Wertheim. Das Glasmuseum hat eine neue Attraktion. Am Samstag wurde die Sonderausstellung „Eine Lebensreise zum Glas“ eröffnet. Bis Anfang Januar werden rund 250 Glasobjekte der Sammlung von Paul Beckmann präsentiert.
Ein Tourismusbesuch entpuppte sich als Glücksfall. Bei einem kurzen Aufenthalt während einer dreitägigen Schifffahrtsreise verliebte sich der Münchener Architekt und Sammler auf Anhieb in das „wunderschöne Städtchen am Main“. Als er dann auch noch das schmucke Glasmuseum entdeckte, habe er kurzerhand beschlossen, dem Haus seine umfassende Sammlung an Glasobjekten anzubieten. Die Begeisterung von Leiterin Heike Baumann und ihrer Stellvertreterin Barbara Benz sowie Glasbläser Ralf Marlok über den unverhofften Schatz kannte keine Grenzen. „Ihr habt ganz große Augen gemacht“, erinnerte Beckmann am Samstag an deren ersten Besuch in der bayerischen Landeshauptstadt. Die Chemie zwischen Schenker und Beschenkten stimmte. Fast seine gesamte Sammlung stiftete der gebürtige Westfale inzwischen an das Wertheimer Museum – gut 1500 Artikel. „Das, was wir heute sehen, ist sein Werk“, würdigte Bernd Maack vom Trägerverein des Glasmuseums. In den nächsten drei Monaten wird rund ein Sechstel der Schenkung dort ausgestellt sein. Zudem gibt es im Eingangsbereich einige Objekte zugunsten des Vereins käuflich zu erwerben.
Zu den Exponaten gehören wuchtige Schalen und filigrane Miniaturen, zeitlos-moderne Vasen und dekorative Schmuckstücke. Mal sind es Unikate, mal Serienprodukte aus Glaskollektionen traditioneller Glashütten und Glasdesigner der 1920er bis 1990er Jahre. Historische Glasobjekte aus der Zeit der Jahrhundertwende stehen neben Gebrauchsglas und Miniaturen aus der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts. Viele Objekte seien zu ihrer Zeit „wirklich trendy“ und heute „echte Klassiker“, erklärte Barbara Benz.
Die Exponate stammen aus ganz Europa – die meisten aus Skandinavien. Die in Holmegaard produzierte „blaue Serie“ gehört zu den „Klassikern dänischer Glaskunst“. Andere Objekte kommen aus Kosta Boda in Schweden. In einer der fünf Vitrinen stehen „trendige“ Serienprodukte wie die gut 100 Jahre alten „Ikora“-Glaskollektionen der Württembergischen Metallwarenfabrik (WMF). Da bringt es eine Schale auch schon mal auf fünf Kilogramm. Nicht eine gleicht der anderen. Die meisten Ausstellungsgegenstände wurden zwar seriell und für eine breite Käuferschicht gefertigt, sind aber doch von zeitloser Schönheit.
Historisches Glas aus Frankreich und Italien bereichert die Sammlung. Die ältesten Stücke sind deutlich über einhundert Jahre alt. Dazu gehören eine Schale (um 1880) und eine blaue Reliefvase aus Frankreich (um 1900). Die Objekte aus den venezianischen Glasmanufakturen Venini und Carlo Moretti faszinieren besonders. Schmuck anzuschauen sind auch die zahlreichen Miniaturen aus dem thüringischen Lauscha, wie die handbemalten Tischväschen oder die Cocktailspieße aus den 1950er- und 60er-Jahre. Auch die nur wenige Zentimeter großen Cola-, Wein- und Bierflaschen, gefüllt mit der jeweiligen Originalflüssigkeit, sorgen für einen „Wow-Effekt“.
Zehn Objekte des Künstlers Joseph Salvenmoser aus Kitzbühel komplettieren die Ausstellung. „Das ist für mich die höchste Glaskunst“, zeigte sich Beckmann noch heute fasziniert von der Feinheit und Perfektion. „Wenn man die einmal zu scharf anschaut, geht es kaputt“, schmunzelte er über das hauchdünne Lampenglas für Sturzbecher und Kelchgläser.
Über eine Sammelleidenschaft verfüge der heute 87-Jährige schon von klein auf. Sein kindliches Interesse an Kastanien, Steinen und Blättern habe sich in seiner späten Jugend in Richtung „handwerkliche Kunst oder künstlerisches Handwerk“ gewandelt. Ein besonderes Faible hat Beckmann im Laufe der Jahre für Glaskunst entwickelt. Mehr als 50 Jahre sammelt er inzwischen Objekte aus diesem Material. „Eine Lebensreise zum Glas“ eben.
Dass er während seines Studiums und Berufslebens als Architekt viel in Europa herumkam, kam der breiten Vielfalt seiner Sammlung sehr entgegen. „Ich habe alles gekauft, was mich persönlich angesprochen hat und zum Erhalt würdig fand“, erläuterte Beckmann. Eine genaue Stückanzahl kann und will er nicht beziffern: „Ich habe nie gezählt. Die Zahl interessiert mich bis heute nicht“. Gleiches gilt für den materiellen Wert. Von Bedeutung waren immer allein die Emotionen, die die Stücke bei ihm auslösten.
Ein Lieblingsstück habe er nicht. „Ich habe viele, viele Kinder. Und die Kinder hat man lieb“, verglich Paul Beckmann. Und bekanntlich muss man ja auch seine Kinder irgendwann ihren eigenen Weg gehen lassen. Ihre „Lebensreise“ hat seine gläserne „Kinder“ nun nach Wertheim geführt. Und so viel ist sicher: Auch in ihrer neuen Heimat werden sie sicherlich viel Wertschätzung und Liebe erfahren.
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