Wertheim. „Es geht wieder los!“ rief Professor Carsten Klomp im „vollen Haus“ dem erwartungsvollen Publikum zu. Bezirkskantor Carsten Wiedemann-Hohl hatte ebenfalls begrüßt und darüber informiert, warum eine aufwendige Ausreinigung, Klangverbesserung und komplette Neuintonation der Rensch-Orgel in der mit ihren 3500 Pfeifen ansteht.
Zur Finanzierung dieses Großprojekts im kommenden Jahr finden viele kleine und große Veranstaltungen statt, wie beispielsweise die Konzertreihe „Orgelmusik zur Marktzeit“ mit 27 Einzelkonzerten von April bis Oktober 2024. Dankbar sei man auch für viele Sponsoren, die die Instandhaltung und Verbesserung der Orgel durch ihre Fördermittel ermöglichen.
„Ostinato“ lautete das von Professor Carsten Klomp gewählte Thema der fünf Orgelwerke am Samstag. Das erste stammte von Louis Vierne (1870 bis 1937), dem erblindeten Titularorganisten der Pariser Kathedrale „Notre Dame“, der 1937 durch einen Schlaganfall während eines Orgelkonzerts am Spieltisch seiner Orgel starb.
Das markante, sich immer wiederholende Motiv gestaltete Carsten Klomp, dem romantischen Empfinden entsprechend, durch wechselnde Klangfarben und durch viele Lautstärkeänderungen mit Hilfe des Jalousieschwellers im Oberwerk besonders farbig.
Passacaglia offenbart die Mängel
Die berühmte Passacaglia und Fuge c-moll von Johann Sebastian Bach (1685 bis 1750) offenbarte dem aufmerksamen Publikum gleich zu Beginn die Intonationsmängel, die durch unterschiedliche Lautstärke der nebeneinanderliegenden Töne deutlich zu hören waren.
Nach dem einstimmig und dezent gespielten Pedalthema überdeckte jedoch die Schönheit der Komposition und die brillante Interpretation des Bach-Werkes schnell die klanglichen Unvollkommenheiten. Auch kleine klimabedingte Verstimmungen mancher Zungenstimmen förderten das Klangerlebnis eher statt es zu beeinträchtigen. Ein Gegensatz hierzu wären beispielsweise sterile elektronisch erzeugte Töne, die im Extremfall mit einem natürlichen, lebendigen Pfeifenorgelklang kaum mehr etwas gemeinsam hätten.
Ein modern anmutender, beharrlicher Rhythmus charakterisierte das „Molto ostinato“ von Petr Eben (1929 bis 2007). Die chromatischen Auf- und Abwärtsbewegungen, das zügige Tempo und wohl auch die drei meist gekoppelten Manuale hatten neben hoher Konzentration und Fingerfertigkeit auch eine große körperliche Beanspruchung des Organisten zur Folge, sodass Carsten Klomp bei den weiteren Stücken auf sein einengendes Jackett verzichtete.
Bewegungsfreiheit und Lockerheit war auch bei der von Klomp komponierten „Kleinen Suite“ erforderlich. Wie ein anschmiegsamer, langsamer Kuschelwalzer wirkte der gefühlvoll gespielte „Waltz for Eric“; nur die helle, fast grelle Frühjahrssonne, die das Kirchenschiff durchdrang, wollte nicht zur Musik passen. Aber man konnte ja beim Genießen auch die Augen schließen.
Feines Glockengeläute, aber dann auch immer mächtiger werdende Monumentalakkorde des „Carillon de Westminster“, die Louis Vierne als Organist der Kathedrale „Notre Dame“ in Paris komponiert hatte, beeindruckten durch lange Spannungsbögen und die stufenlos anmutende Lautstärkensteigerung bis hin zum vollem Tutti-Klang der Schlusskadenz.
Registrantin Amelie Kraus meisterte die anspruchsvolle und verantwortungsvolle Assistenzaufgabe bei den vielen punktgenauen Registerwechseln bravourös.
Die Rückverwandlung der französischen Kathedrale zur gewohnten Wertheimer Stiftskirche mit dem anschließenden Sektempfang gelang durch einen kleinen, aber feinen musikalischen Übergang mit Klomps Choralbearbeitung „Der schöne Ostertag“.
Der lang anhaltende Applaus war Indiz für eine große Akzeptanz zum Auftakt der Orgelkonzertreihe und so ist zu erwarten, dass sich der Erfolg der Konzerte auch in diesem Jahr fortsetzen wird.
Bei der nächsten „Orgelmusik zur Marktzeit“ am kommenden Samstag, 13.April 2024 um 11:00 Uhr spielt Bezirkskantor Carsten Wiedemann-Hohl höchst selbst, der vor wenigen Tagen im Elsass als „Maître d’orgue“ unter anderem an der berühmten Silbermann-Orgel der Kathedrale von Ebersmunster bejubelt und gefeiert wurde.
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