von Siedlungsgebieten verhindern. Dazu dienen sogenannte „Freihaltekorridore im Wirkbereich“ der Windräder, die mit einem Kreis um die Vorrangfläche gekennzeichnet sind. Mit dem geschützten Radius soll die Verträglichkeit für die menschliche Gesundheit gewährleistet werden.

Laut Andreas Schumm gab es bei den Anhörungen zusätzlich „zahlreiche Stellungnahmen aus dem Umland“ unter anderem zum Thema Landschaftsbild, „die wir nochmal prüfen“ wollen. Allerdings erlaubt der strikte Zeitplan des Verfahrens keinen Aufschub. Der Regionalverband muss die Vorranggebiete für Windkraft bis zum 30. September festgelegt haben, um die Steuerungswirkung zu erhalten und die Nutzung auf diese Gebiete zu beschränken. Wird die Frist nicht eingehalten, droht Wildwuchs. Denn dann könnte die sogenannte „Superprivilegierung“ eintreten, die den Neubau von Windenergieanlagen außerhalb der Vorranggebiete ermöglicht. Die Uhr für die planerische Hoheit tickt also unaufhaltsam.

Regionalverband schlägt ein „Annexverfahren“ vor

Vor diesem Hintergrund hat der Regionalverband einen anderen Weg für Areale vorgeschlagen, bei denen es Herausforderungen gibt, die nicht rasch genug gemeistert werden können. Der Weg heißt: Annexverfahren. „Alle Gebiete, zu denen erhebliche, sachlich begründete Bedenken vorgetragen wurden, die zusätzliche Recherche und Abstimmungsbedarf sowie die Prüfung eines Neuzuschnittes oder gar einer endgültigen Streichung nach sich ziehen könnten, werden in das Annexverfahren überführt“, heißt es dazu in der Vorlage für die Verbandsversammlung.

Im Hauptverfahren sollen hingegen die „beschlussreifen Vorranggebiete für regional bedeutsame Windkraftanlagen weitergeführt werden, um diese zügig zur Rechtskraft zu bringen und damit die Steuerungswirkung zu erreichen“. Insgesamt sind 17 der 104 Gebiete (16,3 Prozent) zur Überführung in das Annexverfahren vorgesehen. Die verbleibende Fläche misst rund 10.000 Hektar, was etwa 2,1 Prozent der Regionsfläche (statt ursprünglich 2,6 Prozent) entspricht. Damit ist das zwingend vorgegebene Ziel von 1,8 Prozent immer noch erfüllt.

Wenig Begeisterung im Wertheimer Rathaus

Im Wertheimer Rathaus ist man nicht begeistert von der Entwicklung. „Wir haben sehr viel Arbeit investiert“, sagt Oberbürgermeister Markus Herrera Torrez, der an den umfassen Prozess der Bürgerbeteiligung erinnert. „Es herrscht mittlerweile zwar nicht in allen, aber in vielen Bereichen Konsens, dass im Schenkenwald Windkraft möglich sein soll“, so der Rathauschef. Aus Sicht der Wertheimer Stadtverwaltung stehe auch noch gar nicht fest, dass der Schenkenwald den Umweg des Annexverfahrens gehen muss.

Das Projekt ist vor allem wichtig für den städtischen Haushalt, der die Kosten für die Unterstützung der Notaufnahme des Bürgerspitals stemmen muss. In der mittelfristigen Finanzplanung sind beim Ergebnishaushalt in den Jahren 2027 und 2028 jeweils 1,8 Millionen Euro Einnahmen aus der Windkraft eingeplant. Mit Einnahmen in Millionenhöhe dürfte auch das Fürstenhaus im benachbarten Kreuzwertheim rechnen.

Möglicherweise eigenes Planverfahren

Man verfolge das Verfahren „aufmerksam“, lässt Camillo Khadjavi, der Windkraft-Berater des Hauses, wissen. „Verzögerungen bezüglich der Aufnahme des Schenkenwalds als Windgebiet in den Regionalplan würden wir bedauern“, sagt er. Gleichzeitig begrüße man, „dass die Stadt Wertheim derzeit verschiedene Möglichkeiten prüft, um eine Verzögerung bei der Ermöglichung der Windenergienutzung im Schenkenwald zu vermeiden“.

Zu diesen Möglichkeiten zählt, ein eigenes Verfahren zum Flächennutzungsplan anzugehen. Stichwort: isolierte Positivplanung. Auch damit könnten geeignete Flächen für Windkraft ausgewiesen werden. Diese Methode hat beispielsweise die Stadt Külsheim angewandt, um ein Windkraft-Projekt nördlich des Gickelfelds relativ zügig umzusetzen. Markus Herrera Torrez sagt, die Stadt sei in Gesprächen mit dem Regionalverband und dem Regierungspräsidium, um zu prüfen, wie man schnell vorankommt. Sollte es so zu Verzögerungen kommen, „geht davon auch die Welt nicht unter“. Letztlich würden die Anlagen ja nicht kürzer in Betrieb sein. Nur die Einnahmen flössen später.

Redaktion Reporter Wertheim

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