Reicholzheim. Eine idyllische Ruhe herrscht an diesem Morgen an der Rennstrecke. Die Sonne scheint, die Vögel zwitschern, überall hört man die Grillen zirpen. In der Nähe drehen ein paar Sportler ihre Runden und Tierliebhaber führen ihre Hunde aus. Alles ist so friedlich auf diesem Fleckchen nahe der Reicholzheimer Kapelle. Doch es geht auch anders: Manchmal knattern hier die Motoren, steigen kleine Staubwolken auf, liegt das Adrenalin förmlich in der Luft. Dann drehen die Moto-Cross-Fahrer des Motorrad-Sport-Club Reicholzheim hier ihre Runden. Seit knapp über 40 Jahren ist das nun so – an unterschiedlichen Standorten oberhalb Reicholzheims.
Ursprünglich wurde der Sport nach der Gründung des Vereins 1981 auf einem Grundstück eines Gründungsmitglieds ausgeübt. „Das war eine Streuobstwiese mit nur einer Fahrspur – mehr nicht“, erinnert sich Manuel Klepek. Er ist der Vorsitzende des MSC Reicholzheim. Doch mit der Zeit mussten die Aktiven feststellen, dass besagte Streuobstwiese nicht das ideale Gelände ist. „Das war einfach eine Nummer zu gefährlich zwischen den Bäumen zu fahren“, sagt Klepek rückblickend.
Der große Traum vom Rennen
Der große Traum der Vereinsmitglieder war damals schon, dass in Reicholzheim auch mal anerkannte Rennen ausgetragen werden können. Im Jahr 1994 war es dann soweit. Ein geeignetes Gelände in unmittelbarer Nachbarschaft war gefunden und die Anträge als Sondersportgebiet im Flächennutzungsplan gestellt. Im Jahr 2000 konnte das Gelände eingeweiht werden. Nur ein Jahr fand hier zum ersten mal ein Jugend-Moto-Cross-Laufs der baden-württembergischen Meisterschaft statt.
Das 2,5 Hektar große Gelände wurde 1998 für 25 Jahre vom Privatbesitzer und Vereinsmitglied Ralf Oetzel gepachtet. „Schon vor einigen Jahren kam dann das Signal von Oetzel, dass der Pachtvertrag nicht verlängert wird, weil die Fläche landwirtschaftlich genutzt werden soll“, so Klepek. Im Oktober 2023 läuft der Pachtvertrag für den derzeitigen Standort nun aus. Überraschend kam diese Kündigung nicht wirklich, gibt der Vereinsvorsitzende zu. „Natürlich war unser Wunsch, eine Einigung mit dem Besitzer zu finden, um bleiben zu können. Das hat aber nicht geklappt.“ Für den MSC ist die Kündigung und die damit verbundenen Aufgabe des Geländes ein großer Einschnitt. Sorgen um einen damit verbundenen möglichen Mitgliederschwund macht man sich jedoch im Verein kaum. „Anfang der 80er Jahre waren wir nur wenig Aktive die Moto-Cross gefahren sind. Durch zahlreiche Aktionen konnte aber das Interesse bei den Jugendlichen geweckt werden. Dadurch konnte der Verein viele neue Mitglieder gewinnen“, weiß Klepek.
Verein und Rennstrecke
Der MSC Reicholzheim wurde im Dezember 1981 gegründet. Aktuell zählt der Verein 180 Mitglieder. Die jüngsten Fahrer sind fünf Jahre alt.
Gefahren werden kann auch mit elektrisch angetriebenen Motorrädern, nach Absprache auch mit Seitenwagen und Quads.
Die Moto-Cross-Strecke hat eine Länge von 850 Meter und ist für 22 Fahrer ausgelegt.
Für Kinder und Einsteiger gibt es einen Extra-Parcours, Leih-ausrüstung und Vereinsmotorräder.
Jährlich wurde auf dem Gelände ein Lauf der baden-württembergischen Meisterschaften im Jugend-Moto-Cross ausgetragen. hei
Er selbst ist im Grundschulalter seit 1996 im Verein. „Ich habe noch auf dem alten Gelände zwischen den Obstbäumen auf dem Vereinsmotorrad, einer Kawasaki KX 80 angefangen“, schmunzelt Klepek bei der Erinnerung. Jahre später kaufte er sich ein baugleiches Modell, weil klar war, dass er dabei bleiben will. Über Mitgliederschwund konnte sich der Verein in den vergangenen Jahren nicht beschweren, auch wenn mittlerweile die wenigsten aus dem nahen Reicholzheim kommen.
Beliebt auch bei Zuschauern waren die jährlichen Läufe der baden-württembergischen Jugend-Moto-Cross-Meisterschaften auf dem Areal. Doch seit 2018 machte erst das schlechte Wetter, dann fehlende Helfer und zum Schluss die Pandemie einen Strich durch die Austragung der Rennen. Dennoch hatte man im Verein wieder an eine Neuauflage gedacht. Doch nun läuft der Pachtvertrag aus.
„Aktuell bemühen wir uns gemeinsam mit der Stadt um ein neues Gelände.“ Wie Klepek sagt, sei man mit verschiedenen Grundbesitzern im Gespräch. Im Moment sei zwar noch nichts entschieden, sicher ist aber, dass das neue Sondersportgebiet auf Wertheimer Gemarkung sein werde, verriet der Vorsitzende bereits.
Natürlich muss der Verein auch für den neuen Standort eine Genehmigung vorlegen (inklusive Flächennutzungsplanänderung und immissionsschutzrechtlicher Genehmigung). „Wir haben schon verschiedene mögliche Standorte untersuchen lassen, gerade was den Schallschutz und den Natur- und Artenschutz angeht.“ Noch liegen nicht alle Ergebnisse vor. Bislang habe sich aber ein Areal als besonders geeignet erwiesen. „Auch vom Gelände selbst wäre es für uns in Ordnung und ist sogar deutlich größer“. Doch noch steht keine Unterschrift unter einen Pachtvertrag.
Bei einer größeren Fläche könnten dann auch die neuen Rennvorschriften mit größeren Abständen der Fahrspuren zueinander umgesetzt werden. Damit erhalte man auch eine höhere Sicherheit für die Fahrer.
Kein nahtloser Übergang
Bis der aktuelle Pachtvertrag endgültig im Oktober 2023 ausgelaufen ist, müssen die Mitglieder noch einmal ordentlich Hand anlegen – und das nicht nur um die neue Strecke zu präparieren, sondern vor allem auch, um das jetzt benutzte Gelände komplett zurückzubauen. Das bedeutet unter anderem die Umsetzung des Rennbüros, die Rodung von Büschen und Bäumen, das Entfernen der unterirdischen Bewässerungsanlage und der Induktionsschleifen für digitale Zeiterfassung und zuletzt das Einebnen des Geländes.
Umgezogen werden soll, wenn der neue Pachtvertrag unterschrieben und das Genehmigungsverfahren abgeschlossen ist. „Nahtlos wird der Übergang sicher nicht sein. Wir werden wahrscheinlich zwischendurch auf Fremdstrecken ausweichen müssen“, vermutet Manuel Klepek. Den Aufbau der neuen Strecke bezeichnet der Motorsportbegeisterte als wachsenden Prozess. Für den Rück- und Wiederaufbau hat der Verein seit Jahren Rücklagen gebildet. Dennoch müssen Eigenleistungen erbracht werden. Bis dahin soll gefahren werden, was die Kubikzentimeter der Maschinen so hergeben.
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