Öffentliche Gemeinderatssitzung

Windkraft bei Nassau: Bürger fühlen sich übergangen

Trotz Zustimmung zur Energiewende beklagt der Weikersheimer Ortsteil mangelnde Mitsprachemöglichkeit bei der Windkraftplanung. Es gab Kritik an Tempo, Fairness und fehlender Beteiligung.

Von 
Michael Weber-Schwarz
Lesedauer: 
Die Rotoren von Windkraftanlagen drehen sich im Abendrot: In Weikersheim-Nassau sieht man sich nicht nur übergangen, sondern einer „Gewinnmaximierung“ zum Nachteil der Einwohner ausgesetzt. © picture alliance/dpa

Weikersheim. Zwar bekennen sich der Weikersheimer Gemeinderat und der Ortschaftsrat Nassau ausdrücklich zum Ausbau erneuerbarer Energien, doch vor allem das hauptbetroffene Nassau kritisiert in der jüngsten Ratssitzung scharf die mangelnde Fairness und Transparenz bei der Planung von Windkraftanlagen nahe der Ortschaft. Bereits jetzt seien knapp zehn Prozent der Gemarkungsfläche für Windkraft reserviert – künftig sollen es fast 20 Prozent sein.

Aus Sicht des Ortschaftsrats widerspricht dies den Leitlinien des Regionalverbands Heilbronn-Franken, der auf Abstand zur Wohnbebauung und faire regionale Verteilung poche, sagte Ortsvorsteher Kurt Kröttinger in der Sitzung. Besonders empört zeigt man sich über die kurze Zeitspanne zwischen Projektvorstellung und Vertragsunterzeichnung – neun Tage für ein Großprojekt mit über 100 Millionen Euro Investitionsvolumen.

Ein Gefühl der Ohnmacht

Die Bürger, so der Vorwurf in Kröttingers Stellungnahme, seien kaum informiert, geschweige denn einbezogen worden. Auch ein möglicher Alternativstandort, der weniger Menschen direkt betroffen hätte, sei aus Gründen des Tourismus abgelehnt worden – ein Affront, wie man in Nassau findet. In der Bevölkerung hatte sich massiver Widerstand geregt, alle eingegangenen Stellungnahmen lehnten das Vorhaben ab. Der Ortschaftsrat fordert nicht die komplette Abkehr vom Projekt, sondern einen sozialverträglicheren Ausbau mit Rücksicht auf Anwohner und Landschaft. Doch die Einflussmöglichkeiten vor Ort sind extrem begrenzt – was bleibt, ist das Gefühl der Ohnmacht und die Hoffnung auf einen verantwortungsvollen Umgang mit den Bedenken der Menschen.

Bürgermeister Nick Schuppert war eingangs des Tagesordnungspunkts auf eine nichtöffentliche Sitzung eingegangen, in der es um den Pachtvertrag mit „Uhl Windkraft“ gegangen sei. Nichtöffentlich war das Thema deshalb, weil es um Zahlen und den berechtigten Schutz Dritter gegangen sei. Das Verfahren zu den Windanlagen bei Nassau laufe weiter, aber „wir wissen nicht, wie viele der beantragten Anlagen genehmigt werden“. Die Sache liege beim Landratsamt. Schuppert hielt fest, dass „weder die Verwaltung noch der Gemeinderat“ Einfluss auf die Standortfrage gehabt habe – auf anderer Ebene partizipiert die Stadt aber finanziell an Anlagen.

Faktisch „keine Einflussmöglichkeiten“

Schuppert bezog sich in seiner Stellungnahme auch auf einen aktuellen FN-Kommentar, in dem gefordert worden war, dass die Kommunen in Sachen Windkraft-Standorte selbst „nachsteuern“ müssten. „Wie um alles in der Welt sollen Stadträte Landes- oder Bundesplanungen“ beeinflussen“, fragte Schuppert. Wenn jemand brauchbare Vorschläge habe, sei er offen für diese.

Die Planungen liefen nicht in der unmittelbaren Planungssphäre der Stadt Weikersheim: „Einflussmöglichkeiten von Ortschaftsrat und Gemeinderat gab es faktisch keine“, sagte CDU-Stadtrat Peter Rösch. Die Gebiete seien vonseiten des Regionalverbands vorgegeben. Auch SPD-Stadträtin Anja Lotz kritisierte die Entscheidungen „über unsere Köpfe hinweg“.

Sachlich in der Darstellung, emotional im Inhalt war die Stellungnahme von Kort Kröttinger „zu der geplanten Errichtung von bis zu elf Windenergieanlagen auf den Windvorranggebieten südwestlich und nordwestlich von Nassau“. Der Ortschaftsrat sehe den Ausbau erneuerbarer Energien grundsätzlich positiv, „dieser sollte jedoch zu keiner Überforderung von Teilen der Bevölkerung führen.“ Bereits in früheren Schreiben an die Verwaltung sei deutlich gemacht worden, dass Nassau seinen Beitrag bereits bisher „in vorbildlicher Art geleistet“ habe.

Das „Schutzgut Mensch“ nicht berücksichtigt

Der Regionalverband Heilbronn-Franken habe als zwei seiner Hauptkriterien zum Windenergieausbau folgende: 1. Ein möglichst großer Abstand zu bewohnten Siedlungsflächen („Schutzgut Mensch“), 2. Eine faire Verteilung des Windkraftausbaus in der Region Heilbronn-Franken. Kröttinger: „Beides sehen wir bei den geplanten Anlagen und Anlagenstandorten als nicht gegeben an.“

Von Anfang sei die Transparenz des Regionalverbandes, der Umgang mit der Öffentlichkeit, die Vorgehensweise von Behörden und die zeitliche Abfolge „sehr suboptimal“ gewesen. Zwischen der ersten Veröffentlichung der geplanten Windvorranggebiete vorwiegend auf Nassauer Gemarkung in den FN im Juli 2024 und der Vertragsunterzeichnung der Pachtverträge „liegen nicht einmal zwölf Monate“. Anfang Juni „bekam der auf den Nassauer Gebieten tätige Projektierer eine positive Rückmeldung von der Bundeswehr zur Realisierung der Windkraftanlagen.“

Zwischen der darauf einberufenen Informationsveranstaltung des Projektierers am 17. Juni in der Nassauer Turnhalle, bei der zum ersten Mal die detaillierte Planung mit zwölf Windenergiestandorten vorgestellt wurde und der Vertragsunterzeichnung durch die Stadt „lagen gerade einmal neun Tage“. Und dies alles, „damit der Projektierer bis zum 30. Juni seine unterschriebenen Windenergiestandortverträge vorlegen konnte, um in einem vereinfachten Verfahren noch schneller, einfacher und günstiger bauen zu können.“

Tourismus wichtiger als Bürgerrechte

Dieser enorme zeitliche Druck beim bisher größten Projekt mit einem Gesamtvolumen von mehr als 100 Millionen Euro, das je auf der Gemarkung der Stadt Weikersheim umgesetzt wird, „erlaubte es nicht, die Bürgerschaft umfassend zu informieren und mitzunehmen“, so Kröttinger.

Bürgermeister Schuppert habe in der Versammlung des Regionalverbands am 25. Juli in Schrozberg auch einen Alternativstandort zur Abstimmung gegeben. Ziel war es, den südwestlichen Standort, der die Lichtenhöfe und Nassau wesentlich mehr beeinträchtigt, wegfallen zu lassen. „Der Antrag wurde leider mehrheitlich von der Verbandsversammlung abgelehnt.“

Als Begründung des Regionalverbandes habe es geheißen, dass die Standortalternative die Sichtachse von Schloss Weikersheim beeinträchtige. Kröttinger: „Das bedeutet, dass das freie Sichtfeld eines Touristen höher bewertet wird als die Rechte eines Bürgers, der dauerhaft vor Ort wohnt und den Emissionen der Windenergieanlagen dauerhaft ausgesetzt ist.“ Für ihn sein das „ein Schlag ins Gesicht“ gewesen. Der Regionalverband soll für die Bürger seines Verbandsgebietes verantwortlich handeln, und nicht für Touristen und Besucher.

„Treibt Betroffenen die Zornesröte ins Gesicht“

Und weiter heißt es: „Wenn dann eine Regierungspräsidentin vor einigen Wochen in den Fränkischen Nachrichten die Aussage trifft, die Bürger müssen bei der Energiewende mitgenommen werden, kommen wir uns erst recht veralbert vor.“ Es sei die Machtlosigkeit und Hilflosigkeit, „die den Stadtverwaltungen, dem Gemeinderat und uns, den betroffenen Bürgern, die Zornesröte ins Gesicht treibt.“ Deshalb sei mehr denn je zu hinterfragen, ob alles, was rechtlich möglich und zulässig sei, aus Gründen der Gewinnmaximierung auch umgesetzt werden muss.“

Wenn es nicht noch bei der emissionsrechtlichen Prüfung Probleme bei der einen oder anderen Anlage mit der Genehmigung gibt, „können wir nur auf eine besonnene Umsetzung des Projektierers hoffen. Mehr Möglichkeiten haben wir leider nicht, aber auch damit rechnen wir, ehrlich gesagt, nicht mehr“, sagte Kröttinger.

Redaktion Im Einsatz für die Lokalausgabe Bad Mergentheim

Copyright © 2025 Fränkische Nachrichten