Wertheim. Das Haus passt nicht so recht in die Umgebung. Umringt von den Neubauten in der Kurt-Lutz-Straße und dem modernen Gebäude der Edward-Uihlein-Schule, dazwischen nur ein kleiner Grünstreifen. So wirkt es wie ein Fremdkörper inmitten der klobigen Baukörper rundherum. Es handelt sich um ein architektonisches Idyll aus der spätbarocken Zeit, als Gärtnerhaus einst Teil das vormaligen Tauberhofgartens. Experten wie der Kunsthistoriker Jörg Pazckowski und der ehemalige Stadtarchivar Erich Langguth halten den Bau für ein immens wichtiges Wertheimer Kulturdenkmal.
Immens wichtiges Kulturdenkmal
„Für mich ist es mittlerweile zum Horrorhaus geworden“, sagt Christian Dosch bei einem Vorort-Termin mit den Fränkischen Nachrichten. Sein Urgroßvater Johann hatte das Gelände erworben, auf dem die Familie dann etliche Jahrzehnte ein Garten- und Landschaftsbauunternehmen betrieb. In dem Haus ist er mit seinen Brüdern aufgewachsen. Die Familie zog dann 1980 in einen Neubau wenige Schritte nebenan.
Von außen schon ist zu erkennen, dass der Bau nicht mehr in Ordnung ist. Die Dachtraufe schwingt in der Form mittig nach unten. Dieser Zustand sei auch schon auf sehr alten Foto zu sehen, sagt Christian Dosch. Der hellockern gestrichene Außenputz ist brüchig und fällt an vielen Stellen ab. Auch die Dachziegeln machen nicht den besten Eindruck.
Sanierung scheitert
Sein Vater Helmut, erzählt Christian Dosch, wollte Mitte der 1990er mit einer Sanierung starten und das Wichtigste erneuern. Die Fenster waren schon ausgemessen und bestellt.
Dann nahm der Vater Kontakt mit der Stadtverwaltung auf und wollte die Gestaltung der zu verwendenden Dachschindeln abstimmen. „Dass es Biberschwänze sein mussten, war ihm klar. Er wollte nur fragen, ob er normale, hellrote nehmen kann oder ein bisschen auf alt getrimmte, wie es sie damals beim Baustoffhandel gab.“
Daraufhin habe das Thema in der Stadtverwaltung die Runde gemacht. Es gab Bedenken. Sein Vater musste das Projekt stoppen. „Es kam eine Denkmalskommission“, so Dosch. Die Fenster sollten unbedingt wieder doppelflügelig sein. Zwar seien Zuschüsse aus der Denkmalpflege in Aussicht gestellt worden, und es gab einen entsprechenden Schriftverkehr mit den Behörden. Doch für seinen Vater barg das Projekt offenbar zu viele Unwägbarkeiten. „In den Anträgen tauchte immer wieder das Wort ,kann’ auf. Es war alles nicht klar genug.“
Wirtschaftlich riskant
Weil sein Vater auch nicht unbedingt großen Wert auf möglichst detailgetreue Nachbildung legte, habe er das Projekt schließlich endgültig auf Eis gelegt: wirtschaftlich zu riskant.
Später habe sein Vater über einen Abriss nachgedacht. Dann hätte er mit einem Ingenieur-Gutachten detailliert nachweisen müssen, dass eine Sanierung wesentlich mehr Kosten verursacht als der Abbruch, erklärt Christian Dosch – für seinen Vater erneut wirtschaftlich nicht darstellbar.
So nagt seither der Zahn mittlerweile über Jahrzehnte unerbittlich an der Substanz des Gebäudes. Das Dach ist stellenweise undicht. Bei der längeren Frostphase kurz vor Weihnachten im vergangenen Jahr kam ein weiteres Malheur hinzu: Leitungen froren ein und barsten. Ergebnis: Wasserschaden.
Schimmel
Die Folgen sind natürlich enorm und bereiten Christian Dosch großes Kopfzerbrechen. Bei einer Begehung wird klar: Schimmel breitet sich aus.
Die Fenster will er zur Lüftung nicht öffnen, dann würden möglicherweise wieder Vandalen wüten, wie es schon einmal geschehen ist. Die Zentralheizung mag er nicht einschalten, weil er fürchtet, dass Feuchtigkeit die Anlage bei laufendem Betrieb beschädigen könnte. Im Obergeschoss hat er den Strom abgestellt.
Ohnehin ist der bauliche Zustand im Innern höchst bedenklich: Der Putz ist teils von der Decke gefallen. Die für Altbauten typische Stroh-Lehm-Mischung liegt auf dem Boden. Schimmelpilz wächst auf vielen Flächen.
Eine Sanierung, das ist schnell klar, würde Unsummen verschlingen. Christian Dosch und seine Brüder, die gemeinschaftlich Eigentümer des Hauses sind, können die hohen Kosten nicht stemmen.
Eine Lösung ist derzeit nicht in Sicht. Dosch möchte eigentlich nicht mehr auf dem Anwesen wohnen.
„Mir gefällt es nicht mehr. Früher hat man hier wie auf dem Land gelebt. Jetzt herrscht in der Kurt-Lutz-Straße Parkchaos.“ Wie es weitergeht? Christian Dosch hat keine Antwort.
URL dieses Artikels:
https://www.fnweb.de/orte/wertheim_artikel,-wertheim-architektonische-perle-in-wertheim-fuer-eigentuemer-ein-horrorhaus-_arid,2057195.html