Traditionspflege

Von Mosch bis Sinatra

Fred Prokosch und die Egerlandmusikanten begeistern das Publikum in Külsheim

Von 
Jens-Eberhard Jahn
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Fred Prokosch und die Egerlandmusikanten begeisterten das Publikum. © Jahn

Külsheim. Fast drei Stunden lang lauschte das Publikum der Blasmusik in der Festhalle lautlos wie im Konzertsaal. Fred Prokosch und die Egerlandmusikanten ließen 19 Polkas, sieben Walzer und drei Märsche ertönen. Bei den Zugaben aber hielt es die über 150 Blasmusikbegeisterten nicht mehr auf den Sitzen.

Vor 30 Jahren hatte der Sohn einer böhmischen Mutter und eines Egerländer Vaters begonnen, deren musikalische Traditionen mit dem Aufbau eines Blasorchesters zu erhalten. Den FN erklärte er die Unterschiede zwischen bayrischer, böhmischer Blasmusik und der des Egerlands. Der Vollblutmusiker: „Hier in Tauberfranken war die Blasmusik ja fast unbekannt, bevor 1946 die Deutschen aus der Tschechoslowakei vertrieben wurden.“ Das erkläre auch, dass viele Musikvereine und Blasorchester der Region an der Egerländer Musiktradition überhaupt nicht vorbeikommen. „In meinem Orchester gibt es keinen einzigen mit sudetendeutschen Wurzeln“, weiß Prokosch.

Alle Egerlandmusikanten spielen auch in lokalen Gruppen. Fred Prokosch gelingt es seit Jahren, die besten Amateurmusiker Region für sein Orchester aufzutreiben. Matthias Heinrich freut sich über die Qualität der Egerlandmusikanten: „Die können was, das hört man“. Der promovierte Wirtschaftsprüfer leitet in seiner Freizeit den Musikverein Uissigheim und hat das Külsheimer Konzert federführend organisiert. Sein Ziel: „Einmal pro Jahr möchten wir hier ein solches Konzert mit Gastmusikern durchführen.“

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kst
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In Külsheim führte der Werbacher Bürgermeister Georg Wyrwoll durch den Abend. „Ich habe bestimmt schon 20 Mal die Konzerte von Fred und seinen Musikanten moderiert, schon lange, bevor ich Bürgermeister wurde“, erzählt der Hobby-Musiker. Er sei überzeugt: „Böhmische Blasmusik hat die Fähigkeit, unsere Seelen zu berühren.“. Wyrwoll wies auch auf den wachsenden Beliebtheitsgrad dieser Musik bei der Jugend hin.

Kein Amateur, sondern der junge Profimusiker Lukas Bruckmeyer aus dem Donauries hatte das erste Stück des Abends komponiert. Der Titel des Konzertmarsches war Programm: „In vita optimum“ – „Im Leben das Beste“. Bruckmeyer hat in Augsburg, Wien und München Ensembleleitung und Komposition studiert und widmet sich vorrangig böhmischer Blasmusik. Sein „optimaler“ Marsch zitiert allerdings bei weitem nicht nur böhmische Motive. Im Mittelteil erklangen ruhige und zugleich temperamentvolle Themen aus spanischen Prozessionsmärschen und italienischer Platzmusik.

Virtuoser Höhepunkt war die Polka „Tanz mit mir“ mit Lothar Bachert auf der Soloklarinette. Doch alle Musiker beherrschten ihre Instrumente. Etlichen der vielen Walzer und Polkas begleiteten Andrea Bachert und Klaus Lang mit Gesang, der viele im Publikum erfreute, mitunter aber die Konzentration auf die Leistungen der Querflöten, Klarinetten, Hörner, Posaunen, Trompeten und Tuben beeinträchtigte.

Bei seinen neun Anmoderationen kam Wyrwoll auch auf Ernst Mosch zu sprechen. Er arrangierte viele Werke tschechischer Komponisten und komponierte eigene im egerländischen Stil. Mosch war es nie vergönnt, nach dem Zweiten Weltkrieg in seiner Heimat mit seinen Musikanten aufzutreten. Doch mittlerweile verbindet die Blasmusik wieder eher, als dass sie trennt. Fred Prokosch ist überzeugt, dass ohne die Tschechen auch die deutsch-böhmische Blasmusik nicht denkbare wäre.

Anders als egerländisch spielte zunächst auch Mosch, als er in den 1950er Jahren seine Musikerkarriere bei der SWR-Bigband begann. Folgerichtig war es daher in Külsheim, dass Prokosch das Wagnis einging, seine Egerlandmusikanten in eine Bigband zu verzaubern. Die Band schmetterte „New York, New York“, die durch „The Voice“ Frank Sinatra weltberühmt gewordene Filmmusik. Die Verwandlung des Orchesters überzeugte bei jedem Takt. Und die darauf folgende „Regenbogenpolka“ spannte den Bogen von Manhattan zurück in „den Überlieferungszusammenhang der fernen Legende Egerland“, wie Wyrwoll nachdenklich die Pflege dieses musikalischen Erbguts charakterisierte.

Fred Prokosch und seine Egerlandmusikanten spielten in Külsheim nicht nur ehrlich, sondern auch ehrenamtlich. Das Eintrittsgeld sollte nur die Kosten für die wirklich kostbare Musik decken. Wyrwoll präsentierte dem Publikum die Rechnung: „Pro Cent Eintrittsgeld wurden elf Noten zum Klingen gebracht!“

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