Comenius-Realschule

Die Schicksale hinter den Stolpersteinen aufzeigen

Schülerinnen und Schüler der zehnten Klasse zeigen anhand von Plakaten die Leidenswege verschleppter jüdischer Mitbürger auf

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nas
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Sie sind in der Rittergasse beim Stolperstein-Projekt dabei: Die Zehntklässlerinnen Jana Gersitz, Marija Samaradzija und Julia Erbes. © Nadine Schmid

Wertheim. Pünktlich, kurz vor 14 Uhr, hatte es zu regnen begonnen. Dies hielt etwa 40 Zehntklässler und Zehntklässlerinnen der Comenius-Realschule nicht davon ab, auf dem Marktplatz und in den anliegenden Gassen zu stehen. Zu wichtig war ihnen ihr Anliegen: An den verlegten Stolpersteinen an die Wertheimer Opfer des Nationalsozialismus zu erinnern. Dies machen sie traditionell im Oktober, dem Monat, in dem die badischen Juden 1940 nach Gurs in Frankreich verschleppt wurden und so vielfach auf einen Leidensweg gingen, der in den Gaskammern von Auschwitz endete.

Für die drei Schülerinnen Marija Samardzija, Julia Erbes und Jana Gersitz, die in der Rittergasse bei den von ihnen gewählten Stolpersteinen stehen, war bei der Vorstellung des Projekts durch die Geschichtslehrer sofort klar, dass sie mitmachen. „Ich wusste seit Klasse 9, dass es dieses Projekt gibt“, erklärt Samardzija. „Ich finde es interessant. Das ist in unserer Stadt, ich komme oft hier vorbei und gehe meistens achtlos vorüber. Deshalb wollen wir die Leute aufmerksam machen, egal von welcher Altersgruppe.“ „Man muss die Leute darauf hinweisen, es ist noch gar nicht so lange her“, fügt ihre Klassenkameradin Erbes hinzu.

So haben sich die Mädchen mit den Biografien des Ehepaars Wolf und der Verkäuferin Jetta Strauß beschäftigt. Sie hätten deshalb das Ehepaar gewählt, um an ihm zu zeigen, dass die verschleppten Juden voll im Leben standen, Kinder hatten. Moses Wolf besaß außerdem eine Firma in Bestenheid. Ein Fluchtversuch des Ehepaars scheiterte. Daraufhin kamen beide getrennt voneinander nach Auschwitz. Friede Wolf starb dort 1942, ihr Mann zwei Jahre später. Dies sind nur zwei der etwa 15 Biografien, die die Schüler bearbeitet und auf Plakaten dargestellt haben.

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Dem kann der Zehntklässler Johann Freudenberger nur beipflichten. „Es sind schlimme Sachen passiert. Diese Informationen muss man den Leuten doch weitergeben.“ Gemeinsam mit drei Freunden hat er den Standort vor dem Gästehaus Malerwinkel in der Maingasse gewählt. Dies war das Haus einer jüdischen Familie und so liegen hier gleich fünf Stolpersteine. Dabei seien einige auch indirekt Opfer des Regimes gewesen, wie etwa der über 70-Jährige, der auf einem Feld in der Hitze Kartoffeln hackte und dabei einen Herzinfarkt bekam.

Diese Geschichte erzählt der ehemalige Realschulkonrektor Dieter Fauth, der das Stolpersteinprojekt vor Jahren ins Leben rief und ein Gedenkbuch herausbrachte. Seit seinem Eintritt in den Ruhestand führen die Lehrerinnen Bernadette Latka und Mirjam Kramer mit den Geschichtslehrern der zehnten Klassen das Schülerprojekt fort.

Die Plakate bleiben noch bis Samstagmittag liegen und zeigen, welche menschlichen Schicksale sich hinter den Stolpersteinen verbergen. nas

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