Erweiterungspläne

In Bettingen drohen tiefe Risse durch Dorfgemeinschaft

Trotz intensiver Bürgerbeteiligung gab es jetzt eine umstrittene Unterschriftensammlung.

Von 
Gerd Weimer
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Das Gelände der früheren Schweizer Stuben dient als erster Abschnitt für die langfristige Erweiterung der Ortschaft Bettingen, rechts der Sportplatz. © Birger-Daniel Grein

Wertheim. Eigentlich war die Bettinger Bevölkerung eng in die Pläne für Erweiterung des Dorfes eingebunden. Trotzdem gibt es jetzt Irritationen. Der Ortsvorsteher ist „überrascht und zutiefst erschüttert“.

Obwohl die Planungen für die Entwicklung Bettingens seit Monaten in der Öffentlichkeit diskutiert werden und die Dorfbewohner sich einbringen konnten, kam es kurz vor der Entscheidung des Gemeinderats über das Bauleitverfahren für den ersten Abschnitt zu einer Unterschriftenaktion, die tiefe Risse im Dorf hinterlassen könnte.

Zur Erinnerung: Ursprünglich wollte die Stadt nur das 3,6 Hektar große Areal der ehemaligen Schweizer Stuben überplanen. Für das Gelände der Hotelanlage hatte die Stadt 2019 ihr Vorkaufsrecht genutzt. Hier soll ein neues Wohngebiet entstehen. Im Laufe der Zeit – es fand eine umfangreiche Bürgerbeteiligung statt – gab es den Vorschlag, die Angelegenheit „größer zu denken“, um die weitere Entwicklung des Dorfes in den kommenden Jahrzehnten vorzuzeichnen.

Die Stadt nahm diesen Vorschlag auf und arbeitete zusammen mit einem Darmstädter Stadtplanungsbüro einen sogenannten Städtebaulichen Entwurf aus, der zwölf Hektar umfasst und vor knapp drei Wochen bei einer weiteren Informationsveranstaltung der Bevölkerung vorgestellt wurde (wir berichteten ausführlich) – noch vor der Vorstellung im Gemeinderat.

Bei der Sitzung des Gremiums am Montag ging es letztlich weniger um das Projekt an sich, das Stadtbaumeister Armin Dattler noch einmal präsentierte. Im Mittelpunkt stand vielmehr eine Spaltung im Dorf, die trotz der intensiven Bürgerbeteiligung droht.

Sportplatz soll bleiben

Stein des Anstoßes: eine Unterschriftensammlung, die von zwei Mitgliedern des Ortschaftsrats in der vergangenen Woche angestoßen wurde. Ines Beck-Ulsamer und Benjamin Henne zogen von Tür zu Tür und suchten die Zustimmung der Bürger für eine Erklärung mit folgendem Wortlaut: „Streichen der Überplanung des Sportplatzes an der Kaiseräckerstraße und Rückstellung der Bauabschnitte 3 und 4, damit auch nachfolgende Generationen die Chance erhalten, einen Bauplatz in Bettingen zu erwerben“.

Der Städtebauliche Entwurf sieht vor, dass die Erweiterung des Dorfes in mehreren Abschnitten erfolgen soll und das über mehrere Jahrzehnte. Das Gelände der ehemaligen Schweizer Stuben gehört zum ersten Abschnitt, für den die Bauleitplanung erfolgen soll. Der Sportplatz hingegen befindet sich im fünften Bereich in südlicher Nachbarschaft zum Hotelgelände. Die Abschnitte drei und vier nördlich davon.

Ines Ulsamer-Beck verwies in ihrer Erklärung vor dem Gemeinderat auf die „über 300 Unterschriften“, die man zusammengetragen habe. Niemand könne einfach nur tatenlos zusehen, wenn wegen der Eingabe eines einzelnen Bürgers (so hatte es Armin Dattler auf der jüngsten Informationsveranstaltung erläutert) ein Gelände wie der Sportplatz überplant wird. Dieser sei Dorfmittelpunkt und Treffpunkt der Vereine. Es gebe zudem einen Beschluss des TSV Bettingen gegen eine Verlegung des Sportplatzes. Auch die Tatsache, dass die überplante Fläche nun weit mehr als das Gelände der Schweizer Stuben umfasse, habe zu Diskussionen geführt.

Ortsvorsteher Ralf Tschöp gab bei der Gemeinderatssitzung eine emotionale Erklärung zu dem Projekt und der Unterschriftensammlung ab. Tschöp verwies auf die „beispielhafte öffentliche Beteiligung und Transparenz bis zum heutigen Tag“. Bettingens Bürgerschaft sei stets eingebunden gewesen, noch tiefer der Ortschaftsrat. Vor diesem Hintergrund sei er von dem „was die letzten Tage in Bettingen passiert ist, vollkommen überrascht und zutiefst erschüttert“.

Erst viel später Thema

Das hochemotionale Thema Sportplatz nehme nachvollziehbar viel Raum ein. Trotzdem sei es „ausdiskutiert und betrifft – wenn überhaupt – allenfalls nachfolgende Generationen in Jahrzehnten“. Zudem sei es vom Ortschaftsrat durch eine Stellungnahme im vergangenen Jahr „abgeräumt“ worden und „somit rational betrachtet überhaupt kein Thema mehr“. Dass Mitglieder des Bettinger Ortschaftsrats in einem Brief an das Gremium von „schockierten Teilnehmern der Bürgerbeteiligung“ schreiben und eine „intransparente oder unvollständige Teilhabe des Ortschaftsrates unterstellen, ist mir absolut unverständlich und nehme ich persönlich“, beklagte der Ortsvorsteher.

Die Verlegung des Sportplatzes tauche in den Plänen auf, weil es „keine Denkverbote geben darf“. Gegensätzliche Überzeugungen und daraus resultierende Diskussionen seien legitim und gehörten zu einer Demokratie dazu, so Tschöp. Er sei aber schockiert, dass man ihn persönlich „verunglimpft und verbal beschmutzt“ habe.

„Falschaussagen“

Tschöp sprach von „Desinformation und Falschaussagen“. Möglicherweise hätten strittige Projekte in der Vergangenheit zu der jetzigen Situation beigetragen. Aus diesem Grund sei es wichtig, „dass wir auch in der Zukunft weiter konsequent daran arbeiten, vielleicht auch neue Wege der Kommunikation zu nutzen um die Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen“.

Auf Nachfrage der FN widersprach Ines Ulsamer-Beck dem Vorwurf, man habe die Unterschriften mit fragwürdigen Methoden gesammelt. „Die Unterschriftenliste mit über 300 Unterschriften wurde auf demokratische und anständige Weise eingeholt. Es kann keine Rede davon sein, dass sie unlauter erworben wurden“, sagte sie.

Der Gemeinderat billigte nach einer längeren Debatte schließlich den erweiterten Beschluss einstimmig.

Der Beschluss des Gemeinderats

Der aktuelle Planungsstand wird zur Kenntnis genommen.

Die Verwaltung wird beauftragt, auf der Grundlage der vorliegenden Planungen die Bauleitplanverfahren für den ersten Bauabschnitt durchzuführen.

Noch vor der Sitzung ergänzte die Verwaltung den Beschlussvorschlag um folgende Punkte:

Die weitere Entwicklung der nächsten Bauabschnitte erfolgt in Abhängigkeit der örtlichen Bedürfnisse und in enger Absprache mit dem Ortschaftsrat Bettingen.

Der Gemeinderat nimmt zur Kenntnis, dass der Vorstand des TSV Bettingen zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine mögliche Überplanung des Sportplatzgeländes nicht befürwortet und deshalb dafür plädiert den potenziellen Bauabschnitt nicht weiter zu verfolgen. wei

Redaktion Reporter Wertheim

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