Kreuzwertheim. Zum nunmehr 13. Mal ließ es das "Kreuzemer Quätschichgedööns", die Guggenmusik-Abteilung der Faschingsgesellschaft Kreuzwertheim, am Samstag in der Dreschhalle krachen.
Für "Chefe" Holger Heitmann wird der Abend als "Guggeball der letzten Momente" in die Vereinsgeschichte eingehen, wie er in seiner Moderation wissen ließ: "Im letzten Moment bekamen wir die Bewilligung für die Halle, im letzten Moment fanden wir Ersatz für eine ausgefallene Tanzgruppe, im allerletzten Moment bekamen wir nach zwei Absagen noch die vier Guggen zusammen, die wir alljährlich zu Gast haben."
Eine davon, die Remsecker "Orazwiggr", hatte bei der Anfahrt sogar die letzte Autobahnausfahrt verpasst und stieß erst im mehr als letzten Moment noch dazu, um an der Blasmusikfete teilzunehmen.
Neben den "Orazwiggrn" hatten auch die "Sulmanafetza" aus Neckarsulm, die "Bembeljeescher" aus Rüsselsheim und die "Albgoischda" aus Hagenbach in der Pfalz die Schlagzeuge herangerollt und das bunte Vereins-Make-Up aufgelegt, um den mainfränkischen Kollegen samt ihren Fans ordentlich einzuheizen.
Und wer schon einmal auf einem "Guggeball" war, kann sich vorstellen, wie schnell das gelang: Vom ersten Lied an wurde hemmungslos getanzt, erst vor der Bühne, beim finalen Auftritt des "Quätschigedööns" bereits auf den Tischen. "Gaudi pur" ist und bleibt das klare Motto des ursprünglich aus dem Alemannischen kommenden Musikstils, der seit den 50er Jahren ungezählte junge Süddeutsche zum Erlernen eines Instruments bewogen hat und in seiner Anwendung längst nicht mehr auf den Karneval beschränkt ist.
Dass Musik für jedermann, also auch ohne Notenkenntnisse, praktizierbar sein und Spaß machen soll, ist neben dem großzügigen Einsatz von Trommeln, Klanghölzern, Becken und allem anderen, was irgendwie "zack" oder "bumm" macht, demnach der kleinste gemeinsame Nenner aller Guggenmusik-Truppen.
Da nämlich die musikalischen Leiter einer jeden "Gugge", so erklärt der der Kreuzwertheimer, Michel Reinhart, ihre Stücke passgenau auf die eigene Besetzung zurecht arrangieren, besitzt jede Gruppe nicht nur einen eigenen Klang, sondern auch ein einzigartiges Repertoire. Das wechselt in der Regel jährlich und kann aus allem bestehen, was die zumeist recht jungen Mitglieder gerne spielen wollen.
Traditionelle Gruppen wie die "Orazwiggr" haben stets zumindest eine alte Fasnachtsweise im Programm, "weltlichere" wie die "Kreuzemer" bauen sich Medleys aus aktuellen Radiohits. Wieder andere machen sich an Schlagern, Funk-Evergreens oder Gassenhauern zu schaffen, wie man sie auf dem Nachhauseweg vom Bieranstich auf der Messe gröhlt. Manche Leiter komponieren sogar eigene Stücke und machen die oft etwas belächelte Guggenmusik damit zum vollwertigen musikalischen Genre. Kurzum: Erlaubt ist, was gefällt - mit ein bisschen Fantasie lässt sich bekanntlich jede Melodie im Vier-Vierteltakt zum fetzigen Marsch umdeuten.
Dass es bei so viel Partymusik nicht zu Fällen von Kreislaufkollaps oder explodierenden Bierfässern aufgrund zu hoher Lufttemperatur kam, lag womöglich daran, dass die Veranstalter zwischen die Auftritte der "Guggen" ruhigere Programmpunkte gesetzt haben. So sorgten die hervorragenden Präsentationen der Schautanzgruppe "Sweet Cherries" vom TV Wertheim und der Homburger "Steeäisel"-Prinzengarde nicht gerade für Abkühlung, aber zumindest ein paar Minuten gebannten, allseitigen Hinschauens, während die dreiköpfige Band "Sing Twice" mit Fetenhits der vergangenen Jahrzehnte auch Standardtänzer alter Schule ansprach.
Nicht zuletzt bewies das "Quätschichgedööns" in diesem Jahr zum ersten Mal, dass die "Guggemusiker" und ihre Liebhaber bei aller Partylaune keine verantwortungslosen Hedonisten sind, und überreichten eine Spende über 250 Euro an Pfarrer Dieter Hammer. Das Geld wurde beim Weihnachtsmarkt mit einer Suppenküche erwirtschaftet und kommt der Aktion "Gemeinsam gegen einsam" zugute, die sich um alleinstehende, ältere Menschen in Kreuzwertheim kümmert. gut
URL dieses Artikels:
https://www.fnweb.de/orte/wertheim_artikel,-wertheim-mit-fantasie-zum-fetzigen-marsch-_arid,8513.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.fnweb.de/orte/kreuzwertheim.html