Weikersheim. Um es mit Frank Elstner zu sagen: „Top – die Wette gilt!“ Die Wette zwischen drei Vertretern des Weikersheimer Gymnasiums und dem erst jüngst als IOC-Präsident bestätigten Ex-Tauberbischofsheimer Thomas Bach lautet: Die Schülerschaft und das komplette Personal des Weikersheimer Gymnasiums werden innerhalb von zehn Tagen – exakt 240 Stunden – 12 459 Kilometer Laufstrecke absolvieren – und falls man das nicht schaffen sollte, 100 Fahrzeuge von Krankenschwestern und Krankenpflegern waschen. Thomas Bach schlug ein und setzte 5000 Euro zur Beschaffung von Sportgeräten dagegen.
Schulleiterin Christiane Ballas-Mahler schwang pünktlich um 17 Uhr am Freitag die Startklappe – und die schulische Startschusstruppe machte sich gemeinsam mit Ehemaligen, die zum eigenständigen Sponsorenlauf über die gleiche Strecke antreten, auf den Weg, genauer: die Wege.
„Ja, wo laufen sie denn, wo laufen sie denn hin?“ Loriot, der die 1926 aufgenommene Schellacktonspur des Rennbahnsketchs von Wilhelm Bendow und Paul Morgan durch seinen 1972 erstmals ausgestrahlten Zeichentrickfilm unvergesslich machte, würde aus dem Staunen nicht mehr herauskommen: Nach Tokio! Wie bitte?
Nun ja: nicht wirklich hin. Aber immerhin genau die Strecke, die von hier nach Tokio zu den Olympischen Spielen zu bewältigen wäre. Und so laufen und laufen und laufen sie denn, die rund 450 Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer, das gesamte Schulpersonal des Weikersheimer Gymnasiums zehn Tage lang – in Runden, auf weit ausgreifenden Wanderwegen, über Feld und Flur, mitten durch den Ort, von Weikersheim nach da, dort, sonstwohin – egal, nur weit, weit, möglichst weit, um die Wette gegen den IOC-Präsidenten zu gewinnen. „Eigentlich wollten wir nur die Schüler in Bewegung bringen“, verrät Initiator Sascha Silberzahn, der schon seit Monaten immer wieder versuchte, den downtimes – ja, auch wir können verenglischen, hier: Stillstandszeiten – im Corona-Shotdown etwas entgegenzusetzen. Vor Corona war die Schülerschaft in jeder Pause draußen, auf Kletterwürfel, Kleinspielfeld und Pausenhof oder der „bewegten Pause“ aktiv. Und jetzt? Hm – Handy. Silberzahn tat sein Möglichstes, stellte je nach Wetterlage Aufgaben wie Schneemann bauen und Schneeengelprinten, App-dokumentierte Schnitzeljagden und Tierfotorallyes. Jetzt eben: Run to Tokio.
Zwecks Zusatzpep läutete er bei Bachs Sekretariat an. Ob man nicht gegen Thomas Bach wetten könne? Bachs Sekretärin Monika Scherer fand die Idee prima und klingelte bei Bach an. Den ehemaligen Olympiasieger und Florett-Weltmeister begeisterte die olympische Wette so, dass er zum „Top“ – siehe oben – die Initiatoren gleich zum persönlichen Treffen in der alten Heimat Tauberbischofsheim einlud. Unerwartet „herzlich und offen und gar nicht distanziert“ verlief die beeindruckende Begegnung, berichten die Abteilungsleiter Kai Filsinger und Michael Krapp sowie der Aktions-Initiator Sascha Silberzahn. Wer die Wette gewinnt, steht spätestens am Montag, 22. März, um exakt 16.59 Uhr fest: dann läuft die 10-Tages-Frist ab.
Verlieren kann die Schule nicht, selbst wenn es die samt Lehrerschaft und sonstigem Schulpersonal über 500 Mit-Läufer nicht ganz bis Tokio schaffen sollten: Dafür sorgt die Initiative von Tim Bender, Gymnasiums-Ehemaliger, der erst mal ganz privat, dann übers Alumni-(Ehemaligen-)Netzwerk zum parallelen Tokio-Spendenlauf aufrief.
Das Echo: Umwerfend. Über 250 der Weikersheimer Gymi-Absolventen sind schon der Whatsapp-Gruppe beigetreten, selbst in North Carolina (USA) und Norwegen laufen Alumni im Alter von 18 bis 67 Jahren mit, für je 39 Cent pro gelaufenem Kilometer, die der Schule zugute kommen sollen. Aktuell sind bereits 15 Sponsoren eingestiegen, um der Schule und generell sportlicher Betätigung auf die Sprünge zu helfen. „Die Sache hat eine irre Dynamik bekommen“, staunt Tim Bender, der über seine jüngere Schwester von der Schulwette erfuhr.
Sowohl die eigentliche Wett-Truppe als auch die Alumni-Spendenläufer achten auf genaueste Dokumentation der gelaufenen Kilometer: Ein Team entwickelte die Run-App, die sicher jeden Schritt verzeichnet und sich auch nicht durch flinke Radel-Runden neppen lässt. Exakte tägliche Zwischenstände sind auf der Homepage des Gymnasiums (www.gymwkh.de) für Interessierte ablesbar. Um 20 Uhr am Samstag waren schon 3770 der angestrebten 12 459 Kilometer gelaufen, am Sonntag Mittag um Punkt 12 meldete Abteilungsleiter Michael Krapp dann bereits 4127 gelaufene Kilometer.
Sportler, Schiedsrichter und Sportreporter wollen die Wett-Renner durch täglich mehrere Motivationsvideos am Laufen halten. Neben Thomas Bach haben etliche weitere Olympioniken und Teilnehmer von Paralympics, Deutschen, Europa- und Weltmeisterschaften, darunter zahlreiche Medaillengewinner, persönliche Videobotschaften und Durchhalte-Clips für die zu absolvierenden fast 300 (genauer: 295,272) Marathonläufe zugesagt.
In der Region heißt es jetzt: Daumen drücken. Weikersheims Bürgermeister Klaus Kornberger gehört auf jeden Fall zu den Fans des Wett- und Laufevents, das der Shutdown-Standstill-Downtime ein Schnäppchen schlägt und nicht nur die Schule in Bewegung bringt, sondern schon jetzt eine echte La Ola-Begeisterungswelle ausgelöst hat.
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