Dertingen. Unter dem Motto „Alte Musik trifft moderne Klänge“ trafen sich am Samstagsabend in der Dertinger Mandelberghalle fünf Chöre und einige weitere Interessierte zu einem Liederabend von Rock bis Renaissance, veranstaltet vom Liederkranz Dertingen. Die etwa 30 Sängerinnen und Sänger dessen Erwachsenenchors „Vocalis“ begrüßten ihre Gäste mit dem Song „Willkommen“ aus dem Musical „Cabaret“. Die Liederkranz-Vorsitzende Michaela Dosch eröffnete charmant den Abend und Ortsvorsteher Bernhard Schneider gratulierte in seinem kurzen Grußwort dem Verein zu dessen 140-jährigem Bestehen.
Unter der musikalischen Leitung von Hanna Stollberger verbreitete der auch altersgemischte Dertinger Chor sogleich gute Stimmung mit einem Scherzlied aus der Renaissance. „Der Floh“ von Erasmus Widmann erschien so realistisch, dass sich vor feixendem Publikum der ganze Chor kratzen musste. Danach brachte „Vocalis“ den amerikanischen Folksong „Oh Shenandoah, across the wide Missouri“ zu Gehör.
Hatte ein Zufallsgenerator eine „Random Playlist“ für den Abend gestaltet? Nein, denn Sprünge über Kontinente und durch Jahrhunderte spannen einen roten Faden durch das Programm. Und mit roten Hosenträgern auf weißen Hemden trug als zweiter Chor der Männer-Gesangsverein Remlingen, geleitet von Hans-Joachim Richl, zunächst recht innig und verhalten zwei Hohenloher Volkslieder vor. Danach gelang den 14 meist betagteren Herren mit dem „Fürstenfeld-Lied“ im Saal eine Riesen-Gaudi. Vor 40 Jahren stand der launige Austro-Pop-Song der Gruppe STS schließlich auch sechs Wochen lang auf Platz Eins der österreichischen Hitparade.
Abgedroschenes, neu aufgebacken
Mit Oliver Gies‘ „Kleiner grauer Falter“ starteten anschließend die über 40 Sängerinnen und Sänger der „Oktavenspringer“. Es folgte der „Queen“-Hit „Don’t stop me now“, von Chorleiterin Susanne Skirde technisch brillant einstudiert. Der Rocksong klang allerdings geradezu altbacken im Vergleich zur unmittelbar folgenden komödiantisch dargebrachten Oberkrainer Trompetenpolka von Slavko Avsenik. Chorsängerin Katja Roth vertraute dem Publikum an, sie habe sich zunächst gefreut, mal keinen Text einstudieren zu müssen. „Aber für dieses Stück braucht es maximale Konzentration und Zungenakrobatik“. Schnalzend, schmetternd und schunkelnd ließen die „Oktavenspringer“ erahnen, wie viel Spaß sie an Vocalisen und Scatten haben. Die Bitten des Publikums um Zugabe blieben leider unerfüllt.
Nach einer Pause trat erneut Hanna Stollberger ans Pult, diesmal mit dem gemischten Chor „Contutti Remlingen“ und einem fast 500 Jahre alten bezaubernden Lied von Orlando di Lasso. Der anschließende Song „Schuhe“ der Musikkabarettistin Ina Müller fand rasenden Anklang beim Publikum und wieder folgte ein Gassenhauer der Kult-Gruppe „Queen“. „We will rock you“ war durchaus ernst gemeint, ebenso der Chorname. „Contutti“ rockte den Saal und alle sangen und klatschten gemeinsam einen der bekanntesten Titel der Musikgeschichte.
Danach wäre es vielen Chören schwergefallen, das Publikum für sich zu gewinnen, nicht aber den über 40 Uettinger Sängern mit ihrer stimmgewaltigen Dynamik. Mit der sparsam gestalteten Schnulze „Rosemarie“, dem Song „Freunde fürs Leben“ und dem Schunkellied „Weinland“ nahmen die meisterhaft vielstimmigen Herren unter der Leitung von Josef Kampert den Saal für sich ein. Danach konnte „Vocalis“ für den letzten Set sein Spiritual „Sinner you know“ nur flüsternd beginnen, um dann den Udo Jürgens-Schlager „Griechischer Wein“ polyphon zu völlig neuem Leben zu erwecken und schließlich romantisch das Programm mit „Nun leb wohl, du kleine Gasse“ überzeugend abzurunden
„Vocalis“ hatte seine Vielseitigkeit gezeigt und setzte mit der 90er-Jahre-Zugabe „What’s up“ von den 4-Non-Blondes mit Gitarre und Solo-Einlage von Julia Simny noch eins drauf. Unter großem Applaus fasste Gastgeberin Jutta Schneider in ihrem Schlusswort den Abend zusammen: „Es war großartig!“
Zum Glück haben vier der fünf Chöre keinerlei Nachwuchssorgen und mit Kinder- und Jugendchören sorgen die Dertinger ebenso wie die Oktavenspringer für altersgerechte Angebote. Schneider dankte der Dertinger Musikkapelle und allen Vorbereitungsteams für die Hilfe und zum Abschluss sangen alle in der Halle gemeinsam das weinselige „Mandelberg-Lied“.
Dem Ortsvorsteher war der Mandelberg allerdings am Samstag nicht hoch genug. Er erbat beim Uettinger Männergesangsverein die Zugabe „La Montanara“. Die Tenöre legten vor, die Bässe nach, alle auswendig auf Italienisch, andächtig und eindrucksvoll. Völlig verdienter Riesenapplaus, und anschließend sangen und musizierten die Uettinger gemeinsam mit Sangeslustigen weiter zu Gitarre und Quetschkommode. Dertingen kann sich freuen über seinen Liederkranz und dessen fröhliche und stimmkräftige Gäste.
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