Historisches - Die bewegende Geschichte der Weikersheimer Ratstochter Caroline Henne / Für Fürst Ernst war sie die große Liebe / In Hollenbach Kronen-Wirtin

Zwei Frauen, zwei Kinder und ein Eklat

Fürst Ernst hatte in England geheiratet – und liebte die Bürgerliche Caroline Henne aus Weikersheim. Zwei Kinder aus diesen zwei Beziehungen kamen fast zeitgleich zur Welt. Ein Eklat.

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Dr. Carlheinz Gräter
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Illegitimer Sohn des Fürsten (sitzend links): Ludwig Henne mit seiner zweiten Frau (vorne rechts) und etlichen seiner insgesamt 17 Kinder. © Archiv Dr. Carlheinz Gräter

Weikersheim. Die Liebe treibt mit uns allen ihr seltsames Spiel. Sie mischt ihre Akteure und Opfer oft genug unabhängig von Aussehen, Alter, Charakter, Herkunft. Das war so, das ist so, und das wird so bleiben.

Kein Wunder, dass dieses sanfte Gesetz, lang vor unserer Klatschpresse, die Zeitgenossen, vor allem die Weiblichkeit, beschäftigt hat. Das gilt vor allem für die Prominenz oder das, was sich dafür gibt. Über die Jahrhunderte ist das vor allem für den Adel so geblieben, wenn sich blaues Blut mit bürgerlichem, ja bäuerlichem mischte.

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Das kann tragisch enden, wie in der Beziehung zwischen dem elsässischen Grafen Jakob von Lichtenberg und Schön Bärbel von Ottenheim, die sich nach seinem Tod 1484 im Gefängnis erhängt hat. Das kann zur Heirat samt Standeserhöhung oder Standesverzicht führen oder in bitterer Resignation erlöschen. Aus dem Stegreif ließen sich von jedem historisch einigermaßen aufgeklärten Leser Dutzende von Beispielen aus fast allen, auch regierenden Häusern, nennen.

Noch immer mischen bei derlei Betrachtungen oft moralische Kurzschlüsse des Publikums mit. Vor allem dann, wenn vergessen wird, dass nicht nur früher in adligen, voran fürstlichen Kreisen, allzu oft weniger geheiratet als vielmehr verheiratet wurde: von den Eltern, aus dynastischen, politischen wie finanziellen Gründen, und das nicht selten schon in den Kindesaltern. Ob sich in derlei Ehen dann Zuneigung, Liebe gar einstellte, schien belanglos. Die Männer hatten es hinterher meist leichter als die Frauen, neben einer standesgemäßen Pflichtehe frei gewählte Herzensbeziehungen zu wählen oder sich schlicht anderswo auszutoben.

Geheimnisvolle alte Mappe

Im Jahr 1966, kurz vor ihrem Tod, übergab die Mergentheimerin Hedwig Schütte, Frau des bekannten Heilpraktikers Rudolf Schütte, ihrer vierzehn Jahre alten Tochter Barbara eine Mappe mit Dokumenten. Sie bargen ein Geheimnis, über das zuvor in der Familie nie gesprochen worden war. Staunend las da die Tochter, dass sie die Ururenkelin des Fürsten Ernst I. zu Hohenlohe-Langenburg war. Die Ahnenreihe knüpfte sich standesamtlich lückenlos zusammen. Ihre Großmutter Rosine mütterlicherseits, geboren 1883 in Hollenbach, war eines der 17 Kinder aus zwei Ehen, die Ludwig Henne, Jahrgang 1839, geschlossen hatte. Und in Hollenbach wusste damals jedes Kind, daß Ludwigs Mutter Caroline Henne, die langjährige Geliebte des Fürsten Ernst I. war, der sie oft, hoch zu Roß oder in der Kutsche, besucht hat.

Fürst Ernst I. zu Hohenlohe-Langenburg (1794 – 1860). © Archiv Gräter

Wer war nun diese Caroline Henne ? Sie kam 1805 in Weikersheim als Tochter des wohlhabenden Ratsherrn und Kaufmanns Ludwig Heinrich Henne und seiner Ehefrau Katharina Mühlberger zur Welt. Wann und wie sie Fürst Ernst kennengelernt hat, wissen wir nicht, ebenso wenig, was sie ihrem einzigen Kind, eben dem Sohn Ludwig, davon erzählt hat. Wenn nicht Seine Majestät der Zufall uns noch irgendwelche intimen Erinnerungen aus dem Weikersheim des frühen 19. Jahrhunderts beschert, wird dies ein Geheimnis bleiben.

Bekannt ist ja nur, dass erst die Oehringer, dann die Langenburger Erben der Linie Hohenlohe-Weikersheim das einstige Residenzschloss im Mündungswinkel von Tauber und Vorbach damals regelmäßig als Sommersitz aufsuchten. Bei einem dieser Aufenthalte wird Erbprinz Ernst seine Mademoiselle Henne kennengelernt haben. Ihr Vater war 1814 früh schon, im Alter von 36 Jahren, verstorben, Caroline als Halbwaise zurückgeblieben.

Selbst das Profil des Fürsten Ernst I. erscheint, abgesehen von einer Handvoll offizieller Daten, recht vage. Er war 1794 in Langenburg als ältester Sohn des Fürsten Carl Ludwig und dessen Frau, einer Gräfin Amalie Henriette, gebürtigen Solms-Baruth, zur Welt gekommen. Der regierende Herr Carl Ludwig wurde samt all den andern reichsunmittelbaren Hohenlohe im Gefolge der napoleonischen Flurbereinigung der deutschen Staatenkarte mediatisiert, verlor also die formelle Souveränität und wurde zum Standesherrn des neugebackenen württembergischen Königs Friedrich degradiert; Eigenbesitz sowie gewisse Privilegien verblieben den ehmals regierenden Standesherrschaften. 1825 starb Fürst Carl Ludwig.

Erbprinz Ernst studierte drei Jahre in Tübingen und Heidelberg, trat freiwillig in den württembergischen Heeresdienst ein, wurde Mitglied der Ständeversammlung sowie 1835, inzwischen selbst Fürst, Präsident der Ersten Kammer des württembergischen Landtags. Nach häufigen Krankheiten zog er sich 1858 aus der Politik zurück. Zwei Jahre darauf starb er.

Zweimal ein Skandal

1828 hatte Ernst im Kensington Palace die Prinzessin Feodora zu Leiningen, die ältere Halbschwester der britischen Königin Victoria, geheiratet. Die junge Fürstin zog sich, wohl wegen der Leidenschaft ihres Mannes für die Weikersheimerin Caroline, früh nach Baden-Baden zurück. Ernst besuchte sie wiederholt an der Oos und zeugte mit ihr dort sechs Kinder.

Als 1839 sein letztes legitimes Kind, eine Tochter, sowie in Weikersheim Carolines Sohn Ludwig fast gleichzeitig zur Welt kamen, war der Eklat da. Ernst brachte seine Geliebte aus der Schusslinie; sie zog nach Hollenbach, wo ihr der fürstliche Güterverwalter Ilg in Ernsts Auftrag umfangreiche Ländereien übergab.

Hinzu kam 1858 noch das Gasthaus zur Krone; 1719 errichtet, ist es wohl das älteste profane Bauwerk des Dorfes.

1860 starb Fürst Ernst I. und wurde in Langenburg ob der Jagst beigesetzt. Als 1872 Fürstin Feodora in Baden-Baden ihr Leben endete, kam es zum zweiten Eklat. In ihrem Testament hatte sie festgesetzt, ihre letzte Ruhestätte sei nicht neben ihrem Mann Ernst in Langenburg, sondern an der Oos. Das Warum war damals noch bekannt, die Hollenbacher Kronenwirtin Caroline Henne hat ihren Liebsten ein Vierteljahrhundert überlebt und starb erst 1885, ihr gemeinsamer Sohn Ludwig 1910.

Dreizehn der 17 Enkel und Enkelinnen Carolines sind nach England, teilweise dann auch nach Kanada, ausgewandert. Zwei Weltkriege, zwei Zusammenbrüche, das Ende der Monarchien im Reich, Inflation, Nationalsozialismus und millionenfache Vertreibung folgten. Selbst im Hause Hohenlohe-Langenburg war die Liebesgeschichte um Fürst Ernst und seine Caroline offenbar in Vergessenheit geraten, als sich Barbara Schütte-Posoli, unterstützt von Ahnenforschern, Heimatkundlern und Historikern, der Familiengeschichte zuwandte.

Noch eine verbotene Liebe

Ludwig Hennes ausgewanderte Nachkommen waren achtbare Leute. So gehörte der 1887 geborene Gottlob Henne dem Vorstand einer deutschen protestantischen Kirche in London an. Dabei lernte er den späteren Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer kennen, der in den frühen dreißiger Jahren als evangelischer Pfarrer in der britischen Hauptstadt tätig war und seine Gemeinde vor dem Einfluss der NS-nahen sogenannten Deutschen Christen bewahren wollte.

Gottlob half ihm dabei ebenso wie jüdischen Emigranten. Dafür erhielt er 1952 die Ehrenbürgerwürde seiner Heimatgemeinde Hollenbach; ihr vermachte er eine Summe für den Guss einer neuen Taufglocke, nachdem die erste Glocke im Weltkrieg eingeschmolzen war.

Und seinem 1891 geborenen Bruder Eugen Henne wurde 1969 in der Londoner deutschen Botschaft das Verdienstkreuz der Bundesrepublik für seine ehrenamtliche Arbeit vor allem bei der Unterstützung jüdischer Emigranten wie deutscher Kriegsgefangenen verliehen.

Fürst Ernst I. hatte seiner langjährigen Geliebten Caroline Henne unter andern Gütern auch das „Gasthaus zur Krone“ in Hollenbach vermacht. © Hollenbacher Heimatbuch

Weikersheimer Palais zerstört

Erneuten Schwung bekam Barbara Schüttes Herkunftssuche, als 2011 der Historiker Jörg Mann in Langenburg einen Vortrag über den Fürsten Carl zu Hohenlohe-Langenburg hielt. Der war 1829 als Sohn Ernsts I. und der Leiningerin geboren worden. Wie sein Vater verliebte er sich in eine Bürgerliche, in die Weikersheimer Metzgerstochter Marie Dorothea Grathwohl, auch Gerathwohl geschrieben. Die beiden hatten sich auf dem Jagdschlösschen Carlsberg kennengelernt. Erbprinz Carl wollte heiraten; die Eltern waren dagegen.

So verzichtete er zwar nicht auf seinen Fürstentitel, wohl aber auf die Langenburger Standesherrschaft, als er 1861 in Paris seine Marie Dorothea heiratete; fast ein halbes Jahrhundert lang lebten so zwei Fürsten zu Hohenlohe-Langenburg nominell nebeneinander her – Carl und sein jüngerer Bruder Hermann.

Dieser Hermann gehörte zunächst dem Reichstag an, wurde zum Präsidenten der Deutschen Kolonialgesellschaft gewählt und amtierte von 1894 bis 1907 als Reichsstatthalter von Elsaß-Lothringen in Straßurg.

Carl nahm sein Wohnrecht auf Schloss Weikersheim nicht wahr, da seiner Frau wie seinen Kindern der Aufenthalt dort versagt geblieben war. Das junge Ehepaar bezog stattdessen das Palais im „Ruingarten“ hinterm Schloss jenseits der Vorbach. Dort hatte der letzte Erbprinz der Weikersheimer Linie in den Bruckgärten um 1740 einen Pavillon in Form einer zweitürmigen künstlichen Ruine, innen barock ausgestattet, errichtet. Der sogenannte „Ruin“ wurde später mehrfach umgebaut und diente bis 1794 als Gasthof. Unter dem reichen Hoffaktor Pfeiffer Anschel übernachtete hier 1810 sogar der württembergische König Friedrich.

1861 erwarb Carl das inzwischen stattlich ausgebaute Palais für seine Familie. 1877 kam es an die Orgelbauerdynastie Laukhuff, die eine bürgerlich kommode Villa draus formten. Das Bauwerk wurde im April 1945 zusammengeschossen, mit ihm auch die Reste des noblen Palais-Gartens von der Erde getilgt.

1862 war Marie Dorothea vom württembergischen König geadelt worden. Ihr Sohn, auch ein Carl, brachte es bei Kaiser Franz Josef zum Generaladjutanten und erhielt den Titel eines Fürsten von Weikersheim, also ohne das zu und das Bindestrich-Hohenlohe vorne.

Bewegend schlichter Nachruf

Ludwig Henne, der Sohn des Fürsten Ernst I. und der Weikersheimer Ratsherrntochter Caroline, hatte kurz vor seinem Tod 1910 die Hollenbacher „Krone“ samt all den Liegenschaften verkauft und damit die zahlreichen Kinder und Enkel ausreichend versorgen können. 1960 schloss der Kronen-Gasthof.

Bis heute ist das Anwesen im Besitz der Familie Kollmer; heute gehört es zu einem Bio-Bauernhof mit 100 Hektar Landwirtschaft. Den Kollmers war die Liebesgeschichte zwischen dem Langenburger Fürsten und der Kronenwirtin früh vertraut. Für die Ururenkelin beider, der Mergentheimerin Barbara Schütte, hat 2011 der damals knapp 79-jährige Karl Rudolf Kollmer, einen bewegend schlichten Nachruf gesprochen: „Mir ist bekannt, dass Ludwig Henne fürstlicher Abstammung ist. Caroline hat nie geheiratet, hat nur dieses eine Kind bekommen. Vermutlich hat sie den Fürsten zu Langenburg sehr geliebt.“

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