Natur - Alpakaherde in Gamburg soll zu Therapie-und Erholungszwecken eingesetzt werden / Wolle- und Dungverkauf soll folgen / Weideflächen gesucht

Gamburger Alpakas: Mit Hardy und Helmut durch den Wald

Wer ihnen in die Augen schaut, der könnte sich in die Tiere verlieben, heißt ein Sprichwort. Kaum ein Besucher kann sich der Faszination der Alpakas entziehen – vor allem nicht ihrer Gelassenheit. Und das wollen zwei Gamburger jetzt nutzen.

Von 
Heike Barowski
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Gamburg. „Seit unsere Alpakas hier stehen, braucht die Polizei keine Geschwindigkeitskontrollen mehr zu machen.“: Kerstin Dressel muss fast lachen, als sie das sagt. Die Gehege sind direkt an der Landstraße und sorgen dafür, dass alle langsam fahren, weil jeder einen Blick auf die Tiere werfen will.

Die sympathische gebürtige Dresdnerin zog gemeinsam mit ihrem Mann Tobias Tschöp Ende 2006 nach Gamburg. Sie übernahmen das ehemalige Gelände Oetzel und verlegten ihren Firmensitz von Kreuzwertheim dorthin.

Seit wenigen Monaten nun sind sie stolze Besitzer einer Alpaka-Herde. „Wir haben schon immer damit geliebäugelt und dann ergab sich vor ein paar Monaten die Gelegenheit“, erzählt Tobias Tschöp. Aus den fünf Tieren, die aus dem Streichelgehege eines niederländischen Zoos stammen, ist inzwischen eine stattliche Herde geworden. Sie umfasst 17 Tiere, darunter fünf noch recht junge Stuten. Letztere stehen in einem besonderen Gehege etliche Meter von den Hengsten entfernt. „Die Hengste würden sonst durchdrehen“, sagt Tschöp, während er die Tiere mit ein wenig Kraftfutter aus einem Eimer verwöhnt.

Jogi ist der „Chef“

Ein leises Grunzen, ein Zischlaut, ein vorsichtiges Treten – die Rangordnung muss eingehalten werden. Hengste, die sich nicht daran halten, werden sanft zurechtgewiesen. Wer der „Chef“ im Gehege der „Alten“ (sechs bis elf Jahre alte Tiere) ist, wird sofort klar: Groß und stattlich steht Jogi da und lässt keinen Zweifel an seiner Rolle aufkommen.

Ganz anders Bambi. Der Hengst im Gehege der „Teenager“ ist noch nicht mal zwei Jahre alt, hat rehbraunes, extrem kuscheliges Fell. Wenn seine sehr dunkelbraunen Kulleraugen sanftmütig einen anblicken, ist’s geschehen. In der Heimat der Tiere, in Peru, gibt es ein Sprichwort dafür: Schau einem Alpaka nie zu tief in die Augen, du könntest dich verlieben.

Neugierig kommen Shaggy und Camel heran, stupsen an die Hand und lassen sich ohne Probleme streicheln. „Das war vor ein paar Wochen noch nicht möglich“, erzählt Kerstin Dressel. Alpakas sind eine Kamelart und eigentlich Fluchttiere. Fast täglich nehmen Kerstin Dressel und ihr Mann deshalb Teddy und Co ans Halfter, um mit ihnen zu trainieren. Sie sollen spätestens im nächsten Sommer als Therapietiere eingesetzt werden. Geplant sind unter anderem Begegnungen mit reinen Streicheleinheiten, vor allem aber kleine und größere Wandertouren mit den Tieren. Als Ziele können sich die beiden Besitzer beispielsweise den Uissigheimer Aussichtsturm, die Luthereiche in Höhefeld oder die Beghardenhöhle in Niklashausen vorstellen. Bei einem zünftigen Vesper, das auch schon mal im urigen Schäferwagen stattfinden kann, erfahren dann die Wanderer alles Wissenswerte über die Tiere.

„Der Weg ist das Ziel“, beschreibt Kerstin Dressel das Angebot, das sich nicht nur an Menschen mit Handycap und an Kinder, sondern auch an Erwachsene richtet, die einfach mal für ein paar Minuten oder Stunden abschalten und Ruhe finden wollen und gleichzeitig ein ganz besonderes Natur-Erlebnis haben möchten. „Die Menschen lechzen förmlich nach so einer Erfahrung“, ist Kerstin Dressels Eindruck.

So besuchen etwa Tagesmütter mit ihren Kindern, Leute aus der Nachbarschaft und Spaziergänger immer wieder die Tiere in Gamburg und mit den Besitzern ins Gespräch. Auch eine Art Kooperation mit dem Kindergarten könnten sich Kerstin Dressel und Tobias Tschöp vorstellen.

Artgerechte Haltung

Um eine Alpakaherde artgerecht zu halten, müssen verschiedene Bedingungen erfüllt sein, beispielsweise ist eine Mindestfläche vorgeschrieben, genauso wie ein Unterstand. Der ist notwendig, weil die Tiere durchaus Kälte und Schnee mögen, sich bei Regen aber gern unterstellen. Auch müssen die Tiere jeden Sommer geschoren werden, damit sie keinen Hitzschlag bekommen. Die Wolle der Alpakas ist übrigens perfekt für Allergiker geeignet und anders als Schafwolle nicht rückfettend. Sie wird deshalb besonders gern zum Füllen von Kopfkissen und Bettdecken verwendet. Dressler und Tschöp können sich durchaus vorstellen, in Zukunft sowohl die gesponnene Wolle als auch das Füllmaterial zu verkaufen.

Nachhaltig wirtschaften

„Nichts unverwertet lassen, nachhaltig wirtschaften“ ist das Lebensmotto der beiden Besitzer. Das setzen sie auch mit ihrer Herde um. So sind die Unterstände für die Alpakas beispielsweise recycelte Lkw-Anhänger. Die Futterkörbe wurden bereits vom Vorbesitzer des Grundstücks ausrangiert und der hübsche Schäferwagen ist gebraucht erworben.

Alpakas sind recht reinliche Tiere. Sie legen eine Stelle im Gehege als „WC“ fest – nur dort fallen dann auch die Köttel. Alpaka-Dung – auch als „Green Beans“ oder „Alpaka Gold“ bezeichnet – besitzt als reiner Biodünger hervorragende Eigenschaften. Das wissen natürlich auch Dressler und Tschöp.

Mit einem Sauger sammeln sie deshalb mechanisch die tatsächlich kaum riechenden „Bohnen“ auf. Diese können dann in getrockneter Form als Dünger verwendet werden. Auch dieses Produkt wollen die Gamburger in Kürze anbieten. Doch noch sind die Versuche, den Dünger herzustellen, nicht ganz beendet und ihre Homepage erst im Entstehen. Derzeit setzen Dressler und Tschöp noch auf „Mund-zu-Mund-Propaganda“, beispielsweise bei der Suche nach dringend benötigten geeigneten Weideflächen.

Die fünf „Mädels“, wie Kerstin Dressel die zehn Monate alten jungen Stuten auch gern mal bezeichnet, haben übrigens noch keine Namen. „Wir haben gedacht, wenn jemand eine Patenschaft übernehmen will, also einen kleinen Obolus entrichtet und mal zum Füttern, streicheln und ausführen kommt, der darf dem Tier dann den Namen geben“, sagt Kerstin Dressel.

Redaktion Im Einsatz für die Lokalausgabe Wertheim

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