Ehemalige Synagoge

Temperamentvolle Weltmusik – heiter, aber nicht zu sehr

Das Quartett „Allegro ma non troppo“ aus Würzburg präsentierte Lieder von Tango über Chanson bis zu Pop

Von 
Jens-Eberhard Jahn
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Das Quartett „Allegro ma non troppo“ begeisterte das Publikum in der ehemaligen Synagoge in Wenkheim mit mehrstimmigem Gesang in mehreren Sprachen. © Jens-Eberhard Jahn

Wenkheim. Heiter – aber nicht zu sehr. Auf Italienisch heißt das „Allegro ma non troppo“, und so nennt sich das Quartett aus Würzburg, das am Freitag in der ehemaligen Synagoge in Wenkheim aufgespielt hat. Virtuos begeisterten die Musiker auf Geige, Gitarre, Cello, Bass, Flöte, Quetschkommode, Cajon, Kazoo und Gesang etwa 30 Enthusiasten in der „Schul“ mit Weltmusik. Die musikalische Welt des Quartetts reichte vom Tango über Zaz-Chanson-Klassiker zu den Beatles, von alpiner Polyphonie zu Tänzen der Sinti und Roma. Die Würzburger arrangierten bekannte Melodien eingängig und eigenwillig. Als musikalischen Einstieg wählte das Quartett ein jüdisches Friedensgebet. Gerade Osteuropa und Nahost bräuchten Friedensengel am dringlichsten.

Birgit und Sigi Hutzel, Uli Preu und Hermann Tzschaschel beherrschen ihre Stimmen und noch besser ihre Instrumente wie im Traum und konnten zeigen, wie völlig verschiedene Klangfarben virtuos ein vielfarbiges musikalisches Weltbild ergeben können.

Um der Vielstimmigkeit sprachlich noch eins drauf zu setzen sangen sie auf Deutsch, Englisch, Französisch, Hebräisch, Italienisch, Jiddisch, Romani, Spanisch, Xhosa und Zulu. Denn zu Mannigfaltigkeit der Welt gehören auch ihre Sprachen. „Wir wollen unser Publikum mit der Vielfältigkeit unseres Programms berühren“, fasst Tzschachel Motivation und Ziel des Quartetts zusammen. Zur Vielfalt gehörten auch Lesungen kurzer Texte von Bert Brecht, des magischen Realisten Jorge Luis Borges und des chilenischen Antifaschisten Pablo Neruda.

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Passend zum Band-Namen kam der Titel ihres Programms auch italienisch daher und lautete „così è la vita“. Zu Deutsch: So ist das Leben. Vielstimmig in Moll und Dur ist wohl jedes Leben. Heiter – aber nicht zu sehr, nicht immer und vor allem nicht überall auf der Welt. Denjenigen auf der Welt, deren Leben weniger heiter ist, war das Programm des Würzburger Quartetts gewidmet. in Wenkheim spielten die vier Vollblutmusiker ein Benefizkonzert für Kinder und Jugendliche in Sambia. Der Böttigheimer Sambia-Verein hatte das Konzert organisiert.

Die Vereinsvorsitzende Anita Bartsch erklärt ihr Engagement: „Unser Verein kümmert sich um Aids-Waisen und andere bedürftige Kinder. Wir tragen dazu bei, dass Kinder in Sambia ein Schulessen bekommen. Jugendlichen ermöglichen wir eine Ausbildung, damit sie sich in ihrem Heimatland als qualifizierte Handwerker eine gesicherte Existenz aufbauen können. Das erreichen wir vor allem über Spenden und unsere Benefizkonzerte.“

Virtuose Weltmusik öffne laut Bartsch Ohren und Herzen für diejenigen, deren Leben nicht nur heiter ist. „Allegro ma non troppo“ – Nicht zu heiter.

Und damit wurde der musikalische Abend auch sehr politisch, karikativ und religiös: Denn nicht die Heiteren fliehen laut Bartsch nach Europa, sondern die Verzweifelten. Der Böttigheimer Sambia-Verein möchte dazu beitragen, dass Menschen in Sambia nicht verzweifeln, sondern in ihrer Heimat eine Zukunft haben. Das klappt nicht immer - so ist das Leben, „così è la vita“. Das Benefiz-Konzert am Freitag konnte zumindest für Sambia einen Beitrag leisten.

Der Ort dazu war ideal. Die ehemalige Wenkheimer Synagoge ist mittlerweile als Kulturzentrum etabliert und bekannt. Vor der Shoa war etwa ein Viertel der Bevölkerung des Ortes jüdischen Glaubens. Heute ist die frühere Synagoge Gedenkstätte und Gedenkort an das Judentum in Tauberfranken. Klares Ziel des Judentums: Verbesserung der Welt, hebräisch: „Tikkun olam“. Schulfrühstück und Berufsausbildung in Sambia verbessern die Welt. Das Wenkheimer Konzert des Würzburger Quartetts war ein in jeder Minute, jedem Takt und Vers mitreißender Appell für Weltoffenoffenheit und gegen wachsenden Nationalismus, musikalisch temperamentvoll, aber nicht zu heiter. Denn zu heiter ist das Leben nicht, nicht in Franken und erst recht nicht in Sambia. Es ist, wie es ist - „così è la vita“. Und bei der Zugabe hatten nicht wenige im Publikum Tränen in den Augen: Die Würzburger spielten virtuos und mit Inbrunst die Hymne „Nkosi sikelele iAfrika“, gleichermaßen Kirchenchoral wie Protestsong und heute in geringfügig verschiedenen Varianten Nationalhymne von Südafrika und Sambia. Ein heiteres Lied – aber nicht zu heiter.

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