Weikersheim. Mit jeder Menge Schwung und gemeinsam mit mehreren Kooperationspartnern ist der Verein „Tauberfränkische Volkskultur“ ins neue Jahr gestartet. Gleich zu Jahresbeginn hatte der Verein in Zusammenarbeit mit den „Gaubahnfreunden“ zum moderierten Gesprächsabend über die regionale Eisenbahngeschichte in den Sitzungssaal des Rathauses eingeladen, jetzt folgte in Kooperation mit den Teams von Stadtmuseum und Stadtbücherei ein Blick auf uralte Kriminalfälle in Hohenlohe. Beim von Helmut Fehler (Tauberfränkische Volkskultur) und Uwe Sieber (Gaubahnfreunde) moderierten Rückblick auf den Eisenbahnalltag vor und hinter den Kulissen vor vielen Jahrzehnten berichteten die ehemaligen Bahn-Praktiker Wolfgang Kniep und Herbert Knöpflein, denen sich später am Podium noch Edwin Schmitt beigesellte, über mancherlei Spannendes, Kurioses und Wissenswertes über Gau- und Tauberbahn. Sie erinnerten sich und das Publikum, darunter Bürgermeister Nick Schuppert und Georg Denzer, Landrat i.R., an den Alltag auf und neben den Gleisen, in und an Lokomotiven und Wagen, im Bahnhof und drum herum. Nicht nur die Veränderungen, die die Umstiege von Dampf- auf Diesel-, dann Elektrobetrieb mit sich brachten, erlebten sie mit, sondern sie waren auch Zeugen der sich verändernden Wirtschaft und Gesellschaft. Den ganz ungetrübten Blick zurück ermöglichte die detailgetreue Ausstellungsanlage der Gaubahnfreunde, die bereits seit dem Weihnachtsmarkt jede Menge Gäste in ihren Bann gezogen hatte.
Nur gut zwei Wochen nach der Auftaktveranstaltung der traditionellen Wintervortragsreihe des Vereins ging es jetzt in der Stadtbücherei um die „böse alte Zeit“. Der Historiker Jan Wiechert widmet sich schon seit Jahren der Rechts-, Kriminalitäts- und Alltagsgeschichte Hohenlohes. Zwei Bände mit Kriminalfallsammlungen auf der Basis uralter Dokumente hat er bereits vorgelegt, ein dritter widmet sich einem Einzelfall.
In der Stadtbücherei präsentierte er lesend und lebendig erzählend, wie sich in und um Weikersheim nicht nur ein „Henker in Not“ befand, sondern auch der Amtmann Heiligental, den seinerzeit – wir sprechen vom Jahr des Herrn 1630 – die komplizierten Herrschafts- und Rechtsverhältnisse fast verzweifeln ließen.
Kurz zu den Fakten, die Wiechert aus alten Unterlagen rekonstruierte: Ein würzburgischer Untertan, Georg Michel von Haagen, seines Zeichens Schneider, war durch die Hand des Hohenlohers Matthes Röhrlein, seines Zeichens Scharfrichter von Weikersheim, zu Tode gekommen – im Zug eines üblen, eigentlich durch eine Kleinigkeit ausgelösten, durch Trunkenheit dann eskalierenden Handgemenges.
Köstlich schilderte Wiechert, wie sich erst der auf einem Dienstritt befindliche Henker an ein paar Träubchen labte, der kleine Mundraub dann von Mund zu Mund zum großen Diebstahl aufwuchs und ein angestachelter und alkoholisierter Mob zu blutiger Selbstjustiz griff. Dass sich der als Dieb beschuldigte Scharfrichter schlussendlich gar mit dem Richtschwert zur Wehr setzte: nachvollziehbar; was allerdings nicht unbedingt auch für die Probleme zutrifft, denen sich die Amtsleute beidseits der Grenzen bei der Beweisaufnahme und Überstellung des Delinquenten gegenüber sahen.
Gebannt folgte das Publikum Wiecherts Beschreibung, bei der es sich mitten hinein versetzt fühlte in die Wirrungen um Wein und Wahrheit, Hochzeitsfeier und blutige Knüppelei, magischen Schutz und Rechtsgeschichte. Selbst eine halbe Hand – der Zuhörerschafts graut’s – wird seinerzeit als Beweismittel transportiert, die Boten festgesetzt. Der Fall beschäftigt bis in höchste Ämter: Eingeschaltet werden mussten sogar der Würzburger Bischof und der Hohenloher Graf Georg Friedrich. Der Rückblick in die Strafverfolgung der Vergangenheit lässt manchen Ärger über heutigen Behördenwirrwarr fast vergessen. Ganz nebenbei erfuhr das Publikum so Manches über Zünfte, Ehrbegriffe, Aberglauben und das nicht unbedingt erstrebenswerte, weil doch eher karge und ungesellige Henkersleben.
Gekonnter als mit Wiecherts Recherche- und Schreibtalent lässt sich schwerlich Jahrhunderte alter Staub von Aktenbündeln fegen!
Wie überhaupt man diese alten Schriften entziffern kann, lässt sich bereits im Februar ebenfalls mit Jan Wiechert erkunden: An zwei Samstagen (10. und 24. Februar) informiert er beim vom Verein Tauberfränkische Volkskultur gemeinsam mit dem Stadtmuseum veranstalteten Lesekurs über den Umgang mit Federschriften. Noch sind ein paar Anmeldungen (ausschließlich über https://eveenco.com/weikersheim) möglich. Ebenfalls noch im Februar widmet sich Helmut Fehler im Rahmen der Wintervortragsreihe der Flößerei auf dem Main und seinen Zuflüssen, und Anfang März informiert Wolfgang Willig darüber, wie einst die weiße Taube ins Hohenlohewappen kam und nach 20 Jahren wieder heraus flog.
Beide Wintervorträge (Mainflößerei am 21. Februar, Hohenlohewappen am 6. März) beginnen um 19.30 Uhr im UHU-Seniorentreff (Weikersheim, Hauptstraße 30). Der Eintritt ist frei, der Verein Tauberfränkische Volkskultur, der sich bereits auf die neue Saison des von ihm ehrenamtlich geführten Dorfmuseums vorbereitet, freut sich über Spenden zugunsten dieser sehenswerten Sammlung ländlichen Kulturguts im Kornbau am Marktplatz.
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