Herausforderungen im Weinberg

Neue Reben, alte Sorgen: Wie der Klimawandel den Weinbau verändert

Temperaturextreme, steigende Kosten - und neue Sorten: Im Taubertal müssen Winzer wie die Familie Hofäcker kreativ werden, um Weinbau und Tradition zu erhalten.

Von 
Michael Weber-Schwarz
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Mit Isabelle Hofäcker steht eine ausgebildete Jung-Winzerin im Weinberg am Weikersheimer Karlsberg. Ob sie den elterlichen Betrieb einmal übernehmen wird? © Michael Weber-Schwarz

Weikersheim. Es ist neblig und empfindlich kalt an diesem Dienstagmorgen. Eine Handvoll Erntehelfer schneidet am Karlsberg Trauben von den Stöcken – Weinlese. Für die Queckbronner Familie Hofäcker ein ganz normaler Arbeitstag, so scheint es. Doch der „Souvignier Gris“, der heute gelesen wird, führt mitten hinein in die Problematik und die Chancen des zeitgenössischen Weinbaus. Die deutschen Winzer stehen vor großen Herausforderungen – Genossenschaften ebenso wie private Weingüter. Der Klimawandel ist dabei eine der größten.

Das Taubertal ist eine traditionelle Weinbauregion – seit über 1000 Jahren werden hier die Hänge bepflanzt. Die Reben sorgten über Generationen hinweg für Grundversorgung und Einkommen. Heute arbeiten die Winzer zwischen Klimawandel, Gesetzesauflagen, Konkurrenzdruck aus dem Ausland und Modetrends. „Es ist nicht einfach, hier wirtschaftlich zu überleben“, sagt Winzer Rainer Hofäcker.

Sonne satt - doch wenn die Feuchtigkeit kommt...

Der „Souvignier Gris“ ist ein neues Gewächs unter seinen zwölf Sorten. Im dritten Standjahr tragen die Reben heuer ordentlich. Es gibt mehr verwertbare Trauben, als Hofäcker erwartet hatte.

Wo liegt also das Problem? Sonne satt den Sommer über – das müsste doch die Winzer eigentlich jubeln lassen. Es wird aber schwierig, wenn am Ende große Mengen Feuchtigkeit dazukommen. Die öffnen Tür und Tor für Schädlinge und Pflanzenkrankheiten. Schaffen es Mehltau und Co. auf die Trauben, ist oft jede vorherige Mühe vergebens.

Es ist Mitte Oktober, und Hofäcker ist mit seiner Lese spät dran. Die Genossenschafter der Gegend sind weitgehend durch – dabei wäre man früher gerade mal mittendrin gewesen. Der ganze Weinbau-Kalender hat sich für die Tauber-Winzer verschoben. Im Frühjahr treiben die Pflanzen wegen deutlich höherer Temperaturen früher aus. Und wenn dann die Spätfröste einsetzen, können junge Triebe schnell geschädigt oder vernichtet werden. Hinten raus kann man zwar früher ernten, doch es droht Fäulnis. Und: Reben vertragen in der Regel Trockenphasen – aber wenn es im Sommer gar nicht mehr regnet, muss bewässert werden.

Weniger Pflanzenschutz, weniger Abgase

Rund 60 Ar seiner rund vier Hektar großen Rebfläche am Weikersheimer Karlsberg hat Rainer Hofäcker mit „Souvignier Gris“ bepflanzt. Er folgt damit dem Trend, auf dem auch die WG Markelsheim zunehmend wirtschaftet. Es handelt sich dabei um eine sogenannte „Piwi“-Sorte. Das Kürzel steht für „pilzwiderstandsfähig“. „Piwi“-Reben weisen also eine hohe Resistenz gegen Pilzkrankheiten auf, ermöglichen eine deutliche Reduzierung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln – und schonen so die Umwelt. Außerdem spart weniger Spitzen auch Sprit und reduziert Abgase. Das kann jenseits gesetzlicher Vorgaben auch ein Marketingvorteil sein, denn Kunden schauen heute verstärkt auf den Faktor Nachhaltigkeit.

Im Wettbewerb mit den europäischen Nachbarn kann das also Pluspunkte bringen. Doch Hofäcker sieht auch die zunehmenden Probleme seiner Kollegen in Italien und Spanien mit Bedauern. Dort ist es noch trockener als an der Tauber – ein altes Kulturgut droht dem Klimawandel zum Opfer zu fallen.

Für hiesige Winzer bedeuten die Hitzeperioden zusätzliche Investitionen. Im neuen Weinberg hat Hofäcker beim Anlegen gleich eine Tröpfchenbewässerung mit installiert. Das kostet ebenso Geld wie die neuen Reben, deren Anschaffungspreis deutlich über dem von konventionellen liegt. Gestiegene Produktionskosten, Marktdruck und Preise, sinkender Verbrauch durch geändertes Konsumverhalten – das hat Folgen für die Wirtschaftlichkeit.

Lebenswerte Landschaft zum Nulltarif

Noch funktioniert der Betrieb gut – auch dank zusätzlicher Vermarktungsmaßnahmen und bunter Wein-Events. Mit Tochter Isabelle steht auch eine ausgebildete Jungwinzerin in den Startlöchern. Aber ob sie den elterlichen Betrieb einmal übernehmen will oder wird? Junge Menschen achten heute mehr auf ihren Freizeitausgleich – das weiß Rainer Hofäcker und sieht das auch positiv.

Doch was würde passieren, wenn Erzeuger hinschmeißen? „Wir erhalten und pflegen eine gewachsene Kulturlandschaft“, sagt Hofäcker. Weinbau bringe Menschen, Touristen in die Region. Erholungssuchende, Wanderer – sie bekommen quasi zum Nulltarif eine sehens- und lebenswerte Landschaft. Ein stärkeres Bewusstsein für die Leistungen der Winzer hält Hofäcker jedenfalls für angebracht. „Regional kaufen“ sei einer der Schlüssel – und da sieht er sich im Schulterschluss mit sämtlichen Weinbauern in der Umgegend.

Jetzt ist Überzeugungsarbeit gefragt

Hofäckers „Souvignier Gris“ hat inzwischen den Weg nach Queckbronn zum Keltern angetreten. Für eine Erst-Ernte wird es wohl ein recht guter, komplex-fruchtiger Jahrgang werden. Trotzdem: Potenziellen Käufern muss man das neue Produkt erst einmal schmackhaft machen. Wer nur bewährte Sorten wie Riesling und Spätburgunder kennt, tut sich vielleicht schwer mit einem neuen Namen.

Da ist dann Überzeugungsarbeit und „Storytelling“ angesagt – klassische mediale Bewerbung hier und auf Online-Kanälen, echtes, ehrliches Geschmackserlebnis dort, direkt im Weingut. Und da zeigt sich einmal mehr: Winzer müssen nicht nur gute Qualität liefern, sondern auch einen Spagat hinbekommen – morgens Weinberg, mittags Keller und abends Entertainer.

Die Transport-Gelte ist voll, der „Souvignier Gris“ zeigt seine wunderschöne Farbe. Jetzt geht‘s für die Trauben hinauf nach Queckbronn ins Weingut. © Michael Weber-Schwarz

Redaktion Im Einsatz für die Lokalausgabe Bad Mergentheim

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