Interview - Baden-Württembergs Kultusminister Andreas Stoch hofft, die Regionale Schulentwicklung in der Raumschaft erfolgreich zum Abschluss zu bringen

Kommunaler Konsens ist das Ziel

Von 
Klaus T. Mende
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Igersheim/Bad Mergentheim. Der baden-württembergische Kultusminister Andreas Stoch weilte am Dienstag zu einem Vortrag über Bildungspolitik in Bad Mergentheim. Anlässlich dieses Auftritts stand der SPD-Politiker den Fränkischen Nachrichten für ein Interview zur Verfügung, in dem er unter anderem zu den Igersheimer Chancen, in absehbarer Zeit doch noch die Gemeinschaftsschule zu bekommen, Stellung bezog.

Herr Minister Stoch, wäre aus Ihrer Sicht im Gemeindeverwaltungsverband Assamstadt-Bad Mergentheim-Igersheim Raum für zwei Gemeinschaftsschulen?

Stoch: Die Prüfung des Antrags von Igersheim hat leider im laufenden Genehmigungsverfahren ergeben, dass wir aufgrund einer realistischen Prognose nicht davon ausgehen, dass genügend Schüler den Standort besuchen würden. Wir wissen, dass es hier vor Ort auch eine schwierige Debatte ist, weil ich von jedem der Schulstandorte, die sich auf dem Weg zur Gemeinschaftsschule machen, weiß, wie intensiv pädagogisch und kreativ dort gearbeitet wird. Wir haben hier aber einen noch nicht abgeschlossenen Prozess der Regionalen Schulentwicklung. Es muss die entscheidende Frage gestellt werden: Wie macht sich Bad Mergentheim, wie machen sich die umliegenden Gemeinden jetzt gemeinsam auf den Weg? Und es wird mit dem Schulamt zu ermitteln sein, wie viele Schulstandorte im Bereich der weiterführenden Schulen langfristig erhalten bleiben können. Es bringt nichts, zu viele Standorte zu genehmigen, die dann nicht genügend Schüler haben. Dann hätten wir ein erneutes Problem, es wäre für Igersheim ein Pyrrhussieg.

Das Regierungspräsidium hat, wie das Staatliche Schulamt, zuletzt eindeutig für die Genehmigung einer Gemeinschaftsschule in Igersheim plädiert, weil hier im Gemeindeverwaltungsverband Raum für zwei solcher Einrichtungen wäre. Welches Gewicht hat die Stellungnahme des RP?

Stoch: Das Kultusministerium als entscheidende Instanz zur Gewährleistung landesweit einheitlicher Maßstäbe muss überprüfen, ob die Annahmen, die Gemeinde und RP tätigen, realistisch sind. In der Ermittlung einer Schülerzahlprognose des RP sind in diesem Fall zu einem erheblichen Teil auch Schüler aus Bad Mergentheim mit hinzugerechnet, was aus unserer Sicht nicht geht, da - wie bereits erwähnt - die Gespräche zur Regionalen Schulentwicklung mit Bad Mergentheim noch nicht abgeschlossen sind. Würden wir heute eine Gemeinschaftsschule in Igersheim genehmigen, würde man vielleicht Schüler aus Bad Mergentheim gewinnen. Aber in den kommenden Jahren bestünde die Gefahr, dass diese Schüler in den weiteren Jahrgängen nicht mehr nach Igersheim gehen, sondern in Bad Mergentheim bleiben, mit der Folge, dass Igersheim nicht mehr diese Schüler hätte. Und deswegen müssen diese Schülerzahlprognosen immer eine realistische mittel- und langfristige Perspektive haben.

Der Kreis ist eine Region mit vielen Weltmarktführern. Hierzu gehört auch die Firma Wittenstein in Igersheim-Harthausen. Können Sie vor dem Hintergrund, dass solche Unternehmen einen großen Bedarf an Fachkräften haben, verstehen, dass eine Firma wie Wittenstein durchaus ein Interesse daran hat, dass es in Igersheim eine weiterführende Schule gibt?

Stoch: Ich kann das sehr gut verstehen. Und ich finde auch, dass die Unternehmen, gerade auch in den ländlichen Räumen, gute Nachwuchskräfte brauchen. Aber auch an der Stelle gilt, dass die Interessen des Unternehmens durchaus andere Schwerpunkte haben können, als die schulplanerischen Gesichtspunkte. Ich sage es nochmals ganz deutlich, ich sehe hier den Prozess der Regionalen Schulentwicklung noch nicht als abgeschlossen an. Und wenn sich der Große, Bad Mergentheim, mit dem Kleinen, Igersheim, darauf verständigt, an welcher Stelle ein Schulstandort eingerichtet wird, und das Schulamt ermittelt, dass der Bedarf im Hinblick auf die Schülerzahl auch in der Zukunft so groß sein wird, dass wir auch an beiden Standorten eine Gemeinschaftsschule haben können, sind die Voraussetzungen auch für eine Genehmigung in Igersheim gut. Doch dies müsste noch einer gesonderten Prüfung überlassen bleiben und vor allem dem Prozess der Regionalen Schulentwicklung, den wir jetzt hier erst einmal abschließen und abwarten müssen.

In Mulfingen gibt es in der Trägerschaft der St.-Josefs-Pflege mit Unterstützung der Firma ebm-papst eine private Gemeinschaftsschule. Wie würden Sie reagieren, wenn man sich in Igersheim oder anderen Kommunen mit ähnlichen Gedanken beschäftigen würde?

Stoch: Wir haben die Entwicklung in Mulfingen, die zur Gemeinschaftsschule geführt hat, damals noch als Opposition mit einem lachenden Auge betrachtet. Denn Mulfingen war eine Reaktion auf die sture Bildungspolitik der CDU-geführten Vorgängerregierung, die nichts zugelassen hat im Hinblick auf integrative Schulsysteme. Und deswegen haben sich die Menschen in Mulfingen auf den Weg gemacht. Wir haben heute eine andere Situation, weil wir integrative Schulsysteme zulassen. Es gibt in der Region auch Gemeinschaftsschulstandorte, die noch Schüler aufnehmen können. Es bringt nichts, allen Menschen alles zu versprechen, sondern es gehört auch zur Verantwortung der Politik, dass wir mit dem Kommunen realistische, tragfähige Strukturen entwickeln. Ich würde abwarten, wie sich der Prozess in Bad Mergentheim künftig gestaltet. Und ich würde dann daraufsetzen, dass wir hier eine erfolgreiche Regionale Schulentwicklung hinbekommen.

Igersheim hat nochmals den Klageweg eingeschlagen, weil sich die Gemeinde durch die jüngste Ablehnung ungerecht behandelt fühlt. Zudem sieht man eine Grauzone im neuen Schulgesetz, die einer Klärung bedarf. Wie gehen Sie mit dieser Entwicklung um?

Stoch: Igersheim hat ja nicht das erste Mal geklagt. Wenn man das letzte Urteil anschaut, hat das Kultusministerium mit seiner Prognosestellung Recht bekommen. Ich sehe im Schulgesetz auch keine Grauzone. Denn Igersheim hat offensichtlich eine Annahme was Schülerströme angeht, die aus meiner Sicht nicht beweisbar ist. Das ist die Annahme, dass Schüler aus Bad Mergentheim in größerer Zahl dauerhaft nach Igersheim kommen. Und da gibt es noch Fragezeichen. Das größte Fragezeichen in diesem Prozess ist, ob sich auch Bad Mergentheim im Bereich der weiterführenden Schulen, der Realschule und der Haupt-/Werkrealschule auf den Weg macht. Letztlich ist mit dem Schulamt jetzt zu ermitteln: An wie vielen Schulstandorten in dieser Raumschaft brauchen wir wie viele Züge, um allen Schülern ein gutes Bildungsangebot zu machen. Da möchte ich der Prüfung nicht vorgreifen.

Wäre man auf diesem Gebiet schon den entscheidenden Schritt weiter, wenn sich Bad Mergentheim früher und konkreter mit dieser Sache auseinandergesetzt und eine Entscheidung herbeigeführt hätte?

Stoch: Die gesamte Schulentwicklung aus dem dreigliedrigen Schulsystem heraus ist seit Jahren überfällig. Wir haben in den letzten Jahren zahlreiche Standorte, gerade bei den Hauptschulen, verloren. Das trat auch schon auf, bevor die Verbindlichkeit der Schulempfehlung wegfiel. Und deswegen ist es für mich aus logischer Sicht zwingend, dass sich auch Bad Mergentheim mit dem Thema Gemeinschaftsschule, mit dem Thema Weiterentwicklung der Realschule beschäftigt. Aus meiner Sicht führt am Zweisäulensystem, wie es die Landesregierung vorgibt, kein Weg vorbei. Das heißt, die Bad Mergentheimer sind auch gut beraten sich Gedanken zu machen, wie sie ihre Schulstrukturen für die Zukunft stabil halten.

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