Geschichte - Heimatforscher Kurt Schüll recherchierte in Archiven

Messerschmitt in Bestenheid abgestürzt

Der Heimatforscher Kurt Schüll fand heraus, dass 1943 in Bestenheid ein Flugzeug der deutschen Luftwaffe abstürzte. Pilot und Funker kamen dabei ums Leben.

Von 
Gerd Weimer
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Ein Jagdbomber des Typs Messerschmitt Bf 110 stürzte am 14. Oktober 1943 in Bestenheid ab. © Bundesarchiv

Bestenheid. Kurt Schüll hält einen Leichenpass in Händen. Das Dokument ist archiviert beim Landesamt Baden-Württemberg, ausgestellt am 21. Oktober 1943 vom Tauberbischofsheimer Landrat und bescheinigt in nur wenigen Worten das Schicksal eines deutschen Soldaten: den Transport seiner sterblichen Überreste mit der Reichsbahn von Wertheim seinem Heimatfriedhof Konstanz.

Schüll, Heimatforscher aus Marktheidenfeld, recherchiert seit zehn Jahren über Umstände von Flugzeugabstürzen während des Zweiten Weltkriegs in der Region. Es ist eine Kärrnerarbeit, die jede Menge Zeit erfordert. So auch in diesem Fall, denn warum der Soldat starb, darüber sagt der Leihenpass nichts aus.

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Von
Michael Weber-Schwarz
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15 Fälle dieser Art hat Kurt Schüll im Rahmen seiner Tätigkeit geklärt. Und auch in diesem Fall war er erfolgreich. Der Verstorbene wurde in Konstanz in der Grabanlage „Kriegsopfergräber 1939 bis 1945“ beigesetzt. Im Bestattungsarchiv des Friedhofes Konstanz fand Schüll einen Vermerk, dass der Verstorbene ein Unteroffizier der Luftwaffe war und seinen Dienst als Bordfunker ausübte.

Angriff auf Schweinfurt

Er sei am 14. Oktober 1943 bei einem „Terrorangriff auf Stuttgart“ bei Wertheim ums Leben gekommen. Die Angaben sind irreführend, wie Schüll gegenüber den Fränkischen Nachrichten erläutert, denn am 14. Oktober 1943 fand kein „Terrorangriff auf Stuttgart“ statt. Vielmehr griff die US-Luftwaffe zum wiederholten Male Schweinfurt an, ein wichtiger Standort der deutschen Rüstungsindustrie.

Im Rahmen des Angriffs der US-Amerikaner tobten heftige Luftkämpfe über dem Spessart. „Die Person, welche den Archiveintrag damals in Konstanz vornahm, muss sich also geirrt haben“, so Schüll. Da der Bordfunker bei der Luftwaffe war, müsse er schließlich bei einem Flugzeugabsturz tödlich verunglückt sein, ist sich der Heimatforscher sicher.

Genauer Absturzort unklar

Die Information, dass der Flieger im (damals noch kleinen) Wertheimer Stadtteil Bestenheid abstürzte, habe er aus Wehrmachtsunterlagen erfahren, so Schüll. Die genaue Stelle haber er noch nicht lokalisieren können, auch weil die baden-württembergischen Gesetze eine Absuche verböten.

Es stellte sich nun noch die Frage, wo der Pilot geblieben ist. War er mit dem Fallschirm abgesprungen oder ist er in der Maschine mit dem Bordfunker zusammen beim Absturz tödlich verletzt worden?

Tatsächlich fand Kurt Schüll im Landesarchiv Baden-Württemberg einen weiteren Leichenpass, der bescheinigt, dass eine eingesargte Leiche von Wertheim mit der Bahn nach Straubing zur Bestattung gebracht wurde.

Bei beiden ist vermerkt, dass sie am 14. Oktober 1943, dem Tag des Luftangriffs auf Schweinfurt, mit dem Flugzeug abstürzten. Mit Hilfe einer ausländische Datenbank fand Schüll heraus, dass die Luftwaffen-Soldaten in einer Messerschmitt Bf 110 saßen und über dem Spessart die einfliegenden amerikanischen viermotorigen B17-Bomber attackierten.

Pilot war der 31-jährige Gottlieb Braun aus Straubing, Bordfunker war der 21-jährige Kurt Schirmeister aus Konstanz. Braun war Oberfeldwebel, Schirmeister Unteroffizier. Beide gehörten dem Truppenteil, 7. Staffel, Zerstörergeschwader 26 an.

Kampf über dem Spessart

Geflogen wurde mit den Flugzeugtypen Messerschmitt Bf 110, Bf 109, Ju 88 und der Messerschmitt Me 410. Im Einsatz waren die Flugzeuge von 1939 bis März 1944. Polen, Frankreich und Großbritannien waren die Ziele, erläutert Kurt Schill.

Gegen 14 Uhr „empfingen“ die deutschen Jagdflugzeuge die auf etwa 7000 Meter über dem Spessart anfliegenden amerikanischen viermotorigen Bomber B17. Schüll erklärt, dass die US-Luftwaffe den Spessart anhand vorheriger Luftbildaufnahmen als flakfrei erklärt hat.

Zur Abwehr der Feindflugzeuge entsandte die deutsche Luftwaffe nach den Recherchen Schülls etwa zwei Dutzend zur Verfügung stehende Jagdflugzeuge in Richtung Spessart. Meistens seien es einmotorige Flugzeuge des Typs Messerschmitt Bf 109 gewesen, so Schüll.

Unter Führung des Hauptmanns Dahl, dem Kommandeur der II. Gruppe des Jagdgeschwaders drei flogen demnach 25 deutsche Jagdflugzeuge Bf 109, davon neun mit Raketen (21 Zentimeter Luft-Luft Raketen) unter den Tragflächen bestückt, auf den anfliegenden amerikanischen Verband zu und eröffneten das Feuer im Angriff auf die Bomber von vorne. „Dabei gab es elf Abschüsse und acht Herausschüsse“, erzählt Schüll.

Beim Kampf über den Wäldern des Spessarts habe es auf deutscher Seite nur eine einzige Verlustmeldung gegeben. Es sei der Absturz einer Bf 109 gewesen, wobei der Pilot Alfred Surau, der 46 Abschüsse feindlicher Flieger verzeichnete, sein Leben verlor.

Abgesprungene US-amerikanische Besatzungsmitglieder seien 1945 nach ihrer Heimkehr vom Militär über den Luftkampf befragt worden, wobei die Soldaten die Flugzeugtypen deutscher Jäger, welche sie gesehen hatten, angeben mussten. Es waren alle einmotorige deutsche Jagdflugzeuge.

Hinweise erbeten

Der Absturz des zweimotorigen Jagdbombers Bf 110 am 14. Oktober 1943 in Bestenheid liefere jedoch den Beweis, dass außer den Bf 109-Maschinen noch andere Typen beim Luftkampf mitwirkten, sagt Schill. „Eine Tatsache, die bis heute unbekannt war.“

Das Wissen über diesen Absturz sei in der Bevölkerung verloren gegangen: „Befragungen von älteren Bürgern aus Wertheim, Hasloch und Umgebung verliefen alle negativ, Zeitzeugen sind nicht mehr zu finden“, so Schüll. Sollte jemand noch etwas über den Absturz von seinen Eltern oder Großeltern erfahren haben, kann er diese dem Heimatforscher unter Telefon 0157/ 92395728 mitteilen.

Redaktion Reporter Wertheim

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