Natur

Main-Tauber-Kreis: Wieso das Wetter den Bienen zu schaffen macht

Auf Schnee folgen 15 Grad bei Sonnenschein, dann wieder Frost – Temperaturstürze im Winter sind normal. Doch in den vergangenen Wochen mussten Imker sehr wachsam sein.

Von 
Heike Barowski
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Wertheim/Main-Tauber-Kreis. Erst mild, dann kalt, dann wieder warm – und selbst auf dem Feldberg lag lange Zeit kein Schnee. Oft „dümpelten“ die Temperaturen im Januar um den Gefrierpunkt, dann plötzlich stiegen sie fast zwei Wochen lang auf frühlingshafte 15 Grad, um dann mit Eis und Schnee in den Keller zu rutschen. Solche Temperaturschwankungen gab es schon immer. Und genau wie wir Menschen, hat auch die Fauna jedes Mal damit zu kämpfen. Betroffen sind dann unter anderem Insekten, wie beispielsweise Bienen. Doch heißt das dann, dass es im Sommer wenig Honig, aber dafür eine Mückenplage geben wird? Die FN sprach mit Experten über die Auswirkungen der Klimaschwankungen.

Der Wertheimer Johann Vogeltanz ist nicht nur als Kommunalpolitiker aktiv, sondern kennt sich in Sachen Bienen hervorragend aus. Seit 1980 betreibt er hobbymäßig mit viel Erfolg eine Imkerei. Angesteckt wurde er durch seinen Schwiegervater, der in seiner Heimat Bienenvölker besaß. „Er hat mir am Anfang viel von seinen Bienen erzählt. Aber mich interessierte das zunächst gar nicht – ich interessierte mich eher für seine Tochter“, blickt er heute zurück und lacht.

Bienen aus Bronnbach

Als in Bronnbach jemand Bienen anbot entschieden Vogeltanz und Schwiegervater vier Völker zu kaufen. Heute hat der Nassiger bis zu 25 Völker. Während des Winters stehen die Bienenstöcke in einem Waldstück bei Nassig und gehen im Frühling auf „Wanderschaft“ in den Schwäbisch-Fränkischen Wald, zum Turm auf dem Wartberg oder in den Pfälzer Wald. „Wenn man Sortenhonig haben will, muss man mit den Bienen dahin gehen, wo es etwas gibt“, so Vogeltanz. Und so hat der Imker neben Maronen- oder Blütenhonig sogar den beliebten Tannenhonig im Angebot.

Im Landesverband Badischer Imker ist Vogeltanz Kreisvorsitzender für den Altkreis Tauberbischofsheim und Krautheim. Als solcher ist er Mitglied im Landesverband Badischer Imker und dort im erweiterten Vorstand tätig. Er holte den Badischen Imkertag schon mehrfach nach Wertheim.

Als Fachmann weiß er natürlich genau, wie die Bienen überwintern und welche Auswirkungen diese Temperaturschwankungen haben. Bienen bilden im Winter eine Wintertraube, sitzen eng beieinander und wärmen sich gegenseitig, halten eine Art Winterruhe. Während dieser Zeit benötigen sie Futter für die eigene Ernährung und die Wärmeerzeugung durch Muskelzittern. Im Innern der Traube herrscht eine gleichbleibende Temperatur von 35 Grad.

„Wenn die Bienen Futter haben und in Ruhe gelassen werden, macht ihnen eine Temperaturdifferenz von 50 Grad, wenn beispielsweise minus 20 Grad gemessen werden, wenig aus, und sie kommen gut über den Winter“, erklärt der Imker.

Steigen dagegen die Temperaturen, werden die Bienen aktiv, brauchen mehr Energie, also mehr Futter. Und sie fangen an zu brüten. „In der ersten Januarwoche gab es bereits einen Pollenflug von der Hasel. Holen die Bienen diesen Pollen in den Stock, ist es ein Zeichen, dass sie brüten“. Und das bedeutet für die Imker, dass sie zufüttern müssen, wenn die Temperaturen so hoch bleiben. „Sonst verhungern die Bienen im Stock, weil die Pollen keine Kohlenhydrate liefern“, so Vogeltanz. Die Lücke bis zur Krokusblüte (erster Kohlenhydratlieferant) ist zu groß. Bleibt es warm, gibt der Imker einen cremigen Honig als Nahrung auf die Waben und füttert zu.

Sinken die Temperaturen dann, stellen die Bienen die Aktivitäten wieder ein.

Seit 1984 führt der Imker akribisch seine Wetteraufzeichnungen. Diese zeigen auf, dass solche rasanten und wirklich großen Wetterumschwünge auch schon früher vorkamen. 1989 kletterte die Temperatur am 17. Dezember auf 15 Grad Celsius und der darauffolgende Januar 1990 war durchgehend mild. Im Jahr 2008 wurden zur Weihnachtszeit acht Grad plus gemessen, dann kam eine kurze Kälteperiode und im Januar 2009 stiegen die Temperaturen wieder auf zehn Grad an. „Aber in diesem Winter war es schon sehr extrem: sowohl die Länge der warmen Periode als auch die Temperaturdifferenz“, sagt Vogeltanz.

Wärmere Winter

„Insgesamt werden die Winter wärmer“, ist sich Vogeltanz sicher, wenn er in seinen Unterlagen blättert. Für ihn als Imker bedeutet das erhöhte Wachsamkeit und notfalls Zufüttern bei langen Warmperioden.

Ein Problem sind aber auch langanhaltende extrem kalte Winter, weil die Bienen dann nicht fliegen und sich entleeren können sondern in den Stock koten. (Bienen haben zwei Mägen, einen für die eigene Versorgung und einen für den Nektar. Beide kommen an keiner Stelle in berührung.) Das in den Stock abgesonderte Exkrement wird aufgefressen und führt dazu, dass die Bienen die Ruhr bekommen und sterben, erklärt der Fachmann. Von daher gesehen ist eine kurze Warmperiode sogar von Vorteil.

Und was machen die Wildbienen? „Sie leben solitär und richten sich einfach nach der Natur“, erklärt der Naturliebhaber. Aber um diese Wildbienen könne man sich nicht wirklich kümmern. „Das einzige, was der Mensch machen kann, ist, ihre Nahrungsgrundlagen zu bewahren und nicht alle Flächen abholzen und zubetonieren“ sagt Vogeltanz mit Nachdruck.

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Birger-Daniel Grein
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Am Ende des Gesprächs fällt die Zusammenfassung des Fachmanns somit wesentlich undramatischer als erwartet aus – weil Imker durchaus ihren Völkern helfen können und Wildbienen anpassungsfähig sind. „Die Tiere können sich in Grenzen auf Naturschwankungen einstellen. Wärmeeinbrüche gab es immer. Problematisch sind lange Wärmephasen. Aber das ist eben die Natur“, sagt der Experte.

Doch trifft diese Aussage auf alle Insektenarten zu? Sabine Holmgeirsson ist Fachbeauftragte für Wildbienen und Pestizide im baden-württembergischen Naturschutzbund Deutschland (Nabu). Sie sagt: „Wichtig für Insekten ist eine durchgängige Winterruhe. Warme Phasen, die sich immer wieder mit Kälte abwechseln, führen dazu, dass die Insekten ihre Winterruhe immer wieder unterbrechen. Sie verbrauchen dadurch die notwendige Energiereserve, ohne entsprechende Nahrung (Nektar) aufnehmen zu können, weil die entsprechend angepassten Blüten noch fehlen. So wurden Anfang Januar 2023 schon Hummelköniginnen gesichtet, die nun wahrscheinlich das Frühjahr nicht erleben, weil sie im Januar noch keinen Nektar finden konnten.“

Aktivitäten anpassen

Claudia Wild ist Pressesprecherin des Nabu Baden-Württemberg. Sie verweist darauf, dass Insekten wechselwarme Tiere sind, die ihre Aktivitäten der jeweils herrschenden Temperatur anpassen. Dadurch ist es nicht ungewöhnlich, an sonnigen und warmen Januartagen schon mal einen Schmetterling fliegen zu sehen. „Beim nächsten Kälteeinbruch suchen diese Insekten wieder Schutz“, so Wild. Für eine Mückenplage dagegen ist nicht der milde Winter verantwortlich, erklären die beiden Fachfrauen. Ist das Frühjahr sehr nass und folgen anschließend warme Tage, haben Stechmücken optimale Startbedingungen und entwickeln sehr schnell eine große Population, so Wild. „Zecken übertragen Borreliose und FSME auf den Menschen. Sie brauchen eine Lufttemperatur von sieben bis zehn Grad Celsius um aktiv zu sein. Bei milden Wintern sind Zecken nahezu ganzjährig aktiv“, ergänzt Sabine Holmgeirsson.

Auf die Frage, was Naturliebhaber machen können, um den nützlichen Insekten über den Winter zu helfen, sind sich alle drei Experten einig. Wild: „Naturnahe Gärten sowie intakte und miteinander verbundene Biotope helfen dabei, dass Tiere ausweichen können auf andere Gebiete. Wirksamer Klimaschutz in allen Bereichen umsetzen und natürlich Kohlendioxidausstoß verringern. Denn jede Tonne mehr zahlt auf das Konto des beschleunigten Klimawandels ein und verstärkt ihn. Das Risiko steigender Temperaturen erhöht sich weiter. Viele Tiere und Pflanzen können sich daran nicht so schnell anpassen.“ Sabine Holmgeirssons Rat: „Sehr früh blühende Pflanzen im Garten oder auf dem Balkon pflanzen wie Schneeglöckchen oder Christrosen. Bei Sträuchern eignet sich gut der Duftschneeball, der jetzt blüht, oder auch der Winterjasmin. So steht schon früh und trotz Kältephase den Insekten Nektar als Energiespender zur Verfügung.“ Johann Vogeltanz hält das Aufstellen von Insektenhotels für sehr sinnvoll. „Allerdings muss man dabei den richtigen Aufstellungsort beachten, sonst hat es keinen Nutzen“, so der Imker. Als naturverbundener Kommunalpolitiker hat er seine Umgebung im Auge. Seine Vorschläge für Maßnahmen zur Verbesserung der Nahrungsgrundlagen für Insekten mündeten 2019 im „Maßnahmenkatalog zur Förderung der Biodiversität“, nachzulesen unter diesem Namen auf der Internetseite der Stadt.

Einig ist man sich, dass nicht die klimatischen Ausrutscher im Winter das Problem sind, sondern der grundsätzliche und rasante Klimawandel. „Dieser geht so schnell vonstatten, dass Insekten, als auch andere Tiere und Pflanzen sich kaum anpassen können. Zunehmend wandern wärmeliebende Arten aus dem mediterranen Bereich bei uns ein, andere wandern weiter nach Norden in Richtung Kälte. Diese Verschiebungen bedeuten auch neue Schädlingsarten oder invasive Arten, die unsere heimischen verdrängen“, sagt Holmgeirsson.

Wie anpassungsfähig Insekten sind, hänge von der Art ab, weiß Wild. „Wärmeliebende Insekten profitieren eher von den wärmeren Temperaturen, zugleich bergen feuchte Winter die Gefahr, dass überwinternde Insektenbrut verpilzt und abstirbt.“

Redaktion Im Einsatz für die Lokalausgabe Wertheim

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