Wertheim. Bürgerinnen und Bürger Bestenheids sowie der Nachbargemeinden Kreuzwertheim und Hasloch haben Sorgen hinsichtlich der Auswirkungen der von der Wertheimer Firma Schuller (Johns Manville) geplanten „Air Media Linie 4“ samt Nebenanlagen auf Mensch und Umwelt. Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens gemäß dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) für die neue Anlage zur Fasermattenherstellung fand am Dienstagvormittag der öffentliche Erörterungstermin des Regierungspräsidiums (RP) Stuttgart im Wertheimer Arkadensaal statt.
Insgesamt waren vier Einwendungen eingegangen, zwei von Privatpersonen und je einmal von der Marktgemeinde Kreuzwertheim und der Gemeinde Hasloch. Zudem gab es Anmerkungen aus der Anhörung der Behörden. Die Erörterung erfolgte nach Themenschwerpunkten. Wer eine schriftliche Eingabe vorgelegt hatte, durfte nun diese auch ausführen und Fragen stellen.
Der Bestenheider Jochen Müssig betonte einleitend, er sei nicht gegen das Vorfahren. Aber es gebe gewisse Sorgen bei den Bürgern. Seine Fragen betrafen unter anderem die Messpunkte für Lärm und Luftimmissionen. Zudem wollte er wissen, wo Bürger die Messwerte einsehen können.
Messpunkte
Weiter erklärte er in seiner Stellungnahme: „Die Messung der Abluft, die übelriechend und wohl auch mit chemischen Stoffen belastet ist und immerhin 150 000 Kubikmeter pro Stunde Volumina umfasst, sollte verbindlich durch ein externes Fachunternehmen/Institut oder das Gewerbeaufsichtsamt durchgeführt werden.“ Sie solle am Schornstein und in den zum Unternehmen benachbarten Straßen erfolgen. Die Messpunkte für Luft sollten im Bürgerdialog festgelegt und die Messungen jeweils veröffentlicht werden.
Ein weiterer Punkt seiner Anfrage betraf den zunehmenden Lkw-Verkehr infolge einer 35-prozentigen Produktionssteigerung bei der Fasermattenherstellung sowie die Verkehrssteigerung durch die mindestens 25 neuen Mitarbeitenden für die Anlage. Kritisch hinterfragte Müssig zudem die Nutzung der Wetterwerte der Wetterstation des Deutschen Wetterdienstes für das Windmodell. Dabei verwies er auf die Lage von Bestenheid im Maintal mit entsprechenden besonderen Wetterlagen. Man müsse beachten, dass Walldürn 416 Meter hoch auf einer Hochebene ohne Flussklima liege. „Bestenheid liegt 155 Meter in eine Flusstallage.“
Die Gemeinden Kreuzwertheim und Hasloch hatten ihre Stellungnahmen in den jeweiligen Gemeinderäten beschlossen. Beide Kommunen kritisierten, dass auf eine kontinuierliche Messung des Schadstoffausstoßes verzichtet werde und dies auch bei „Linie 4“ der Fall sein werde.
Haslochs Bürgermeister Wolfgang Haarmann erklärte, sein Gemeinderat fordere eine unabhängige Überwachung des Ausstoßes. Auch er und Kreuzwertheims Bürgermeister Klaus Thoma verwiesen auf die besondere Lage im Talkessel. Weiter betonte Haarmann, dass Schallmessungen zu verschiedenen Zeiten im Jahr nötig seien, da die Belaubung Schallauswirkung verringere. Auch die Gemeinden hinterfragten das Windmodell kritisch.
Müssig verwies zudem auf die Geruchsbeeinträchtigung für Bestenheid und den gelben Niederschlag, den Bürger im Jahresverlauf an ihren Fenstern feststellten: „Es geht um die generelle Situation, die vom Unternehmen mit verursacht wird.“ Schuller solle überlegen, neben Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben den Bürgern etwas zugutekommen zu lassen.
Allen Verfassern von Eingaben war zudem das Thema „Transparenz“ wichtig. Zu den Luftschadstoffen wurden auf die Ergebnisse der Gutachten verwiesen. Danach sei nicht mit einer spürbaren Zunahme der Gesamtimmission zu rechnen, wurde betont.
Auf das Thema „Lärm“ ging Jochen Sperber vom Unternehmen Müller-BBM ein. Grundlage sei ein Modell, in das unter anderem die vor vier Jahren erfolgte komplette messtechnische Erfassung aller Lärmquellen auf dem Unternehmensgrundstück eingingen, die Messwerte der bestehenden drei „Air Media“- Anlagen sowie Messungen ab einem baugleichen Filterungssystem. Die Berechnungen erfolgten gemäß den rechtlichen Vorgaben. Berücksichtigt wurden fünf Immissionsorte in direkter Ausbreitungsrichtung ohne Hindernisse. Als Messpunkte zur Bestimmung gelten in Bestenheid zwei am Kiesweg (Mischgebiet und allgemeines Wohngebiet), an der Taunusstraße sowie an der Kreuzwertheimer Straße und am Oberen Weinbergweg in Hasloch.
Freiwillige Leistung
Vonseiten des RP Stuttgart hieß es, maßgeblich für die Genehmigungsprüfung seinen die rechtlichen Vorgaben. Eine Bürgerbeteiligung zur Festlegung wäre eine freiwillige Leistung des Antragstellers.
Hinsichtlich aller Messwerte wurde erklärt, dass diese gemäß des Umweltinformationsgesetzes von Bürgern beim RP erfragt werden können.
Seitens des Unternehmens wurde betont, die Messwerte für Abgase gebe man den Mitarbeitern bekannt. Ob man sie selbst veröffentlichen werde, prüfe man aufgrund des im Verfahren geäußerten Wunschs, so Alexander Ückert, Werkleiter von Schuller Wertheim.
Was den Verkehr betrifft, hieß es, Lkw-Zufahrten gebe es nur tagsüber. Die Produktionssteigerung erfordere durchschnittlich einen Lkw pro Tag mehr. Hinsichtlich der Pkw erklärte Ückert, die 25 Mitarbeiter teilten sich auf fünf Schichten auf.
Zum Windmodell erklärte Michael Kortner (Müller-BBM), man müsse hier von oben nach unten bei der Modellerstellung gehen. Daher greife man auf die Daten der Station in Walldürn zurück.
Beim Erörterungstermin notiert
Beim Erörterungstermin zur Genehmigung der neuen „Air Media Linie 4“ der Wertheimer Firma Schuller (Johns Manville) wurden noch folgende Themen angesprochen:
Der Bestenheider Jürgen Müssig hatte in seiner Eingabe das Regierungspräsidium Stuttgart (RP) gebeten zu prüfen, ob durch schädliche Luftemissionen der Schuller GmbH in Bestenheid auffällige Krankheitsbilder bestehen. Das RP hat dazu beim Landesgesundheitsamt eine Stellungnahme angefordert. In dieser hieß es, dem Gesundheitsamt liegen keine Hinweise darauf vor.
Ein weiterer privater Einwender wurde der Wunsch geäußert, die Schadstoffe, die insgesamt bei der Produktion der Firma Schuller ausgestoßen werden, weiter zu reduzieren und auf umweltverträgliche Rohstoffe umzusteigen, wo dies möglich ist. Wie das Unternehmen erklärte, arbeite man daran, wo es möglich ist. Es werde nur so viel des entsprechenden Materials eingesetzt, wie für die Produktion erforderlich ist.
Von den Gemeinden Hasloch und Kreuzwertheim kam die Frage, was bei Überschreitung von Grenzwerten beim Schadstoffausstoß mit den Anlagen passiere. Grenzwertüberschreitungen werden laut Schuller dem RP gemeldet und die Ursache werde behoben. Zudem seien technische Maßnahmen vorgesehen, die die Anlage abschalten, wenn etwa der Abgasfilter ausfällt.
Weiterer Kritikpunkt war, dass keine kontinuierliche Messung des Abgasstroms der „Air Media“-Anlagen auf Schadstoffe erfolge. Man prüfe immer wieder, ob es dafür eine Möglichkeit gebe, so das Unternehmen. Das RP Stuttgart bestätigte, dass in diesem Fall auf eine kontinuierliche Messung verzichtet werden könne. Die Messung des Abgasstroms erfolge aktuell alle sechs Monate durch externe Institute.
Gefragt wurde durch die Stadt Wertheim, ob auch die Abgasfilterung der bestehenden drei „Air Media-Anlagen erneuert wird. Laut Schuller ist dies nicht geplant. Diese seien auf dem Stand der Technik und hielten die Grenzwerte ein oder unterschritten diese oft sogar deutlich. Generell sei man bestrebt, dass die Anlagen auf dem neusten technischen Stand sind. Die Maßnahmen müssten aber wirtschaftlich sein. Vom RP hieß es, auch die Behörde prüfe, ob die bestehenden Anlagen dem Stand der Technik entsprechen.
Von der Gemeinde Hasloch wurde gefordert, vor der endgültigen Genehmigung eine unabhängige Messung durch das Zentrum für Umweltmessungen, Umwelterhebungen und Gerätesicherheit Baden-Württemberg (UMEG) vornehmen zu lassen, da die Belastung durch den Schadstoffstrom schon jetzt bedenklich sei.
Die Bürger kritisierte mit Blick auf den Klimawandel die Abgastemperatur von 50 Grad Celsius. Laut Schuller nutzte man Abwärme auch aus Eigeninteresse so gut wie möglich. Eine weitere Nutzung der Restwärme sei noch nicht möglich. Aber man arbeite daran. bdg
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