Weikersheim. Lange ausgebucht war das Abschlusskonzert des wahrlich außergewöhnlichen Konzertjahrs in der Tauberphilharmonie Weikersheim. Doch ob die vom Freiburger Barockorchester und dem Nederlands Kamerkoor geplante und final in Weikersheim einstudierte Aufführung unter der Leitung von Pieter Dijkstra wirklich wie geplant würde stattfinden können, stand lange in den Sternen.
Es klappte – dank der Entscheidung der baden-württembergischen Landesregierung, den Kulturbetrieb trotz hoher Inzidenzen nicht dicht zu machen. Ausdrücklich bedankte sich Tauberphilharmonie-Intendant Johannes Mnich vor Beginn des Konzerts für die Entscheidung, Aufführungen bei Einhaltung der „3G+“-Regel und 50-prozentiger Saalauslastung zu ermöglichen. Schließlich hatten Chor und Orchester bereits seit Anfang der Woche am Premierenort der eigentlich ausgedehnten Weihnachtstournee nach täglichen Corona-Tests am letzten Feinschliff der Aufführung gefeilt und sich gemeinsam mit der Intendanz für zwei etwas gekürzte Aufführungen am Freitagabend entschieden. Nur eine Woche Zeit blieb auch dem Tauberhilharmonie-Team, unter anderem mit den Vorbuchern Kontakt aufzunehmen, um das Publikum auf die nunmehr zwei Aufführungstermine zu verteilen.
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Als ein der begeisterndsten, beglückendsten und empathischsten Stücke, die je geschrieben wurden, kündigte Mnich das Oratorium an, das „die ganze Genialität Bachs erspürbar“ mache. Immer wieder berühre auch ihn selbst dieses Stück emotional, so der Intendant. Dem Publikum empfahl er angesichts der derzeit etwas gedämpften Weihnachtsvorfreude, sich ganz besonders den zweiten Teil der Eröffnungskantate zu Herzen zu nehmen: „Lasset das Zagen, verbannet die Klage, Stimmet voll Jauchzen und Fröhlichkeit an!“
Und dann: Welch eine Pracht, welch wunderbare Klangfülle, welch feinste Ausarbeitung! Ein Publikum, das regelrecht atemlos die Klänge einsaugt. Nur fünf Sängerinnen und Sänger pro Stimme, dazu vier exquisite Solisten und ein bereits seit Ende der 1980er Jahre auf historische Aufführungen spezialisiertes Orchester, dessen Mitglieder allesamt keine Soloanforderung scheuen müssten – ein einziger Genuss, klanglich wie optisch.
Diesem wunderbar animierten, beseelt musizierende Orchester, diesem ungeheuer lebendigen und auf höchstem Niveau agierenden Chor und diesem Dirigenten musste man einfach auch zusehen, nicht nur zuhören!
Statt der ursprünglich angekündigten vier Kantaten brachten die Künstler – der vorgeschriebenen Aufführungsdauer geschuldet – nur die drei von Bach für die drei Weihnachtsfeiertage vorgesehenen Kantaten zur Aufführung. Bach hätte das nicht im mindesten gestört, schließlich sah er die Kantaten IV, V und VI ohnehin für den Neujahrstag, den Sonntag nach Neujahr und zum Fest der Erscheinung Christi vor.
Wie unangestrengt doch sängerische Höchstleistungen erscheinen können! Zum feinst modulierten Jubel des „Jauchzet, frohlocket“ strahlende Trompeten, vibrierende Streicher, starke Pauken, singende Flöten, Oboen und Streicher und ein alles verbindender Generalbass – ein Traum. Wunderbar der Tenor Julian Prégardien mit den Evangelientexten, ergreifend schön Altistin Wiebke Lehmkuhl in Rezitativen und Arien, stark und voll der Bass von Konstantin Krimmel, in der Region bestens bekannt als „Debut“-Preisträger. In der zweiten Kantate glänzte dann Sopranistin Kateryna Kasper mit der Engelverkündigung, in der dritten gemeinsam mit Krimmel im Arien-Duett „Herr, dein Mitleid, dein Erbarmen.“
Pieter Dijkstra, dem mit zahlreichen internationalen Preisen ausgezeichneten niederländischen Dirigenten, gelang mit den rund 50 Musizierenden nach nur knapp einer gemeinsamen Probenwoche eine perfekt stimmige Aufführung.
Bestens vertraut ist dem Chefdirigenten des Schwedischen Rundfunkchors, der ab Ende 2022 erneut als künstlerischer Leiter beim Chor des Bayerischen Rundfunks verpflichtet wurde, natürlich der Nederlands Kamerkoor, mit dem er regelmäßig als Gastdirigent zusammenarbeitet. Doch mit welch leichter Hand – selbst mitschwingend und oft nur durch einen Blick – er das Freiburger Barockorchester mit diesem Chor zu einem so wunderbar gemeinsam atmenden Ganzen fügt, lässt staunen.
Bestaunt wurden auch selten zu sehende und zu hörende Instrumente, mit denen das Freiburger Barockorchester der Aufführung historische Authentizität verleiht: Faszinierte Blicke galten der 13-chörigen Barocklaute und den der Schalmeienfamilie entstammenden gebogenen da caccia-Oboen.
Mit nicht enden wollendem Applaus bedankte sich das Publikum für einen Musikabend der Extraklasse.
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