Nachhaltiges Bauen

Ein Haus aus Holz, Stroh und Lehm

Baulärm gibt es zur Zeit ja an vielen Orten – so auch in der Lindelbacher Straße in Dertingen. Doch was hier seit Sommer entsteht, ist etwas Besonderes: Ein Haus in Holzständerbauweise – und zwar aus Dertinger Stroh.

Von 
Kai Grottenthaler
Lesedauer: 
Kurz vor Weihnachten wurden die vorgefertigten Dachelemente angebracht. Ein Team des Fernsehsenders „kabeleins“ dokumentierte den Bau für die Reihe „Abenteuer Leben am Sonntag“ zum Thema „Wohnen der Zukunft“. © Kai Grottenthaler

Dertingen. „Wie, ihr baut mit Stroh? Wie soll das denn funktionieren?“ So oder so ähnlich seien die Reaktionen gewesen, als Robert und Julia Schirmacher Freunden von ihren Hausplänen erzählt hatten. Fast zwei Jahre liegt das nun zurück.

Doch auch jetzt landen immer noch viele neugierige Blicke auf dem Haus, auf dem kurz vor Weihnachten das Dach montiert wurde. Natürlich hängt das Interesse auch damit zusammen, dass Julia aus dem benachbarten Winzerhof Baumann entstammt und Robert Vorsitzender des Sportvereins ist.

Für die Schirmachers ist immer klar gewesen: „Wenn wir neu bauen, dann so nachhaltig wie möglich“. Da kam das Grundstück, auf dem zuvor die katholische Kirche gestanden hat und das in direkter Nachbarschaft zu Julias Elternhaus steht, gerade recht. Beim Abriss der Kirche hätten sich ihre Vorsätze bezüglich des nachhaltigem Bauens noch einmal bestätigt: „Wenn man sieht, was da vor 70 Jahren verbaut wurde und jetzt entsorgt werden musste, wird einem schwindelig“, sagt Julia Schirmacher.

Auf die Idee eines Strohhauses seien sie durch Bekannte gekommen, die auch ein solches Haus gebaut haben. Das steht im Odenwald in ungefähr einer Stunde Fahrzeit entfernt – und sei doch das naheste ihnen bekannte, dessen Bauweise mit der ihres Hauses vergleichbar sei. Dennoch ist jedes Strohhaus ein Unikat; Schirmachers wurde von Architekten aus Bad König geplant, die sich auf diese Art von Häuser spezialisiert haben. „Das wird kein 0815-Haus“, schwärmen die beiden.

Robert und Julia Schirmacher freuen sich über ihr nachhaltiges Haus. © Kai Grottenthaler

Von Vorteil war auch, dass es in Dertingen noch Landwirte gibt, von denen man Stroh bekommen konnte. Einer von ihnen habe sogar die benötigte Strohpresse gehabt, um die Quaderform herzustellen.

Im März 2021 begannen die Planungen, im Februar 2022 lag die Baugenehmigung vor. An den Startschuss der körperlichen Arbeiten erinnert sich Julia Schirmacher noch ganz genau. Am ersten Sonntag im August habe der Landwirt angerufen: „Heute muss es über die Bühne gehen“, lautete seine Ansage. In einer „Hau-Ruck-Aktion“ habe man dann mit Familie und Freunden das Stroh gepresst und einlagert. Doch jetzt könne man stolz sagen: „Unser Haus ist aus echtem Dertinger Stroh“. Um sie als Bauprodukt zu zertifizieren, wurden fünf Strohballen nach Hamburg geschickt, wo Dichte und Feuchtigkeit überprüft wurden.

Die Bodenplatte haben von Juli bis September Robert, dessen Vater sowie Helfer aus dem Ort gegossen. Auch hier habe man auf Ressourcenschonung geachtet: „Was an Kirchengrund noch nutzbar war, wollten wir mit verwenden“, erläutert Julia. Wichtig sei ihnen auch gewesen, dass sich das neue Haus in das Ortsbild einfügt. Das Haus wird daher im vorderen Teil den Kirchengrundriss und nur ein Geschoss haben. Auch ein Nebengebäude bleibt bestehen.

Noch im Sommer ging es dann an die Herstellung der Außenwände und Dachteile. Diese haben eine Stärke von rund 40 Zentimetern und sind von der Innenseite mit OSB-Platten beplankt, um die Feuchtigkeit nach außen durchzulassen.

Die quaderförmigen Strohballen haben eine Dicke von rund 40 Zentimetern. © Julia Schirmacher

In das Ständerwerk ist die Strohballendämmung eingebaut. Von außen ist noch eine Holzweichfaserplatte als Dämmung und Witterungsschutz angebracht. Daher seien diese auch jetzt schon montiert worden, erläutert Maschinenbauingenieur Robert: „So kann das Haus überwintern.“ Die Wand- und Dachelemente wurden in der ortsansässigen Zimmerei Hellmann vorgefertigt, um so wetterunabhängig wie möglich zu sein. Eine gute Entscheidung, wie sich dieser Tage beim Aufbau in frostigem und niederschlagsreichem Wetter zeigte. Beim Anbringen der Strohballen in das Ständerwerk legten die Schirmachers natürlich selbst Hand an. Auch die Innenwände werden nach dem Verlegen der Leitungen noch mit nachhaltigem Material – Holzfasern oder Schafwolle – gestopft, allerdings eher aus Schallschutz- als aus Dämmgründen. Von innen werden die Wände mit Lehmbauplatten verkleidet. Sie nehmen die Feuchtigkeit auf und sollen für ein angenehmes Raumklima sorgen.

Auch für Architekt Sascha Hellmann ist es ein besonderes Projekt: „Wir machen häufiger Holzhäuser, aber mit Stroh ist es das erste Haus.“ Bei der Fertigung hätten auch sie neue Techniken entwickelt, etwa, wie man die bis zu 15 Zentimeter Differenz der Strohballen am besten verarbeiten kann.

Von Brandversuch überrascht

Auch einen Brandversuch habe man vorab gemacht, wie er mit einem Video demonstriert. „Viele denken ja, Stroh brennt.“ Aber auch entgegen der eigenen Erwartung sei das mit einem Bunsenbrenner angezündete Modul nicht in Flammen aufgegangen. Nach 25 Minuten seien weniger als drei Zentimeter eingeglüht, die Flammen seien aufgrund der hohen Verdichtung schnell erloschen. „Das hat auch uns überrascht“, offenbart Hellmann. Kniffelig war die Dachform mit ihren vielen Ecken und Kanten: Insgesamt gebe es dreizehn unterschiedliche Dachneigungen. Eine Herausforderung, die das Team jedoch gerne angenommen habe: „Das macht schon Spaß“, schwärmt Hellmann, und hebt kurz darauf das nächste Dachelement mit dem Kran an die passende Stelle. Das Haus entspricht dem KfW-Standard 40 Plus. Eine Wärmepumpe und eine PV-Anlage auf dem Dach bieten Heizmöglichkeiten. Der Kamin dagegen habe eher Schönheitscharakter, denn eine reine Abhängigkeit von Holz kam nicht infrage. Die Holz-Alu-Fenster sollen Anfang des nächsten Jahres eingebaut werden. „Wir hoffen, dass das Haus bis Ende Januar dicht ist“, sagt Julia. Über die Kosten könne man nichts Genaues sagen, fest stehe allerdings: „Ein hochgemauertes Haus wäre deutlich teurer gewesen.“

Mehr zum Thema

Erste Veranstaltung des Jahres

Choräle erklangen am Neujahrstag

Veröffentlicht
Von
Matthias Ernst
Mehr erfahren

Das außergewöhnliche Projekt hat auch ein dreiköpfiges Team des Fernsehsenders „kabeleins“ angelockt. Es ist regelmäßig vor Ort, um den Baufortschritt zu dokumentieren. Der Münchener Sender hatte bei Schirmachers Architekten angefragt, ob sie ein passendes Projekt für die Rubrik „Wohnen der Zukunft“ haben. Kurz vor Weihnachten wurde an zwei Tagen die Montage des Daches gefilmt. Zuvor hattes es bereits drei Drehtage über die Einlagerung und den Einbau der Strohballen sowie das Stellen der Wände gegeben. Ausgestrahlt wird der Beitrag, in dem das Haus der Schirmachers im Mittelpunkt steht, im März in der Reihe „Abenteuer Leben am Sonntag“. Diese Sendung wird die junge Familie, zu der auch die dreijährige Ida gehört, aber noch in ihrer benachbarten Wohnung ansehen. Wenn alles nach Plan verläuft, werden sie den nächsten Jahreswechsel dann aber endlich in ihrem neuen Zuhause feiern. Und dann vielleicht sogar zu viert.

Copyright © 2025 Fränkische Nachrichten