Wertheim. „Es war an der Zeit, dass eine Frau Ehrenbürgerin wird“, sagte Wertheims Oberbürgermeister Markus Herrera Torrez. Ihm oblag nicht nur die Begrüßung der zahlreichen Gäste, sondern auch die Verleihung der Ehrenbürgerinnenwürde an Renate Gassert.
„Was macht einen Bürger zu einem Ehrenbürger“? Dieser Frage ging er in seiner Ansprache nach und kam zu dem Schluss: Dem Grunde nach könne sie eigentlich jeder und jede erlangen. Neben der Erfüllung der Bürgerpflicht, einem Einsatz zu Gunsten der Stadt, der Menschen oder der Kultur und dem Ausfüllen von Ämtern, zählt für Torrez aber vor allem, dass der oder die Geehrte ein gut geerdeter Mensch ist; jemand, der viel mehr tut, als er müsste; das Wohl der Stadt nachhaltig zum Guten verändert und bescheiden bleibt, ohne die Würdigung seiner Person anzustreben. Für ihn ist Renate Gassert so ein Mensch. „Ein Mensch, der sich für andere Menschen mit ganzen Herzen einsetzt; ein Mensch, der anderen Menschen, die eine neue Heimat gefunden haben, an die Hand nimmt und ihnen hilft; eine Frau, die anderen Frauen auf ihrem Weg Unterstützung gibt und ihnen als Vorbild dienen kann; eine Kommunalpolitikerin mit Herz und Verstand – sei es im Stadtteilbeirat Wartberg, im Gemeinderat, im Kreistag oder in der Verbandsversammlung des Regionalverbandes Heilbronn-Franken; engagiert in der evangelischen Kirche auf vielen Ebenen und in vielen Ämtern und darüber hinaus aber auch noch eine Ehefrau, eine Mutter, eine Oma und seit kurzer Zeit sogar eine Ur-Oma. Und ab heute also eine Ehrenbürgerin.“
Herrera Torrez skizzierte ihren Lebensweg in einem kurzen Abriss und erinnerte stellvertretend an zwei große Projekte, an der Renate Gassert maßgeblich beteiligt war. „Ob sie das nun will oder nicht: Renate Gassert ist ein Vorbild“, so Herrera Torrez. „Frauen sollen sich mehr zutrauen. Sie können – mindestens – genauso viel wie die Männer“, zitierte er Gassert unter aufbrandendem Applaus.
Emotional wurde es, als der Oberbürgermeister einen Brief von Renate Gasserts Nichte Susanne aus Australien verlas, der mit den Worten „Liebe Daddi...“ begann.
Auch Dekanin Wibke Klomp wartete als Laudatorin mit sehr persönlichen Erinnerungen an die ersten Begegnungen mit Renate Gassert auf und berichtete, wie Gassert als stellvertretende Vorsitzende im Hauptausschuss der Landessynode sehr charmant, aber gleichzeitig auch sehr bestimmt „Nein“ sagen konnte. „Präzise, klar und ohne Furcht und mit viel, viel Herz – so habe ich Renate Gassert kennengelernt – als Christin tief aus dem Glauben heraus engagiert für die Menschen, die sie vor Augen hat“, so Klomp.
„Kann die das?“
Wie nah Renate Gassert die Worte gingen, merkten die Gäste, als sie zu Beginn ihrer Rede mit zittriger Stimme sprach. Sehr herzlichen und zustimmenden Applaus gab es, als die frisch gebackene Ehrenbürgerin von ihren Anfängen im Gemeinderat erzählte, und wie man ihr den Mund verbieten wollte. Ihre Antwort: „Fürs Schweigen haben mich die Leute nicht gewählt.“
Auf ihrem Lebensweg begleitet hat die erste weibliche ehrenamtliche stellvertretende Oberbürgermeisterin in Wertheim auch die mehrfach gestellte Frage: „Kann die das?“ Gassert erinnerte sich noch lebhaft an die Antwort des damaligen Landrats Georg Denzer, der die in den Raum geworfene Frage ebenfalls gehört hatte: „Und ob die das kann!“. Rückblickend sagt Renate Gassert: „ Es waren interessante, Horizont erweiternde Jahre, die stets von gegenseitiger kollegialer Wertschätzung geprägt waren.“ Ihre Dankbarkeit wolle sie und ihre Familie ausdrücken, indem sie im Namen ihres Urenkels für die neue „Soziale Mitte“, einer Herzensangelegenheit von Gassert, einen Baum spenden. Umsichtig wie die neue Wertheimer Ehrenbürgerin immer war, dankte sie am Ende nicht nur den Anwesenden, den Laudatoren und den beiden Musikerinnen, sondern auch dem Hausmeister ihrer ehemaligen Wirkungsstätte.
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