Neue Soziale Mitte

"Neue Soziale Mitte" bringt auf der Wertheimer Höhe Menschen zusammen

Schule, Kita, Kirche und Familienzentrum an einem Ort – seit gut einem Jahr besteht der Campus der „Neuen Sozialen Mitte. Hier sollen die Bewohner des Wartbergs und Reinhardshofs zusammenfinden.

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Katharina Buchholz
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Zwei, die Ökumene leben: die pastorale Mitarbeiterin der katholischen Kirchengemeinde, Caroline Herzog, und Diakonin Elvira Ungefucht im Michaelssaal. © Katharina Buchholz

Wertheim. Heute tanzen Caroline Herzog und Elvira Ungefucht wieder miteinander – zumindest im übertragenen Sinn. Die pastorale Mitarbeiterin der katholischen Gemeinde und die evangelische Diakonin sitzen im Michaelssaal des Gemeinschaftszentrums am Salon-de-Provence-Ring und berichten über die zurückliegenden Monate.

Vom Gang her schallt ein Gewirr aus Kinderstimmen in den Kirchenraum. „Das ist die Vorschulgruppe des Kindergartens oder die Vorbereitungsklasse der Grundschule, die beide hier untergebracht sind“, kommentiert Elvira Ungefucht. Dass die Kirchenvertreterinnen gut harmonieren, wird beim Gespräch deutlich. Ökumene ist für beide das Thema ihrer Arbeit. „Wir geben einander Kraft und probieren Dinge aus, die anders sind, und wir wollen einen Ort bieten, an dem sich jeder willkommen fühlt“, fasst Caroline Herzog zusammen. Konkret bedeutet das, dass die beiden Frauen im Michaelssaal neben dem wöchentlichen Gottesdienst – im Wechsel zelebriert von evangelischer und katholischer Seite – zu Anlässen wie dem Erntedankfest oder Palmsonntag gemeinsame Gottesdienste gestalten. „Das funktioniert bei uns wie bei einem Tanz, jeder trägt seinen Teil dazu bei“, finden sie einen Vergleich.

Alex Schuck (rechts) leitet das Familienzentrum in der „Neuen Sozialen Mitte“. Für eine Partie Tischkicker – hier mit Aleit-Inken Fladausch-Rödel, Geschäftsführerin des Diakonischen Werks im Main-Tauber-Kreis, – ist er immer zu haben. © Katharina Buchholz

Im Fokus der ökumenischen Gottesdienste stehen die Kinder, die auch zu Akteuren werden. „Für Palmsonntag hatten wir ein kleines Schauspiel aus Sicht des Eselchens vorbereitet“, erzählen die beiden. Geprobt wurde jeweils nachmittags im Anschluss an die Schule. Dadurch, dass die Wege zwischen Grundschule und Gemeinschaftszentrum so kurz sind, entstehen bei solchen Anlässen Begegnungen. „Wir bieten den Kindern eine unverbindliche Art, bei uns reinzuschnuppern. Sie entscheiden selbstbestimmt, ohne dass sie von ihren Eltern geschickt werden, ob unser Angebot sie anspricht“, beschreibt Herzog. Neben den Grundschülern wirken je nach Thema weitere Akteure wie das Team der Kindertagesstätte bei den Gottesdiensten mit.

Die „Neue Soziale Mitte“ prägt das Bild der Stadtteile Reinhardshof und Wartberg auch von oben. Der sanierte Gebäudekomplex inklusive Mensa wurde im Juli des vergangenen Jahres eingeweiht. © Stadt Wertheim/Peter Frischmuth

Kirchen wollen in Wertheim Gemeinde- und Gemeinwesensarbeit verbinden

Das Ziel, die Bewohner des Wartbergs und des Reinhardshofs zusammenzubringen, verfolgen Ungefucht und Herzog jedoch nicht nur mit dem liturgischen Angebot. „Wir orientieren uns daran, was die Menschen und vor allem junge Familien brauchen“, verdeutlicht Herzog.

Es gehe darum, Gemeinde- und Gemeinwesenarbeit zu verbinden: So treffen sich unter dem Dach der Kirchen Eltern und Kinder zum Turnen oder zur Krabbelgruppe. An weiteren Ideen mangelt es den Frauen nicht: Herzog und Ungefucht planen zum Beispiel einen Dinnerabend für Eltern – Kinderbetreuung inklusive. „Manchmal haben wir das Gefühl, wir sollten uns am besten fünfteilen“, sagt Herzog. Die beiden Frauen lachen.

Stadtverwaltung: Zusammenarbeit hat sich sehr gut entwickelt

  • 12,9 Millionen Euro flossen in das Projekt „Neue Soziale Mitte“. Land und Bund beteiligten sich mit fast 3,7 Millionen Euro, der Anteil der Evangelischen Kirche lag bei 1,8 Millionen Euro, 7,43 Millionen Euro finanzierte die Stadt selbst.
  • Die Nutzer des Gemeinschaftszentrums sowie die Verantwortlichen der Otfried-Preußler-Schule treffen sich alle sechs Wochen zum Austausch. Die Zusammenarbeit habe sich im vergangenen Jahr sehr gut entwickelt, sagt Matthias Fleischer, Leiter des städtischen Referats „Bildung und Familie“.
  • Als Beleg für den Erfolg des neuen Campus nennt er Veranstaltungen wie die Halloween-Fete des Familienzentrums in Zusammenarbeit mit der Schulsozialarbeit, den offenen Martinsumzug der Kita, eine Lesenacht in der Bücherei oder ein gemeinsamer Gottesdienst an Palmsonntag. In Planung ist nun das „Fest auf der Höhe“ am 13. Juli.
  • Die räumliche Nähe erleichtere die Zusammenarbeit unter den Akteuren, so Fleischer.
  • Es bestehen vielfältige Anknüpfungspunkte zwischen den Nutzern: Das Familienzentrum kooperiert zum Beispiel bei Projekten wie dem Bau eines „Lehmofens“ mit der evangelischen Kindertagesstätte. Bei Veranstaltungen arbeiten Vereine und Stadtteilbeirat mit Kirche und Familienzentrum zusammen. Neu hinzu kommt ab September eine Kooperation der Bücherei mit der Schule.
  • Von der sprachlichen Expertise der Mitarbeiterinnen des Familienzentrums profitieren die Kindertagesstätte und die Schule: Sowohl Kita-Leiterin Christina Gungl als auch Schulleiterin Simone Schott heben die sprachliche Unterstützung bei Schul- und Kindergartenanmeldung als „sehr positiv“ hervor. kabu

Da steckt Alex Schuck den Kopf durch die offene Tür des Michaelssaal. „Da seid ihr!“, begrüßt er seine Nachbarinnen. Die Büroräume des Familienzentrums liegen im Gang neben dem Trakt der Kirchen. An fünf Tagen pro Woche bietet das Zentrum unter der von der Stadt Wertheim beauftragten Trägerschaft des Diakonischen Werks soziale Beratungen und offene Gruppen an. Die drei Mitarbeiter vor Ort werden von externen oder ehrenamtlichen Kräften unterstützt. Die Angebote von der Schuldner- über Erziehungs- bis zur Migrationsberatung würden sehr gut angenommen, sagt Aleit-Inken Fladausch-Rödel, Geschäftsführerin des Diakonischen Werks im Main-Tauber-Kreis. Teilweise seien diese über Woche ausgebucht.

Die Vorschulgruppe der Kindertagesstätte Wartberg ist im Gemeinschaftszentrum untergebracht. Die künftigen Grundschüler rücken so räumlich näher an die Grundschule. © Katharina Buchholz

Diakonisches Werk im Main-Tauber-Kreis: Dinge zum Laufen bringen

Was die offenen Gruppen angeht, fungiert das Familienzentrum als Koordinator. „Unsere Aufgabe ist, es die Dinge zum Laufen zu bringen“, verdeutlicht Fladausch-Rödel. Dass dies gelingen kann, zeigt das Beispiel der Gruppe für alleinerziehende Mütter und Väter. Diese trifft sich seit Januar – inzwischen wöchentlich. „Es ist schön zu sehen, wenn sich aus unserem Netzwerk heraus etwas Neues bildet. Die Eltern verabreden sich jetzt auch über den Gruppenchat zu Treffen außerhalb des Gruppenangebots“, sagt Schuck. Wenn der Sozialpädagoge aus dem Fenster sieht, hat er den direkten Blick auf den Außenbereich der Kita-Vorschulgruppe. „Man kennt sich“, sagt er. Schuck knüpft so früh den Kontakt zu den Kindern, die ab dem Beginn der Grundschule die „Kids World“ besuchen können.

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Jeden Freitagnachmittag erobern zirka 25 Kinder im Grundschulalter das Gemeinschaftszentrum inklusive Bücherei. „Und das ohne Werbung. Würden wir welche machen, bräuchten wir mehr ehrenamtliches Personal“, betont Schuck. Mit dem Angebot für Kinder will das Familienzentrum präventiv in die Zukunft wirken, um Problemen wie Ruhestörungen oder Sachbeschädigungen vorzubeugen, die von Anwohnern des Wartbergs zuletzt beklagt wurden. „Wir wollen Kinder und Eltern mit dem Familienzentrum und dessen Angeboten vernetzen. Bis so eine Familienzentrum mit dem Stadtteil „verwächst“ dauert es aber eine gewisse Zeit und auch trotz aller guter Angebote, die es auch schon von kommunaler Seite gibt, werden wir vermutlich nie alle Menschen erreichen. Wir sehen die Problematik jedoch und können in Projekten oder punktuell mit unseren Kooperationspartnern Angebote machen“, so Schuck. Sein Fazit nach einem Jahr „Neue Soziale Mitte“ fällt positiv aus und: „Ziel ist es natürlich noch mehr Menschen in das Gemeinschaftszentrum zu bekommen.“

Für die Kindertagesstätte Wartberg haben sich die kurzen Wege bewährt. © Katharina Buchholz

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