Wirtschaft

Schuller-Projekt stößt auf Skepsis

Nachbargemeinden befürchten mehr Emissionen von giftigen Schadstoffen

Von 
Gerd Weimer
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Gegen die neue Produktionslinie bei Schuller gibt es Bedenken wegen der Abgase. Das Unternehmen nimmt Stellung. Die Antragsunterlagen liegen mittlerweile aus.

Wertheim. Die Glasfasermatten aus dem Hause Schuller sind auf dem Weltmarkt sehr begehrt. Das Bestenheider Unternehmen, das zum Johns-Manville-Konzern gehört, möchte eine weitere Fertigungslinie einrichten, um die Produktion um 36 Prozent steigern zu können. Es wäre die mittlerweile vierte Linie. Schuller hat deswegen beim Regierungspräsidium (RP) Stuttgart eine „immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigung“ für Errichtung und Betrieb der neuen Anlage gestellt. Dazu gehört unter anderem eine Abluftreinigungsanlage samt eines 37 Meter hohen Schornsteins.

Das RP hat die Antragsunterlagen öffentlich zugänglich gemacht. Interessierte können den dicken Leitz-Ordner noch bis zum 23. November nach vorheriger Terminvereinbarung im Wertheimer Rathaus einsehen. Sollten Einwendungen erhoben werden, entscheidet das RP, ob es einen Erörterungstermin geben wird. Dieser würde am 31. Januar nächsten Jahres im Arkadensaal der Stadt Wertheim stattfinden.

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Indes gibt es bereits Einwendungen gegen das Projekt: von den Nachbargemeinden Kreuzwertheim und Hasloch. Wie berichtet, haben sich die Gemeinderäte beider Kommunen einhellig gegen das Vorhaben ausgesprochen. Es sind vor allem die Abgase, die dort Kopfzerbrechen bereiten.

Eigentlich sorgen die Glasfasermatten für gute Luft. „Bei diesem Produkt handelt es sich um eines unserer Top-Materialien“, erläutert Johns-Manville-Pressesprecher Martin Kleinebrecht. Es werde „weltweit als hoch-effizientes Filtermedium in Taschenfiltern von Lüftungsanlagen für industrielle, gewerbliche und private Anwendungen eingesetzt“.

Die Filter „verbessern die Luftqualität und den Komfort von Innenräumen“, so Kleinebrecht. Auch im Reinraumbereich fänden sie ihren Einsatz. Der Markt für diese Anwendung sei auch dank der hervorragenden Arbeit der Filterhersteller stark gewachsen und werde das „unserer Einschätzung nach auch weiterhin tun“. Johns Manville besitze großes Know-how in der Produktion und Weiterentwicklung. Da die Kapazitätsgrenze erneut erreicht worden sei, habe man sich zum Bau einer neuen Produktionslinie entschlossen“, erläutert Kleinebrecht.

„Die tricksen“

In den bayerischen Nachbargemeinden legt man ebenso Wert auf saubere Luft. Die neue Produktionsanlage bei Schuller würde allerdings nicht dazu beitragen, heißt es dort. Der Kreuzwertheimer Bürgermeister Klaus Thoma, der nach eigenen Angaben die Unterlagen selbst durchgearbeitet hat, bemängelt vor allem, dass im Genehmigungsantrag keine Angaben zur Belastung durch die Schuller-Produktion insgesamt gemacht werden, sondern nur für die neue Anlage. Schon jetzt würden Feinstaub, Formaldehyd, Amoniak und viele andere Schadstoffe „in erheblichen Mengen“ freigesetzt. Deshalb sei eine Bewertung der Gesamtbelastung „unbedingt notwendig“. „Die tricksen ein bisschen, und das ärgert mich“, sagt Thoma.

Einige der emittierten Schadstoffe, wie zum Beispiel Feinstaub und Formaldehyd, seien schon lange Zeit als gesundheitsgefährdend, ja sogar krebserregend eingestuft. Es habe zwar Emissionsuntersuchungen gegeben, allerdings nicht in Kreuzwertheim oder Röttbach. „Man hat nur gemessen, wo man wollte“, bemängelt er. Seine Gemeinde und auch die Wertheimer Innenstadt seien aufgrund der Hauptwindrichtung besonders von dem Schadstoffausstoß betroffen – möglicherweise noch stärker als Bestenheid selbst, weil der sehr hohe Schornstein die Abgase weiter weg transportiere. Darüber hinaus werde in dem Antrag ausgeführt, dass nach Errichten der Anlage nur alle drei Jahre gemessen werden solle. Eine permanente Überwachung der Luftqualität finde nicht statt, vermutlich aus wirtschaftlichen Gründen. Mindestens sei eine jährliche Messung notwendig.

Der Haslocher Gemeinderat stützte sich bei seiner Einschätzung auf die Expertise des Gemeinderatsmitglieds Gerhard Rüster, der sich früher beruflich mit Emissionen befasste. Auch Rüster kritisiert, dass es keine Gesamtbetrachtung zum Schadstoffausstoß bei Schuller gebe. Bei seinen Recherchen stieß Rüster auf ein Gutachten des damaligen Zentrums für Umweltmessungen, Umwelterhebungen und Gerätesicherheit (UMEG) Baden-Württemberg aus dem Jahr 2003.

Werte wie in der Großstadt

Die UMEG hatte in einem Messzeitraum von Juli 2002 bis Februar 2003 an zwei Standorten in Hasloch und einem in Bestenheid die Formaldehyd-Konzentration gemessen. Die Messwerte lagen demnach vor allem in den Wintermonaten in der Spitze bei 53,2 Mikrogramm pro Kubikmeter, an vielen Wintertagen deutlich über 15 Mikrogramm.

Diese Werte ließen sich mit Daten im Zentrum von Großstädten vergleichen. Damals sei aber noch nicht einmal die dritte Produktionslinie bei Schuller in Betrieb gewesen. Die kam erst 2015.

Bei Schuller kann man die Aussagen aus Kreuzwertheim und Hasloch „nicht nachvollziehen“. „Wir haben vor dem Hintergrund der Investition in die neue Produktionslinie entsprechende Emissionsprognosegutachten von einem zertifizierten Gutachter durchführen und im weiteren Planungsverlauf aktualisieren lassen“, nimmt Sprecher Martin Kleinebrecht Stellung. Es seien für die Stoffe, für welche sich wegen des Projekts „nicht irrelevante Zusatzbelastungen“ ergeben, eine konservative Betrachtung der Emissionen des gesamten Werks durchgeführt worden.

Diese umfangreiche Betrachtung sei „elementarer Bestandteil des Genehmigungsantrages, um den Schutz von Menschen und Umwelt sicherzustellen“. Die vorliegenden Untersuchungsergebnisse für die Änderung der Anlage zeigten, dass auch nach Realisierung des Vorhabens „keine bedenklichen oder gesundheitlichen Belastungen im Umfeld unseres Werkes in Wertheim auftreten werden“, versichert Kleinebrecht.

Man werde wie in der Vergangenheit „natürlich alle erforderlichen Emissionsmessungen gemäß den erteilten Genehmigungen durchführen und an das RP berichten“, so der Sprecher weiter. Die Fragen aus Hasloch und Kreuzwertheim, die vom RP an das Unternehmen weitergeleitet wurden, habe man bereits gewissenhaft dem RP gegenüber beantwortet.

Grenzwerte sollen sinken

Die Diskussion um den Schadstoffausstoß bei Schuller dürfte in den nächsten Wochen nicht abreißen. Möglicherweise wäre es hilfreich, die Bevölkerung weitergehend zu informieren, wie es kürzlich der Bestenheider Jochen Müssig in einem offenen Brief an Oberbürgermeister Markus Herrera Torrez angeregt hat.

Eine Frage Müssigs hat Schuller-Sprecher Kleinebrecht mittlerweile gegenüber den FN beantwortet: In den Unterlagen hat das Unternehmen eine Absenkung der Emissionsbegrenzungen beantragt, was widersprüchlich wirke, so Müssig. „Bei vielen Emissionen liegen wir schon heute – und selbstverständlich auch nach der Investition – deutlich unter den heute geltenden Grenzwerten“, so Kleinebrecht.

Daher habe man eine Absenkung auf realitätsnähere Werte beantragt, erklärt er.

Redaktion Reporter Wertheim

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