Gemeinschaft

Wertheim: Abschiedsfeier von Rotkreuzklinik mit Wut im Bauch

Ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wollten trotz der bitteren Insolvenz ihres Krankenhauses noch einmal gemeinsam krachen lassen

Von 
Birger-Daniel Grein
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Wertheim. Ganz in Schwarz feierte das Personal der ehemalige Rotkreuzklinik Wertheim am Freitagabend im Arkadensaal Abschied von seinem Krankenhaus. Die Wut- und Enttäuschung über die Schließung – und was dieser voraus ging – sitzt noch tief.

Wertheim. Den Teilnehmenden ging es um Gemeinschaft und um Gemeinsamkeit. Genau das war der Grund, warum rund 150 ehemalige Bedienstete der Rotkreuzklinik Wertheim zusammen Abschied nehmen wollten. Deutlich spürbar war dabei die Verbundenheit der Mitarbeiter über alle Klinikbereiche hinweg.

Gemäß der Einladung dominierte beim Fest das „freundliche Schwarz“, teils mit Trauerbekundungen für das Klinikende. Gar nicht traurig war hingegen die Stimmung. So motivierte die Band „Brick und Band“ zum Tanzen. Sie engagierten sich, wie auch ihr Techniker und alle weiteren Helfer des Abends, ehrenamtlich. Sängerin der Band ist Simone Brick. Sie hatte zusammen mit Chirurg Dr. Stephan Vögeli die Feier organisiert.

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hpw
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„Die Idee entstand zwischen zwei OPs“, sagte Brick, die zum OP-Team der Klinik gehörte. „Wir als Belegschaft möchten auf neutralem Boden mit Würde Abschied nehmen “, sagte sie. Einige aus der Belegschaft wären bereits bei anderen Arbeitgebern, manche seien wegen der psychischen Belastung der Situation in den vergangenen Monaten auch im Krankenstand gewesen. Auch von diesen wollte man sich bei der Feier verabschieden.

Viele ehrenamtliche Unterstützer

Nach zehn Monaten Kampf und allen möglichen Hinhaltetaktiken, wolle man nicht sang- und klanglos nach Hause geschickt werden, nannte Brick eine weitere Motivation für das selbst organisierte Fest der Belegschaft. Auf Anfrage von Dr. Vögeli habe Oberbürgermeister Markus Herrera Torrez sofort zugesagt, den Arkadensaal kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Dank zollte sie auch dem Helferteam aus der Wertheimer Bevölkerung. Jule Kellner hatte in den Sozialen Medien zur Unterstützung der Feier aufgerufen. Viele hatten sich daraufhin bereiterklärt am Buffet und Getränkeausschank zu helfen.

Zu ihnen gehörte auch Patrick Christ. „Wir wollen den Mitarbeitern noch einmal einen unvergesslichen Abend ermöglichen – trotz des negativen Ausgangs für das Krankenhaus“, erklärte er. Simone Brick freute sich, dass so viele Helfer gekommen waren, die mit den Mitarbeitern mitfühlen und ihnen etwas zurückgeben wollten.

Der Tontechniker der Band, Ralf Kimbacher, berichtete, das Wertheimer Krankenhaus habe seinem Vater gleich zwei Mal innerhalb eines halben Jahres das Leben gerettet, einmal bei einem Schlaganfall und einmal bei einer lebensbedrohlichen Herzerkrankung. „Ich bin sehr dankbar und will dem Personal etwas zurückgeben.“ Es sei ihm eine Ehrensache und sehr wichtig, das Abmischen für seine Band am Abend ohne Gage zu übernehmen.

Vögeli berichtete im Gespräch mit den Fränkischen Nachrichten, dass zwischen 70 und 80 Prozent der Mitarbeiter des Krankenhauses schon andernorts engagiert worden seien. Für die jüngeren, mobilen Leute sei die Umstellung auf einen anderer Arbeitsort allerdings leichter zu bewerkstelligen als für ältere.Wichtig war Organisatoren und Unterstützern, dass für die Feiernden alles kostenfrei blieb.

Dankbar zeigte man sich hier für großzügige Spenden. Die Fördergesellschaft der Rotkreuzklinik Wertheim hätte aufgrund ihrer Satzungsregelungen nichts für die Feier spenden dürfen. Deren Vorsitzende Elisabeth Fürstin zu Löwenstein-Wertheim-Freudenberg habe jedoch aus ihren Privatschatulle 2000 Euro für die Abschiedsfeier gespendet. Eine weitere große Spende kam von Dr. Sandra Rückert. Dafür sprach das Organisationsduo seinen Dank aus.

Zum Abend sagte Vögeli, dass die Stimmung zwar gelöst gewesen sei, dennoch herrsche ein ganz großer Zorn. Die Mitarbeiter fühlten sich verraten und allein gelassen von Politik, Schwesternschaft und Insolvenzverwalter. Bei der Feier war auch der große Zusammenhalt der Mitarbeiter spürbar.

„In so einem kleinen Krankenhaus sind wir als Personal wie eine Familie“, so Vögeli. Die Arbeitsstelle sei auch eine Plattform für soziale Kontakte gewesen. Viele Kolleginnen und Kollegen hätten ihre Freizeit zusammen verbracht. Brick ergänzte, es herrsche eine total coole Stimmung, sie sehe nur lächelnde Gesichter, die sich über die Idee der Feier freuen.

In seiner kurzen Ansprache zollte Vögeli zahlreichen Menschen Dank: Den Mitarbeitenden für deren Engagement, den Zusammenarbeit sowie den Einsatz zum Erhalt der Klinik. „Ihr wart einfach großartig“, rief er ihnen zu. Dank sprach er auch den niedergelassenen Ärzten, dem Aktionsbündnis zur Rettung des Krankenhauses, dem Förderverein und allen weiteren Unterstützern der Klinik beim Kampf um deren Erhalt aus.

Verärgert stellte er fest, dass die Mitarbeiter im öffentlichen Gesundheitswesen der Spielball von ineffizienten Trägern und Gesundheitspolitik gewesen seien. „Wir sind ein Bauernopfer von Lauterbachs Klinikreform. Danke für nichts“, so Vögeli.

Walter Scheurich, Kassier der Fördergesellschaft, überbrachte die Grüße der Fürstin. Diese danke allen für ihre Arbeit, ihre Loyalität und ihr Pflichtbewusstsein auch in den schwierigen Zeiten des Krankenhauses. Dafür spreche sie Respekt aus. Die private Unterstützung der Feier sei für die Fürstin ein Zeichen ihrer Wertschätzung. Den Mitarbeitern wünschte Scheurich alles Gute für ihre Zukunft.

Feuershow zu später Stunde

Zu später Stunde gab es noch eine zusätzliche Überraschung für die Gäste: Die Truppe „Caldera Feuershow“ aus Dorfprozelten kam in voller Besetzung und bot den Gästen eine mehr als eindrucksvolle Feuershow vor der Kulisse der historischen Rathausmauern. Ein Mitglied dieser Truppe war ebenfalls OP-Mitarbeiter der Rotkreuzklinik und setzte mit dieser ebenfalls kostenfreien fantastischen Darbietung noch einen zusätzlichen Höhepunkt.

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