Wertheim. Passend zum ausgeklungenen Reformationstag und zum November-Start präsentierte der Wertheimer Kulturkreis in der Stiftskirche eine erstklassige Einstimmung auf die kommenden „Stillen Tage“. Rund hundert Besucherinnen und Besucher lauschten am Allerheiligen-Abend fasziniert dem Duo Joel Blido (Cello) und Carsten Klomp (Orgel).
Wunderbare Klangkulisse
Sechs Musikstücke sowie zwei Zugaben von Rheinberger, Vivaldi, Bach, Höller, Pärt und Jongen entfalteten die beiden Künstler in der wunderbaren Klangkulisse der Kirche als imposante, nachhaltig wirkende Beiträge. Mehr als zwei Dutzend angezündete Kerzen illuminierten im Chorraum, umgeben von historischen Epitaphien, einer exponiert aufgestellten Martin-Luther-Statue und aktuellen Erntefest-Gaben ein symbolträchtiges, assoziationsoffenes Ambiente: wärmende Lichter in der kühlen Dunkelheit – Menschen, die in dankbarer Erinnerung geblieben sind – bewegendes Flammen-Flackern statt versteinerte Melancholie – Hoffnungszeichen in einer kriegs- und krisengeschüttelten Zeit. Die beiden Akteure Joel Blido und Carsten Klomp agierten von der Empore in Orgelnähe mit einer Ausnahme des Solocellisten bei seinem Prélude- und Allemande-Bach-Beitrag direkt vor dem Publikum zwischen Langhaus und Altar.
Was erwarteten und empfanden die Konzertgäste? „Ich mag eine besinnliche musikalische Einstimmung auf die kommende, vorweihnachtliche Zeit und ihre besonderen stillen Gedenktage und das war heute der Fall“, resümierte glücklich eine Besucherin Anfang sechzig. „Mich interessierte das für mich seltene Zusammenspiel zwischen Orgel und Cello“, berichtete ein 30-jähriger Mann, der sich auch fragte, ob es da nicht mehr asymmetrische Kontraste als wohlklingende Harmonien bei den beiden Instrumenten geben könnte.
„Besonders sinnlich wirkten auf mich die Improvisationen über ‚Schönster Herr Jesus’ von Karl Höller (1907 - 1987), empfand eine andere Zuhörerin, Mitte 50: „Wie in einem abstrakten Bild entdeckte ich immer wieder farbklangähnlich die Leitmelodie, die ich auch aus dem Gesangbuch kenne: ‚Schönster Herr Jesus, Herrscher aller Herren, Gottes und Mariens Sohn, dich will ich lieben, dich will ich ehren, meiner Seele Freud und Kron’ (Opus 55).“
Abwechslungsreich gestaltete sich die Programmauswahl. Dem Pastorale von Joseph Reinberger (1839 bis 1901) folgte eine Sonate von Antonio Vivaldi (1678 bis 1741). Johann Sebastian Bach (1685 bis 1750) wurde als Solostück vom Cellisten gespielt: Cello Suite Nr. 6 in D-Dur. Anschließend gab es assoziationsreiche Improvisationen des neuzeitlichen Komponisten Karl Höller. Noch einmal vertreten war Joseph Rheinberger, diesmal das Präludium c-Moll als Orgel-Solostück.
Vor den zwei Zugaben faszinierte das Zusammenspiel von Cello und Orgel bei „Fratres“ des 1939 geborenen Komponisten Arvo Pärt. Viel Applaus erhielten abschließend das temperamentvolle Stück „Humoresque“ von Joseph Jongen (1873 bis 1953) und „Bach geht immer!“ (zitiert von Carsten Klomp) der finale, virtuose Beitrag „Arioso“.
Bekanntlich gehört das Cello oder Violoncello zur Streichinstrumentenfamilie und besetzt hier die Tenor- oder Basslage. Anders als Bratsche oder Geige wird das Cello aufrechtgehalten und ist mit einem Stachel am Boden fixiert. Es wird im Sitzen gespielt. Der Cellokörper ist zweimal so groß und viermal so dick wie der einer Geige. Die Saiten eines Cellos ist auf die Töne C-G-d-a gestimmt.
Wie die Geige hat auch das Cello keine Bünde, die dem Spieler anzeigen, wo seine Finger für die Noten sein müssen. Einer der Hauptgründe für die Schönheit der Cellomusik ist der reiche, volle und sonore Klang des Instruments. Die enorme Größe und die tiefen, resonanten Saiten verleihen ihm einen unverwechselbaren Ton, der kraftvoll und intim zugleich ist.
Das klanglich reizvolle Duettieren von Orgel und Violoncello in der Wertheimer Stiftskirche am Allerheiligen-Abend schloss eine bisherige Repertoire-Lücke. Basis war dabei klassische, romantische und neuzeitliche, allesamt anspruchsvolle und wohlklingende Konzert-Literatur, die bei den eifrig applaudierenden Gästen sicherlich auch eine nachhaltige Wirkung erzeugte.
Teils verhalten, teils dominant
Das Zusammenspielen von Cello und Orgel war immer wieder überraschend. Wie eine Singstimme fügte es sich in die zarten Lieder und Musikstücke ein, war teils verhalten, teils dominant, setzte Akzente oder ließ das ersehnte Leitmotiv wieder auftauchen.
Ein Cello, eine Orgel, zwei Musiker, über hundert Konzertgäste in einer altehrwürdigen Kirche voller wunderbarer Klänge: Fast wie verzaubert verließen nach rund 90 Minuten jung und alt das Cello- und Orgel-Konzert in der beginnenden November-Nacht zum Allerseelentag.
„Es war ein Erlebnis für Ohren und Herzen“, betonte auf dem Heimweg ein Senioren-Paar. Mit großem Klang war in der Tat ein erstklassiges Konzert zu Ende gegangen, das den gesamten Kirchenraum immer wieder zum Mitschwingen brachte.
Am Sonntag, 1. Dezember, um 17 Uhr findet im Helmut-Schöler-Saal im Hofgartenschlösschen das Museumskonzert des Kulturkreises Wertheim statt. Unter dem Titel „Classic meet Tango“ ist neben Nikita Geller (Violine) auch Joel Blido (Violoncello) vertreten. Gespielt werden unter anderem Werke von Maurice Ravel, Niccolo Paganini und Carlos Gardel.
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