Bronnbach. Um einen "schrecklichen und erbarmlichen Casus", wie es in den Quellen heißt, geht es im heutigen Beitrag aus der Reihe der "Bronnbacher Archivalien".
Dabei steht im Blickfeld ein Verbrechen, das sich damals dem menschlichen Begreifen vollkommen entzog. Ein Vergehen, auf das man nicht mit Psychologie, sondern mit der zeittypischen Grausamkeit reagierte.
Hans Bauer wurde auf besonders schreckliche Weise in einem mehrstufigen Verfahren hingerichtet, das mit dem Einsatz glühender Zangen auf dem Wertheimer Marktplatz begann. Sein Verbrechen: Er hatte seine beiden Söhne getötet, fünf und acht Jahre alt.
Die Kehle abgeschnitten
Es war am "heiligen Christtag" (1. Weihnachtsfeiertag) 1601, als Hans Bauer in Niklashausen "in Vergessung väterlicher und ehelicher Lieb und Treu seine mörderische Hand an seine zwei leibliche Söhnlein gelegt", ihnen beiden mit einem Messer die Kehle abgeschnitten "und sie also verzappeln lassen".
Danach wollte er seiner kranken Frau die Gurgel durchschneiden, indem er ihr das Messer mit einem Ruck über den Hals zog. Bauer glaubte, auch seine Frau getötet zu haben. Sie war aber nur "geritzt".
"Kein Leben mehr dagewesen"
Bauer versteckte sich, wurde aber bereits am 27. Dezember gefunden, festgenommen und nach Wertheim gebracht. Er stritt nichts ab. Aussage Hans Bauer: "Er sei in seiner Stuben umbgangen. Wer ihm ein wunderbarlicher Sinn ankommen, als müßt er, sein Weib und Kinder sich morgenden Tags hinweg führen lassen. Sei auch in dem Sinn hingelaufen, die Fenster ausgeschlagen und darnach die Tat begangen. Und als er die Kinder schon verletzet und gestochen, sei er nachgehends aus Reu wider zu ihnen gangen und die Wunden zudrücken wollen. Sei aber kein Leben mehr dagewesen." Es wird vermerkt, dass Bauer sich bei seiner Aussage "mit Gebärden und anderm gestellt, als wenn er nit wohl bei Sinnen." Man unterstellt ihm aber, dies nur zu seiner Rettung vorzuspielen, während er bei der Tat bei Verstand war.
Pfarrer hat's schon immer gewusst
Es wurden auch Aussagen von Niklashäusern aufgenommen, um herauszufinden, was der Bauer für einer war und wie es zu der Tat hatte kommen können. Der Pfarrer von Niklashausen hat schon immer gewusst, dass es mit dem Bauer kein gutes Ende nehmen würde. Früher betrieb der einmal eine Wirtschaft, dann ist er ins Spielen gekommen und hat sich "dem bösen Feind angewünschet".
Vom Streit mit dem Weib hat der Pfarrer nichts gehört, auch mit den Nachbarn soll alles glatt gelaufen sein. Nur im Gottesdienst ist der Bauer kaum gewesen und hat Gott gelästert. Der Frau muss es schlecht gegangen sein: Sie hat den Pfarrer und das Sakrament verlangt, was Bauer aber so lange hinausgezögert hat, bis der Pfarrer wegen "verrückten Verstands" bei ihr nichts mehr ausrichten konnte.
Auch der Schultheiß von Niklashausen weiß nichts von Streit zwischen den Eheleuten zu berichten. Die Frau war aber keine gute Haushälterin, sagt er. Der Bauer hatte einmal einen Tag lang den Kopf zugebunden, sonst sind dem Schultheiß keine Krankheiten bekannt.
Mit den Bauers im Haus wohnt noch eine Frau Zimmermann, eine Ledige mit einem Hurenkind, dessen Vater der Kronenwirt Schätzlein aus Tauberbischofsheim sein soll. Hans Hörner ist am Tag der Tat an Bauers Haus vorbeigekommen. Er hört Bauer rufen: "Komme herein, komme herein," aber als er hineingehen will, winkt Bauer ihm mit zusammengelegten Händen und schreit: "Bleib draußen, bleib draußen."
"In höchster Vergessenheit"
Eine Erklärung ergaben die Untersuchungen nicht. Das Verbrechen war aus heiterem Himmel geschehen, niemand hatte es kommen sehen. Für das Urteil spielte das keine Rolle, denn stritt Bauer seine "jammerliche Mordtat" nicht ab.
So erging am 22. Januar 1602 das Urteil des Peinlichen Halsgerichts Wertheim: Bauer hat in "höchster Vergessenheit" und gegen die selbst den Tieren eingepflanzte Kindesliebe seine Söhne Hans und Martin vorsätzlich mit einem Messer getötet. Er wird zum Tod durch das Rad mit "Verstoßung seiner Glieder" verurteilt. Vor der Tötung soll er "mit glühenden Zangen gerissen werden".
Ein Gulden fürs Ohrenabschneiden
Im Anstellungsvertrag eines Scharfrichters aus dem Jahr 1609 ist der Lohn festgehalten, den er für die Ausübung seines Handwerks erhielt.
Das Binden von Gefangenen machte er umsonst, für Prangerstellen (der Wertheimer Pranger befand sich am Marktplatz, Ecke Maingasse) bekam er ebenso einen Gulden wie fürs Handabschlagen und Ohrenabschneiden. Auch Foltern und Staupenschlagen waren einen Gulden wert. Hinrichtung mit dem Schwert: drei Gulden, mit dem Strang: drei Gulden, mit dem Feuer: fünf Gulden, mit dem Rad: fünf Gulden.
Das Rädern war die teuerste Form der Hinrichtung. Der Scharfrichter brach dabei dem Verurteilten mit einem Wagenrad Unterschenkel, Knie und Oberschenkel, dann die Arme und schließlich den Brustkorb. Dann flocht man den (meist bereits toten) Delinquenten aufs Rad.
Foltermethoden
Vor dem Rädern wurden weitere Foltermethoden angewandt. Die Richter hatten das "Reißen mit glühenden Zangen" vorgesehen. Es kam tatsächlich zum Einsatz. Der Stadtschreiber vermerkte nach der Hinrichtung, dass der "Eingriff" mit den glühenden Zangen in die linke Brust mitten auf dem Marktplatz in Wertheim geschehen sei, in die rechte Brust "bei der alten Zent vor der Stadt" und das eigentliche Rädern an der gewöhnlichen Gerichtsstatt, vermutlich beim Galgen.
Kostenaufstellung
Wie meist bei Verwaltungsvorgängen in diesen Jahren, folgt in den Akten noch eine Kostenaufstellung. Wagner und Schmiede aßen und tranken für 14 Gulden, als sie das Rad herstellten. Für zwei Zangen "und einen Sturmhut, darinnen die Zangen gewärmet worden", berechnete Schmied Christoph Schlessmann einen Gulden. Der Scharfrichter erhielt fünf Gulden: Einen für die Folter beim Verhör, einen, um den Verurteilten "mit dem Pferd vor das Gericht zu führen" und drei Gulden, um "mit dem Rad zu richten". Alles in allem entstanden für die Hinrichtung des unglücklichen Hans Bauer Kosten von fast 60 Gulden.
Die Niklashäuser schlugen schließlich vor, seinen Besitz zu verkaufen und den Betrag daraus zu begleichen. Seine Frau heiratete noch 1601 erneut. Kinder, die etwas hätten erben können, gab es nicht mehr.
URL dieses Artikels:
https://www.fnweb.de/orte/wertheim_artikel,-wertheim-schrecklich-und-erbarmlich-_arid,410644.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.fnweb.de/orte/wertheim.html